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Leseranwältin Vielfalt steht an erster Stelle

10.02.2025, 07:00
Leseranwältin Heike Groll
Leseranwältin Heike Groll VS

Dürfen Zeitungen Leserbriefe von Parteimitgliedern und/oder Mandatsträgern veröffentlichen? Nein, finden einige Leser. Sie fordern, zumal während des Wahlkampfs, solche Zuschriften auszusortieren, mindestens die Partei der Verfasser zu nennen, damit andere Leser sich ein „objektives“ Bild machen können. Das klingt zunächst plausibel. Schließlich haben Politiker, die in Kommune, Land oder Bund aktiv sind, andere Möglichkeiten, sich Gehör zu verschaffen. Soweit eine Zuschrift Anliegen betrifft, bei denen der Verfasser qua Mandat mitentscheidet, verfährt die Volksstimme im Einklang mit der Spruchpraxis des Presserats: Leserbriefe von Mandatsträgern in eigenen Belangen drucken wir nicht.

Es wäre jedoch weder umsetzbar noch zielführend, per se alle Briefe von parteipolitisch Engagierten auszuschließen, auch zu ganz anderen Themen, an denen die Betreffenden persönlich nicht beteiligt sind. Mehr noch: Es liefe auf Gesinnungsschnüffelei statt praktizierte Meinungsfreiheit hinaus. Warum?

1. In Sachsen-Anhalt gehören nach einer Erhebung der Freien Universität Berlin fast 16.000 Menschen einer der im Bundestag vertretenen Parteien an, nicht erfasst sind Mitglieder weiterer Gruppierungen. Jeden Schreiber darauf zu prüfen, ob er dazu gehört – logistisch nicht machbar.

2. Es gibt keine „neutralen“ Leserbriefe, von niemandem. Wir finden: Unsere Leser sind mündige Bürger. Sie wissen, dass Briefe immer eine Meinung spiegeln, und können Aussagen allein anhand des Inhalts einordnen, auch ohne die Verfasser zu kennen.

3. Als Redaktion müssen wir gemäß Pressekodex sicherstellen, dass Leserbriefe nichts Strafbares verbreiten und dass sie von echten Menschen stammen. Wir müssen diese Menschen nicht „durchleuchten“. Denn wenn Biografie den Ausschlag über Abdruck oder Nichtabdruck gibt, stünde sofort der Verdacht im Raum, die Redaktion richte in Wahrheit über ihr genehme bzw. unliebsame Standpunkte – wir wollen im Gegenteil Vielfalt.