Übergriffe nach Amokfahrt Zuwanderer zweifeln an Sachsen-Anhalt
Mehrere Organisationen beklagen seit dem Anschlag von Magdeburg eine deutlich zunehmende Fremdenfeindlichkeit in Sachsen-Anhalt. Viele Migranten zögen inzwischen ernsthaft einen Wegzug in Betracht.

Magdeburg - Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und andere Organisationen warnen angesichts einer steigenden Zahl von Übergriffen auf Migranten vor einem zunehmend fremdenfeindlichen Klima in Sachsen-Anhalt.
„Wir nehmen nicht hin, dass unsere Kollegen unter Generalverdacht gestellt, bedroht und angegriffen werden“, sagte DGB-Landesleiterin Susanne Wiedemeyer am Dienstag zum Auftakt der Internationalen Wochen gegen Rassismus in Magdeburg. Politik und Gesellschaft müssten sich klar gegen den ausufernden Rassismus stellen, forderte sie. Migranten seien Straßenbahnfahrer, arbeiteten in Kliniken oder in der Pflege. „Die ganze Gastronomie ist ohne ausländische Mitarbeiter nicht denkbar“, betonte die DGB-Chefin. Sie erwarte klare Worte auch von Arbeitgebern, „dass wir ein Klima brauchen, in dem sich jeder wohlfühlt“.

Wir nehmen nicht hin, dass unsere Kollegen unter Generalverdacht gestellt, bedroht und angegriffen werden.
Susanne Wiedemeyer, Landesleiterin des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB)
Anlass der Äußerungen sind vermehrte Feindseligkeiten gegenüber Migranten seit dem Anschlag von Magdeburg am 20. Dezember. Ein aus Saudi-Arabien stammender Arzt war dabei mit einem BMW über den Weihnachtsmarkt gerast, tötete sechs Menschen und verletzte 300 teils schwer.
Das Landesnetzwerk der Landesnetzwerk der Migrantenorganisationen (Lamsa) zählte seit der Amokfahrt 35 rassistische Angriffe allein in Magdeburg. Dazu gehörten Drohbriefe, mit Hakenkreuzen beschmierte Klingeln, Beleidigungen, aber auch Körperverletzungen. Auch die Mobile Opferberatung des Vereins Miteinander meldete 22 rechte Übergriffe in der Stadt – doppelt so viele wie 2023.
Mädchen aus Syrien in Magdeburg beleidigt und verletzt
Zuletzt war ein zwölfjähriges Mädchen aus Syrien am Neustädter See beleidigt und so verletzt worden, dass es ins Krankenhaus musste. Zu Tatverdächtigen äußerte sich die Polizei auf Volksstimme-Anfrage unter Verweis auf laufende Ermittlungen nicht. Zunächst war aber von einer Frau zwischen 25 und 30 Jahren mit mitteleuropäischem Aussehen als möglicher Verdächtiger berichtet worden.
Wachsende Unsicherheit unter Migranten in Sachsen-Anhalt
Viele Migranten fühlten sich angesichts des Klimas unsicher, sagte Lamsa-Geschäftsführer Mamad Mohamad. Anteil daran hätten auch die Ergebnisse der Bundestagswahl im Osten. „Vor dem Hintergrund, dass fast jeder Zweite hier AfD gewählt hat, fällt vielen die Rückkehr zur Normalität schwer“, so Mohamad. Nicht wenige dächten daran, den Osten Richtung Hamburg, Berlin, Nordrhein-Westfalen oder Bayern zu verlassen – oder ganz aus Deutschland wegzugehen. „Nach Ende des Schuljahres rechne ich mit einer größeren Wegzugswelle“, sagte Mohamad.

Nach Ende des Schuljahres rechne ich mit einer größeren Wegzugswelle.
Mamad Mohamad, Geschäftsführer beim Landesnetzwerk der Migrantenorganisationen (Lamsa)
Zuletzt hatte das Lamsa über Spenden 2.500 Taschenalarme an Migranten verteilt. Mohamad sprach von einer fatalen Entwicklung. Seit der Wende habe Sachsen-Anhalt rund 700.000 Einwohner verloren. Migranten seien auch deshalb heute eine wichtige Säule der Gesellschaft. Allein im Uniklinikum Magdeburg seien 50 Nationen an der Behandlung der Verletzten des Anschlags beteiligt gewesen. Ein Signal der Politik, dass Zuwanderer willkommen sind, forderten auch Stefanie Mürbe vom Flüchtlingsrat, Krzysztof Blau, Geschäftsführer der Auslandsgesellschaft, Saeed Saeed vom Syrisch-Deutschen Kulturverein Magdeburg sowie Pascal Begrich vom Verein Miteinander.
Die Internationalen Wochen gegen Rassismus dauern etwa mit Lesungen noch bis 30. März, am Freitag ist in Magdeburg eine Kundgebung geplant. Die AfD kritisierte das Format. Die Veranstaltungen richteten sich „gegen etwas, das nicht vorhanden“ sei, sagte Politiker Hans-Thomas Tillschneider. Tatsächlich gehe es darum, missliebige Meinungen zu diskreditieren.