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Leseranwältin Ein irreführender Eindruck

07.01.2024, 17:48
Leseranwältin Heike Groll
Leseranwältin Heike Groll VS

Solche Gespräche kennt jeder: Man sagt etwas in der Überzeugung, klar formuliert zu haben – und stellt fest, dass das Gegenüber die Aussage ganz anders verstanden hat, als sie gemeint war. Im Journalismus kann das nicht nur mit Worten passieren; Bilder und die Kombination von Bild und Texten sind ebenfalls Mittel, etwas auszudrücken, und somit eine mögliche Quelle für Missverständnisse; zumal, wenn auf dem begrenzten Platz einer Zeitungsseite völlig unterschiedliche Themen unterzubringen sind. Ein Beispiel war vor einiger Zeit auf der Titelseite der Volksstimme zu sehen:

Das große Bild oben zeigte einen Mann mit einem Fisch in der Hand, der Artikel direkt darunter trug die dicke Schlagzeile „Sex-Täter im Visier“. Beide Beiträge hatten inhaltlich absolut nichts miteinander zu tun, darum waren sie durch eine dünne schwarze Linie optisch voneinander getrennt. Formal hatte die Redaktion hier korrekt gearbeitet. Und trotzdem entstand ein irreführender Eindruck, was Leser zu Recht kritisierten: „Es gibt beim Anschauen keine eindeutige hinreichende Trennung beider Fakten“, „kein kleiner Ausrutscher, eher ein dicker Hund“.

Im persönlichen Umgang kommt man Missverständnissen meist rasch auf die Schliche; man kann sofort nachhaken, was der Sprecher gemeint bzw. die Empfängerin der Botschaft genau verstanden hat. Eine Redaktion, die die Zeitung für den nächsten Tag vorbereitet, kann hingegen ihre Leserinnen und Leser im Vorhinein nicht befragen. Hier kommt – oder sollte es – der „unbefangene verständige Dritte“ beziehungsweise der „unbefangene Durchschnittsleser“ als gedankliche Hilfe ins Spiel (wie sie auch Gerichte bei der Prüfung von möglichen Verstößen gegen das Presserecht nutzen).

Wie wirkt eine Formulierung, ein Artikel, ein Bild, ein Layout auf jemanden, der sie ohne journalistisches Fachwissen und ohne Vorkenntnisse zum konkreten Thema betrachtet? Legt man diesen Maßstab an, war das Layout im konkreten Fall tatsächlich nicht optimal.