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Leseranwältin Vom Umgang mit Zahlen und Fakten

14.04.2025, 07:00
Leseranwältin Heike Groll
Leseranwältin Heike Groll VS

Zahlen verleihen Aussagen besonderes Gewicht. Was gemessen und berechnet wurde, das gilt als objektiv und stimmig. Präzise Zahl = glasklarer Sachverhalt - wirklich?

Ein Satz in einem Bericht am 31. März, wonach 50 Prozent der Erwachsenen chronisch krank seien, machte einen Leser stutzig. Eine unsinnige Größenordnung, findet er und fragt nach der Quelle. Die findet sich beim Robert Koch-Institut (RKI), das im Auftrag des Bundes über die Gesundheitslage der Bevölkerung informiert. Bei einer Erhebung aus dem Jahr 2023 gaben 50,8 Prozent der Erwachsenen „eine chronische Krankheit oder ein langanhaltendes Gesundheitsproblem“ an.

Um Studien richtig einordnen zu können, muss man u.a. auf Basis, Methode und Fragestellung achten. Basis: knapp 30.000 Teilnehmer, repräsentativ für die deutschsprachige Bevölkerung ab 18 Jahren ausgewählt. Methode: Telefonische Selbstauskünfte, keine ärztlichen Beurteilungen. Fragestellung: „Haben Sie eine chronische Krankheit oder ein lang andauerndes gesundheitliches Problem? Damit gemeint sind Krankheiten oder gesundheitliche Probleme, die mindestens 6 Monate andauern oder voraussichtlich andauern werden.“ Der zweite Satz ist entscheidend, denn es gibt keine einheitliche Definition, was chronisch krank bedeutet.

Die RKI-Variante ist weit gefasst, sie sagt nichts über die Schwere der Beeinträchtigung aus. Wer jedes Frühjahr gegen seine Allergie kämpft und sich ansonsten pudelwohl fühlt, ist ebenso gemeint wie die Nierenpatientin, die mehrmals in der Woche zur Dialyse muss. Für eine „schwerwiegende chronische Erkrankung“ nach der Definition des Gemeinsamen Bundesausschusses (u.a. der Krankenkassen und der Ärzteschaft) müssen Betroffene wiederum über ein Jahr hinweg mindestens einen Arztbesuch pro Quartal wegen derselben Krankheit nachweisen und weitere Kriterien erfüllen.

Die RKI-Zahl ist somit nicht falsch, doch erst mit Blick auf ihre Grundlagen korrekt einzuordnen. Ein Hinweis im Artikel wäre sinnvoll gewesen.