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Leseranwältin Nachveröffentlichtungen immer mit der Redaktion absprechen

08.07.2024, 07:00
Leseranwältin Heike Groll
Leseranwältin Heike Groll VS

Journalisten recherchieren in der Regel mit dem Ziel, die Ergebnisse zuerst oder sogar ausschließlich im eigenen Medium zu veröffentlichen. So war es auch bei einem Interview mit einem Stadtoberhaupt gedacht, das für eine Lokalausgabe der Volksstimme vorgesehen war. Groß die Irritation in der Redaktion, als genau dieser Beitrag vorab auf der Internetseite der Kommune auftauchte. Ist das zulässig?

Interviews dienen als Mittel der Recherche, sie sind zudem eine Darstellungsform, die durch den Wechsel zwischen Fragen und Antworten besonders lebendig wirkt. Gerade bei kritischen, strittigen Themen ist sie gut geeignet, die Dinge auf den Punkt zu bringen. Kein Wunder also, wenn ein Interview nicht nur aus Sicht der Redaktion ein lesenswertes Angebot für Leserinnen und Leser ist, sondern mutmaßlich auch in den Augen derer, die eine kommunale Website mit attraktiven Inhalten zu bestücken haben.

Interviews werden zuweilen – wie im oben geschilderten Fall - per E-Mail geführt, dann liegen sie sowohl der Redaktion als auch dem Gesprächspartner ohnehin schriftlich vor. Ein Interview im Journalismus bedeutet also nicht immer ein Gespräch im Wortsinn oder per Telefon. Doch auch nach einem „echten Gespräch“ gibt es eine schriftliche Fassung, wenn es als Wortlaut-Interview erscheinen soll. Der Gesprächspartner darf den Text vor dem Druck lesen und freigeben. Begründet wird diese hierzulande übliche Autorisierung mit dem Recht jedes Menschen am eigenen Wort. Das ist wiederum der Schlüssel für die Antwort auf die Eingangsfrage. Denn wenn es sich nicht gerade um x-beliebige Allerweltsfragen handelt, sondern um solche, die in Sprache, Stil, Auswahl, Reihenfolge einen individuellen Charakter zeigen, dann sind auch die Fragen in Interviews durch das Urheberrecht geschützt.

Die Redaktion hätte hier also um Einwilligung gebeten werden müssen, bevor der Beitrag auf der Website der Stadt landete. Um Konflikte zu lösen, braucht es aber zum Glück nicht immer Gerichte. In diesem Fall genügte ein freundlicher Dialog. Reden hilft – in und über Interviews.