Leseranwältin Was für wen warum wichtig ist
Wer die Volksstimme liest, tut das aus gutem Grund: um zu erfahren, was im Ort und in der Welt geschieht; um sich eine Meinung zu bilden; um Tipps für den Alltag zu erhalten; um sich an spannenden und amüsanten Stücken zu erfreuen. Eine gut komponierte Ausgabe bietet für möglichst viele Ansprüche den passenden Mix an Themen und Darstellungsformen. Aber woher wissen Redaktionen, was Leserinnen und Leser interessiert?
Erkenntnisse, die sich auf Zahlen und Daten stützen, spielen im Journalismus heutzutage eine unverzichtbare Rolle. Forscher untersuchen, welche Texte in der gedruckten Zeitung wie intensiv angeschaut und gelesen werden, Datenanalytiker messen, wie oft Beiträge im Internet und sozialen Medien kurz angeklickt oder komplett abgerufen, wie lange sie gelesen, wie oft geteilt werden und vieles mehr.
Braucht man also nur auf den Knopf zu drücken, sich die Kennzahlen ausspucken zu lassen und fortan ausschließlich die Spitzenreiter-Themen zu bringen? Verführerisch einfach, aber fatal. Klar, was sehr viele Menschen interessiert (Telemedizin in Sachsen-Anhalt, Rentenpläne im Bund), muss selbstverständlich den nötigen Platz erhalten. Und, was in Spezialmedien für ein sehr enges Zielpublikum besser aufgehoben ist, ist in einer Lokalzeitung eher verzichtbar. Journalismus, wie ihn die Volksstimme versteht, heißt aber auch, zahlenmäßig kleinere Gruppen mit für sie äußerst relevanten Informationen zu versorgen. Die Baustelle in Dorf A juckt die 5000 Einwohner in Stadt B wenig – die 50 Bürger in A hingegen wollen zu Recht mehr erfahren.
Was für wen warum wichtig ist, das bekommen Redaktionen am besten heraus, wenn sie Datenanalysen mit weiteren Erkenntnismethoden kombinieren: Gespräche und Recherchen vor Ort, Hinweise von Lesern, ein aus der Erfahrung heraus entwickeltes Gespür für das, was die Leute bewegt. Anders gesagt: digital messen, analog zuhören, und dann mit Herz und Verstand komponieren.