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Landtagswahl Twittern für den Wahlerfolg?

Von Alexander Walter Aktualisiert: 18.4.2021, 18:18

Magdeburg

Reiner Haseloff dürfte nicht geahnt haben, dass er gerade dabei war, seinen bislang erfolgreichsten Twitter-Beitrag in den Äther zu schicken, als er am 18. März auf dem Handy tippte. Ein Anruf von Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD) unterbrach den Ministerpräsidenten, doch Twitter blieb geöffnet. Mit seinem Ohr kam der CDU-Politiker aus Versehen aufs Display, so berichtete er es später Journalisten.

Haseloff – den bei Twitter 15.000 Nutzer abonniert haben – veröffentlichte ungewollt ein schlichtes „Ä“. Was folgte, war eine für Twitter nicht untypische Aufmerksamkeitsspirale. Binnen Kurzem erhielt der Tweet Tausende Herzchen – bis heute fast 16.000. Üblicherweise bekommen die Beiträge des Wittenbergers nur wenige Dutzend dieser „Likes“. Die Netzgemeinde widmete sich dankbar der Vieldeutigkeit des Kurz-Statements. Das Ä – die Zusammenfassung der deutschen Corona-Strategie? Haseloff – ein heimlicher Fan der Band „Die Ärzte“?

Auch andere Landespolitiker haben Twitter als Plattform für humorige Statusmeldungen entdeckt: So grüßte CDU-Bildungsminister Marco Tullner (2548 Abonnenten) seinen Karnevalsverein „Saalenarren“ am Rosenmontag im knallbunten Kostüm. Meist nutzen Politiker Twitter heute aber für Nachrichten oder Positionierungen. Nicht selten ist der Ton hier selbst unter den Koalitionspartnern CDU, SPD und Grüne rauer als in der persönlichen Begegnung – umso mehr jetzt vor der Landtagswahl. So schrieb CDU-Politiker Guido Heuer (310 Abonnenten) erst vor Tagen an die Adresse des grünen Kenia-Partners:

„Die Grünen sind der Untergang unseres demokratischen Systems. Sie wollen den Föderalismus abschaffen. Unglaublich!“ Heuer bezog sich auf Äußerungen von Grünen-Fraktionschefin Cornelia Lüddemann, die sich angesichts steigender Infektionszahlen kritisch zu Modellprojekten geäußert hatte. Auch die Gegenseite kann aber austeilen: „Ihr seid echt süß, wenn euch der A... auf Grundeis geht“, schrieb der Grünen-Abgeordnete Wolfgang Aldag (1287 Abonnenten) zuletzt an Heuer als Reaktion als Reaktion auf einen Tweet, in dem Heuer vor rot-grünen Mehrheiten warnte.

Und SPD-Politiker Rüdiger Erben (1744 Abonnenten) twitterte zu einem Auftritt von Haseloff in der Talk-Sendung Markus Lanz: „Nun wissen wir, dass in Sachen Impfungen alles super läuft und ansonsten ARD und ZDF schuld sind, weil Lanz erst 23.15 Uhr kommt.“

Auch die Opposition nutzt Twitter längst, um Kritik am politischen Gegner zu üben: „Ich kann die Story von der weitsichtigen Angela Merkel nicht mehr hören. Wer hat die Impf-/Teststrategie verschlafen“, fragte Linke-Abgeordneter Wulf Gallert jüngst. Gallert (3922 Abonnenten), langjähriger Parlamentarier und Vizepräsident im Landtag, zählt zu jenen, die Twitter intensiv nutzen.

Vorteile des Mediums: Twitter biete die Möglichkeit, einem breiten Publikum Nachrichten schnell mitzuteilen, sagt der 57-Jährige. „Der Kommunikationsstil ist authentisch.“ Und Twitter zwinge dazu, sich kurz zu fassen. Tatsächlich durfte ein Tweet ursprünglich nicht mehr als 140 Zeichen haben, heute sind es 280. Dieses Konzept dürfte eines der Erfolgsrezepte der Plattform mit weltweit zuletzt 192 Millionen Nutzern täglich sein.

Doch Twitter hat nach Ansicht Gallerts auch Grenzen: Das Tempo der Nachrichtenverbreitung werfe die Frage auf, wie verlässlich Informationen sind. Da das Medium vor allem von Politikern, politisch Interessierten und Journalisten genutzt wird, neige es zudem dazu, um sich selbst zu kreisen.

Bei polarisierenden Tweets entstehe nicht selten eine sich selbst verstärkende Erregungsspirale. Schlimmstenfalls begegnet dem Autor ein „Shitstorm“ aus Negativreaktionen. Er selbst sei dazu übergegangen, sich mit Wertungen eher zurückzuhalten, so Gallert. Welche Rolle aber spielt das Portal im Wahlkampf? Gallert glaubt: Twitter ist ein guter Indikator für aktuelle Themen. Direkten Einfluss auf Wahlergebnisse dürfte es aber nicht haben. „Da zählen dann doch die Inhalte der Parteien.“