Koalitionsausschuss Landtag durchleuchtet Berateraffäre
Sachsen-Anhalts Regierungsfraktionen wollen einen Untersuchungsausschuss, damit alle Verträge auf den Tisch kommen.
Magdeburg l Die Krisensitzung dauerte anderthalb Stunden länger als geplant. Doch als die Spitzen von CDU, SPD und Grünen aus der Sitzung des Koalitionsausschusses vor die Journalisten traten, verkündeten sie einen unerwarteten Beschluss: Alle drei regierungstragenden Fraktionen beantragen im Landtag die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Das Gremium soll aufdecken, welche Verträge, Studien und Gutachten in den letzten Jahren von Ministerien fehlerhaft und am Landtag vorbei ausgelöst wurden. Zeitgleich will die Koalition ein Transparenzgesetz mit klareren Regeln erarbeiten. Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sagte: „Wir haben nichts zu verbergen.“
In den vergangenen Wochen hatte die Volksstimme etliche Vorgänge ans Licht gebracht – so im Finanz- und Justizministerium. Einige Minister waren dann selbst aktiv geworden, um fragwürdige Verträge ihrer Vorgänger zu durchleuchten.
Noch in der vorigen Woche waren die Ressorts aber von der Staatskanzlei gebremst worden, von „Schnüffelbrigaden“ war die Rede und von drohenden Entlassungen. Das hatte nicht nur die Opposition aufgebracht – auch bei SPD und Grünen kam Ärger auf.
SPD-Landeschef Burkhard Lischka sagte gestern: „Der Untersuchungsausschuss ist hoffentlich geeignet, ein Stück verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen.“ Und: „Wir alle haben ein großes Interesse daran, dass sich solche Fehler nicht wiederholen.“
Die Idee eines Ausschuss kam dem Vernehmen nach von den Grünen. „Wir wollen nicht, dass alle paar Tage etwas Neues hochkommt, was die Atmosphäre weiter belastet“, sagte Landeschefin Susan Sziborra-Seidlitz.
Durch den Vorstoß überlässt die Kenia-Koalition die Initiative nicht allein der Opposition. Denn: Die AfD hatte bereits am Nachmittag bei der Landtagsverwaltung angezeigt, auf der nächsten Landtagssitzung einen Untersuchungsausschuss zu beantragen. „Wir haben das angestoßen“, sagte Fraktionschef André Poggenburg. Inwiefern sich AfD und Koalition auf einen Ausschuss einigen, ist noch offen.
Die AfD will vor allem die Vorgänge um einen 6,3-Millionen-Euro-Vertrag klären, den das Finanzministerium 2013 mit der Investitionsbank geschlossen hatte. Deswegen steht Wirtschaftsminister Jörg Felgner (SPD), der den Vertrag seinerzeit als Finanzstaatssekretär unterschrieben hatte, seit Monaten in der Kritik.
Die Linke war vom Vorstoß der Koalitionsfraktionen überrascht. „Wir werden selbstverständlich bei der Aufklärung mitarbeiten“, sagte Finanzpolitikerin Kristin Heiß.
Die Grünen erwarten, dass der Untersuchungsausschuss auf der Oktobersitzung des Parlaments eingesetzt wird und noch in diesem Jahr startet. Doch ehe das Gremium Ergebnisse vorlegt, die in ein neues Transparenzgesetz einfließen, vergehen Monate. Die Linke denkt sogar in Jahren. Was passiert bis dahin mit Aufträgen? Zwischen den Parteien werden die vorhandenen Regeln unterschiedlich ausgelegt. So ist umstritten, ob etwa eine 150 000 Euro teure Verkehrsstudie dem Landtag vorgelegt werden muss oder nicht. Grünen-Chefin Sziborra-Seidlitz meinte: „Ich glaube, dass die aktuelle Debatte sehr disziplinierend wirkt.“ Im Zweifel könne ein Minister immer beim Finanzausschuss nachfragen.
Der Landesrechnungshof deckt in einem Prüfbericht, der der Volksstimme vorliegt, teils schwerwiegende Mängel bei der Vergabe von Beraterverträgen, Gutachten und Studien auf. Die obersten Kontrolleure kritisieren aus den Jahren 2010 bis 2013 freihändige Auftragsvergaben, unzureichende Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen, fehlende Erfolgskontrollen und schlampige Aktenführung. Nun wollen die Prüfer alle Verträge ab 2014 kontrollieren.