Feuer rund ums Mittelmeer Mit Video: Waldbrände im Urlaub auf Rhodos - Zwei Familien aus Sachsen-Anhalt erzählen
Nach Wochen der Hitze wüten rund um das Mittelmeer verheerende Brände. Auf der griechischen Insel Rhodos mussten Tausende Urlauber wegen der Flammen Hotels und Ferienwohnungen verlassen. Zwei Familien aus der Altmark und aus Magdeburg erzählen.
Magdeburg - Für Carina Emig und ihre Familie sollte es der erste Urlaub mit dem Flugzeug nach der Corona-Pandemie werden. Das Ziel: die Ferieninsel Rhodos. Zwei Wochen Sonne, Strand, Sightseeing – so der Plan.
Doch schon am Ankunftstag am vergangenen Dienstag brechen auf der Insel – anderthalb mal so groß wie Rügen – Waldbrände aus: „Wir haben sie auf der Straße vom Mietwagen aus gesehen“, erzählt die 43-jährige Altmärkerin am Telefon.
Löschflugzeuge über der Terrasse, glutroter Horizont
Die Feuer scheinen weit weg. Das Paar entscheidet sich, zu bleiben. „Weil es der lang ersehnte Jahresurlaub ist, vor allem aber auch wegen unserer Kinder“, erzählt die Mutter.
Im Dörfchen Pefki im Südosten der Insel direkt am Meer hat die Familie über Airbnb eine Wohnung gebucht. Doch die Unsicherheit sollte nicht verschwinden. Im Gegenteil: „Jeden Tag haben wir SMS des griechischen Katastrophenschutzes aufs Handy bekommen, die darüber informierten, welche Dörfer evakuiert werden“, erzählt die Mutter. „Und da wir haben gemerkt: Mist, das kommt ja immer näher.“
Jeden Tag haben wir SMS des griechischen Katastrophenschutzes aufs Handy bekommen, die darüber informierten, welche Dörfer evakuiert werden. Und da wir haben gemerkt: Mist, das kommt ja immer näher.
Carina Emig, derzeit mit ihrer Familie auf Rhodos
Tagsüber fliegen Löschflugzeuge über die Terrasse, abends blickt die Familie auf einen rot glühenden Horizont.
Am vergangenen Sonnabend werden die Emigs schließlich mitten in der Nacht vom schrillen Ton einer Warn-SMS aus dem Schlaf gerissen. „Pefki war zu räumen“, erzählt Carina Emig. Die Altmärker packen ihre Sachen und fahren los. Das Ziel: eine Schule im nördlicher gelegenen Ort Archangelos.
Unterwegs auf den Straßen der nächtlichen Insel sieht die Familie stehende Busse voller Touristen, Menschen, die zu Fuß mit Koffern unterwegs sind.
„Als wir in der Schule ankamen, waren da schon Hunderte andere. Für uns alle gab es ganze zwei Toiletten“, erzählt Emig. „Immer wieder fielen Strom und Wasser aus.“ Es folgt eine Nacht auf dem Matratzenlager eines überfüllten Klassenraums.
30.000 Menschen allein auf Rhodos in Sicherheit gebracht, darunter 2000 Urlauber
Die Emigs sind nicht die einzige Familie aus Sachsen-Anhalt, die im Urlaub derzeit solche oder ähnliche Erfahrungen macht.
Seit Wochen brennt es rund ums Mittelmeer – in Griechenland außer auf Rhodos auch auf der großen Insel Euböa, auf Korfu oder auf dem Festland. Brände lodern aber auch in der türkischen Provinz Antalya, in Kroatien oder auf Sizilien. Auslöser ist in den meisten Fällen der Mensch.
Wochenlange Dürre, Temperaturen von zuletzt teils 45 Grad sowie starke Winde wirken aber wie ein Brandbeschleuniger – Meteorologen sprechen von einem „explosiven Cocktail“. Vielfach sind die Feuer außer Kontrolle geraten. Nicht so auf Rhodos. Trotzdem werden in den vergangenen Tagen etliche Ortschaften evakuiert. Insgesamt bringen die Behörden bis letzten Sonntag allein hier 30.000 Menschen in Sicherheit, darunter 2000 Urlauber.
