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Uni-Institute schreiben rote Zahlen / Hallenser Professor warnt vor langen Wegen Magdeburg will Rechtsmedizin abstoßen

Wie lange muss ein Gewaltopfer auf einen Rechtsmediziner warten?
Sachsen-Anhalts einziger Forensik-Professor warnt davor, den Standort
Magdeburg zu schließen.

Von Hagen Eichler 22.10.2013, 03:08

Magdeburg l Seit langem schreiben die Institute für Rechtsmedizin in Magdeburg und Halle rote Zahlen, weil die Fallpauschalen nicht ausreichen. In Magdeburg kam im vergangenen Jahr ein Defizit von 680.000 Euro zusammen, in Halle waren es 760.000 Euro. Jetzt möchte Magdeburg einen Schlussstrich ziehen.

Die Entscheidung soll Ende November im Aufsichtsrat der Uniklinik fallen. Aufsichtsratsvorsitzender ist Wissenschaftsminister Hartmut Möllring (CDU), der einen Umzug nach Halle für vernünftig hält: "Kein Unternehmen würde sich zwei defizitäre Betriebsteile leisten." Er hofft darauf, dass das Personal dann besser ausgelastet wird. Wie viel eine Fusion einsparen würde, kann sein Ministerium allerdings nicht angeben. "Es geht vor allem darum, mittel- und langfristig neue Defizite zu verhindern", sagt Sprecherin Beate Hagen. Der Haushaltsentwurf für 2014 schafft bereits Fakten: Er deckt das Minus von lediglich einer Einrichtung ab.

Leiter beider Institute ist der Hallenser Rechtsmediziner Rüdiger Lessig. Er warnt vor einer Aufgabe des Standorts Magdeburg: "Von diesem Vorschlag halte ich gar nichts." Zur Aufgabe der Rechtsmedizin gehört auch, überlebende Gewaltopfer zu untersuchen. "So etwas muss schnell gehen, man kann einem Vergewaltigungsopfer aus der Altmark nicht zumuten, mit zwei Beamten nach Halle anzureisen." Auch die erhofften Einsparungen werde es so nicht geben. Das Magdeburger Defizit werde nicht verschwinden, sondern lediglich verschoben, vermutet der Professor. In Halle müsste zudem bei einer Fusion das aus dem Jahr 1928 stammende Gebäude "komplett umgebaut werden", sagt Lessig.

Die Justiz, die auf die Arbeit der Rechtsmediziner angewiesen ist, reagiert überrascht auf den Vorschlag der Uni Magdeburg. "Wir haben uns klar für den Erhalt beider Standorte ausgesprochen", sagt Sachsen-Anhalts Generalstaatsanwalt Jürgen Konrad. Die Anfahrt zum Tatort oder die Überführung einer Leiche zur Sektion würden bei nur einem Standort länger dauern und teurer werden. "Noch wissen wir nicht, wie sich die Kosten insgesamt für das Land darstellen, aber die längeren Wege müssen berücksichtigt werden", sagt Konrad.

Ein Landtagsbeschluss spricht sich für den Erhalt von Halle und Magdeburg aus. Allerdings gibt es Anzeichen für ein Umdenken. "Wenn uns die Uni Magdeburg erklärt, dass sie das Institut für entbehrlich hält, würden wir mit unserem Koalitionspartner reden", sagt Siegfried Borgwardt, rechtspolitischer Sprecher der CDU. Sein Fraktionskollege, der Finanzpolitiker Kay Barthel, will zunächst ein Konzept, das sämtliche Kosten aufschlüsselt. "Aber wenn die Beteiligten das mittragen würden, präferieren wir eine Konzentration." Die SPD-Spitze äußert sich bislang nicht zu den Plänen.

Die Linke lehnt die Schließung eines Standorts ab. Die Rechtspolitikerin Henriette Quade fordert, an den Kosten müssten sich alle Ministerien beteiligen, die rechtsmedizinische Dienstleistungen in Anspruch nehmen.

Eine Verlagerung nach Halle hätte auch Folgen für die Lehre. Für das vorgeschriebene Praktikum müsste jeder Magdeburger Medizinstudent an die Saale pendeln.