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Magdeburger kombinieren Geist und Natur

10.11.2012, 19:29

Seit 2006 wird an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg der Studiengang Philosophie-Neurowissenschaften-Kognition (PNK) angeboten. In diesem Jahr wurde er um den Master erweitert.

Magdeburg l Das Zusammenspiel von Philosophie und Neurowissenschaftlern - das ist eine auf den ersten Blick außergewöhnliche Kombination. Warum diese Kombination notwendig war, erklären Professor Holger Lyre und Doktor Ramiro Glauer: "Die Neurowissenschaften boomen derzeit", sagt Ramiro Glauer. Er ist Studienberater des PNK-Studiengangs. "Mit neurowissenschaftlichen Erkenntnissen kann genauer erklärt werden, wie das menschliche Gehirn funktioniert - das Organ, mit dem wir denken und fühlen." Neurowissenschaftliche Erkenntnisse setzen ein Potenzial in die Welt, die Funktionen des Gehirns auf bisher ungeahnte Weise zu beeinflussen oder zu bestimmen. Der Einsatz von Psychopharmaka, um die Persönlichkeit zu optimieren oder die Verwendung von Gehirnscans, um festzustellen, ob ein Angeklagter strafrechtlich schuldfähig ist, sind nur einige Möglichkeiten. Mit anderen Worten: Die Erforschung des Gehirns hat pädagogische, therapeutische und rechtliche Auswirkungen.

Ein konkretes Beispiel: Es wird schon lange diskutiert, ob künstliche Intelligenzen - also zum Beispiel unbemannte Autos, führerlose Flugzeuge oder vollautomatisierte Verkehrsleitsysteme - im Verkehr eingesetzt werden dürfen. Eine moralische Dimension ist in diesem Zusammenhang schnell erreicht bei der Frage, wer im Falle eines Unfalls die Konsequenzen trägt. Wem wird bei einem Flugzeugabsturz die rechtliche Schuld gegeben? Technologien, die auf Erkenntnissen der Neurowissenschaften basieren, stehen also der philosophischen Hinterfragung gegenüber.

"Es ist wichtig, Studierende frühzeitig auszubilden, die in beiden Richtungen ein Standbein haben", sagt Holger Lyre, geschäftsführender Direktor des Instituts für Philosophie. "Daher ist ein interdisziplinärer Studiengang sinnvoll." Im Bachelorstudiengang PNK setzen sich die Studierenden zunächst mit philosophischen Fragen auseinander. Wie wirken Geist und Materie zusammen? Wie funktioniert unser Bewusstsein? Mit dieser philosophischen Sicht werden dann naturwissenschaftliche Bereiche wie die der Biologie, der Neurobiologie und der Psychologie betrachtet. "Die Studierenden lernen damit Arbeitsmethoden aus den Geisteswissenschaften wie aus den Naturwissenschaften kennen", erzählt Glauer. Beide Wissenschaftsbereiche können sich in der PNK ergänzen und voneinander profitieren.

In diesem Semester wurde der Bachelorstudiengang um einen Master erweitert. Bachelorstudenten können PNK fortführen. Aber auch Quereinsteiger sollen die Möglichkeit erhalten, sich philosophisch mit Neurowissenschaften auseinanderzusetzen. "Im Master ist eine Spezialisierung auf ein bestimmtes Teilgebiet möglich", so Lyre.

"Der Studierende kann hier sein eigenes Programm zusammenstellen." Wer sich für das Imaging, also die bildliche Darstellung von Gehirnvorgängen, interessiert, kann diese vertieft behandeln. Wer seine Zukunft in der Verhaltensforschung sieht, kann hier den Grundstein legen.

Um auch alle Bereiche der Philosophie, Neurowissenschaften und Kognition abzudecken, wird derzeit eine Juniorprofessur für die Neurophilosophie vergeben. Ziel des Studiengangs PNK ist vor allem eine wissenschaftliche Ausbildung. Experten im Bereich der Neurowissenschaften sind derzeit gefragt. "Um diese relativ junge Wissenschaft zu ergänzen, ist die Philosophie prädestiniert. Philosophen können zur Schärfung der verwendeten Begriffe beitragen und Forschungsfragen entwickeln", so Glauer. "Außerdem ist es unsere gesellschaftliche Pflicht, uns theoretisch und ethisch mit wissenschaftlichen und technologischen Entwicklungen auseinanderzusetzen."