Zu ihnen gehört auch Alexander von Koß. Mit seiner Frau kommt der Magdeburger ebenfalls am Dienstag vergangener Woche an. Gebucht hat das Paar ein Hotel in Lindos, nur gut fünf Kilometer von Pefki entfernt. „Wir sind mit einem guten Gefühl angereist“, erzählt der 53-Jährige. Dann aber tauchen auch in Lindos Rauchschwaden auf, Löschflugzeuge füllen in der Bucht vorm Hotel ihre Tanks.
„Flau ist uns geworden, als wir Samstagnacht per App die Nachricht bekamen: Lindos ist sofort zu räumen“, sagt von Koß. Für ihn und seine Frau geht es mit dem Bus in die Inselhauptstadt Rhodos, wo in dieser Nacht zur selben Zeit Tausende stranden. „Manche mussten in Turnhallen, wir konnten immerhin in der Lobby eines Hotels übernachten, in dem außer uns aber auch mehr als 1000 andere Urlauber untergebracht wurden“, erzählt von Koß.
Übernachtung in Schulen, Turnhallen oder überfüllten Hotel-Lobbys
Die Szenen werden bleiben, sagt er. Kinder, die mit Tischdecken als Bettdecke schliefen, ältere Leute in Rollstühlen auf den Gängen. Und dann die Hitze. „Es war so heiß, dass wir gegen Morgen raus in den Garten an den Pool sind und dort versucht haben, zu schlafen.“
Was tut man in einer solchen Situation, fliegt man nach Hause oder bleibt man? Von Koß und seine Frau entscheiden sich für Letzteres. Vom Reiseanbieter zu Hause bekommen sie die Info, dass sie noch am Sonntag zurück ins Hotel nach Lindos können.
Da allerdings ist jetzt wenig wie vorher. „Es war schon sehr ruhig, fast ein wenig gespenstisch“, erzählt von Koß. Viele seien nach der Evakuierung nicht zurückgekommen, neue Gäste kämen nicht nach. Gebuchte Ausflüge ins Inselinnere: gestrichen. Stattdessen plant das Paar nun eigene Unternehmungen.
Doch das sei ok. „Die Griechen geben sich große Mühe“, sagt von Koß. In Lindos wie in der Hotellobby in Rhodos hätten sie sich bemüht, die Gäste zu versorgen – so gut es angesichts der Lage eben geht. „Man merkt, dass ihnen das an die Nieren geht“, erzählt von Koß.
Davon berichtet auch Carina Emig. In ihr unfreiwilliges Nachtlager in der Schule hätten Freiwillige Getränke und Essen gebracht. „Für die Griechen sind die Brände eine Katastrophe, sie erzielen ja jetzt im Sommer ihr Haupteinkommen für das ganze Jahr.“ Und die Brände hätten im Hinterland auch viele Sehenswürdigkeiten zerstört.
Atempause für die Feuerwehren
Ein Grund zu bleiben sei dann auch Mitgefühl für die Griechen gewesen, sagt die Altmärkerin. Nach der Nacht in der Schule hat die Familie nahe der Insel-Hauptstadt Rhodos eine neue Ferienwohnung gefunden. „Statt ins Inselinnere zu fahren, bleiben wir jetzt viel am Wasser“, erzählt Emig. „Wir versuchen einfach, das Beste draus zu machen.“
Würde sie wieder im Hochsommer nach Rhodos fliegen? Emig muss überlegen und sagt dann: „Ich weiß nicht, das muss sich alles erst einmal setzen. Ich liebe die Wärme, aber mehr als 40 Grad tagsüber sind schon extrem.“ Vielleicht würde sie beim nächsten Mal doch eher im Herbst fahren, ergänzt sie schließlich. Immerhin: Mit der großen Hitze ist es auf Rhodos erstmal vorbei. Für gestern waren „nur“ noch 35 Grad angesagt. Mehrere der Brände haben die Feuerwehrleute inzwischen zudem unter Kontrolle. Es könnten also angenehmere Tage auf die Altmärker warten, bevor es am Dienstag zurück in die Heimat geht.