Leseranwältin Was Anzeigen von Artikeln unterscheidet
Sprache verbindet uns Menschen, und in den meisten Fällen gelingt das auch ganz gut. Der eine sagt etwas, die andere versteht. Manchmal allerdings stellt man im Laufe des Gesprächs fest, dass man zwar dieselben Worte verwendet hat, jeder aber etwas ganz anderes gemeint hat.
Das kann auch mit den Begriffen „Anzeige“ und „Artikel“ passieren. Wenn sich etwa ein Leser an die Redaktion wendet und „eine Anzeige in die Zeitung setzen“ möchte oder eine Leserin sich „über den Artikel XY beschweren“ will, dann ist für Journalisten völlig klar: Anzeigen sind Inhalte, für deren Veröffentlichung Auftraggeber bezahlen. Dafür ist die Anzeigenabteilung zuständig.
Für journalistische Artikel hingegen ist die Redaktion verantwortlich. Ihre Beiträge unterliegen dem Pressekodex, sie dürfen dementsprechend nicht durch private oder wirtschaftliche Interessen Dritter beeinflusst sein und müssen klar von bezahlten Veröffentlichungen getrennt werden.
Es dauert zuweilen ein bisschen, ehe offenbar wird, dass Leser und Leserin womöglich genau das Gegenteil im Sinn haben: Der Leser möchte, dass die Redaktion über sein Anliegen einen Beitrag schreibt; die Leserin will sich über einen Text beschweren, der auf einer Anzeigenseite erschienen ist. Meist lässt sich das Missverständnis rasch aufklären, und die richtigen Ansprechpartner sind schnell gefunden.
Für uns Journalisten sind diese Situationen lehrreich. Wie vermutlich in allen Berufszweigen gibt es auch bei uns so etwas wie Betriebsblindheit. Wir gehen oft davon aus, dass unsere Arbeitsweisen, unsere Fachbegriffe allgemein bekannt sind. Solche Gespräche erinnern uns, dass das nicht der Fall ist.
Warum auch sollte es anders sein? Schließlich sind wir selbst auf den meisten nichtjournalistischen Feldern Laien und befragen ja gerade darum viele Menschen, die uns an ihrem Expertenwissen teilhaben lassen. Sprache verbindet – Nachfragen erst recht.