Mordfälle Kriminalisten fordern Soko für alte Fälle
Seit 1990 sind in Sachsen-Anhalt rund 40 Morde unaufgeklärt geblieben. Für diese "Cold Cases" werden spezialisierte Ermittler gefordert.
Magdeburg l Lässt sich ein Fall nicht lösen, legen ihn Ermittler früher oder später zu den Akten. Daraus wird ein sogenannter „Cold Case“, ein kalter Fall. Immer häufiger kümmern sich in Deutschland spezialisierte Ermittler darum. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter fordert dies auch für Sachsen-Anhalt. Das Innenministerium will das prüfen.
Seit 1990 sind in Sachsen-Anhalt nach Angaben des Landeskriminalamtes rund 40 Tötungsverbrechen unaufgeklärt geblieben. Es sind Mordfälle, wie der an Paul Saib, der vor 18 Jahren mit seiner eigenen Jagdwaffe in Theeßen erschossen wurde. Oder das Verbrechen am Manager der Kastelruther Spatzen Karl-Heinrich Gross in Magdeburg 1998. Noch immer ist auch nicht der Mörder der bulgarischen Studentin Mariya Narkovska in Halle (2014) gefasst. All diese Fälle haben eines gemeinsam: Sie sind sogenannte „Cold Cases“ (kalte Fälle).
Weil Mord nicht verjährt, könnten neue Ermittlungen durchaus zum Erfolg führen. So ist es in Thüringen im vergangenen Jahr gelungen, einen solchen Altfall zu lösen. Rund 27 Jahre nach der Ermordung der zehnjährigen Stefanie aus Weimar ist ihr Mörder vom Landgericht Jena zu lebenslanger Haft verurteilt worden.
An solche Erfolge glaubt auch in Sachsen-Anhalt der Landeschef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK) Peter Meißner: „Zwar haben immer wieder mal Kriminalisten aus den Fachkommissariaten der Polizeiinspektionen die Altfälle im Blick, sie können sich aber nicht ausreichend darum kümmern.“ Aus diesem Grund fordert er ein Cold-Case-Management wie in anderen Bundesländern. „Es müssten erfahrene Ermittler mit ganz neuen Betrachtungsweisen und Analysetechniken auf die Akten sehen“, sagt Meißner. Sein Bundesvorsitzender Sebastian Fiedler geht noch weiter: „Diese Kollegen müssten nur dafür den Rücken frei haben und zentral, möglicherweise im LKA angesiedelt sein.“ Auch eine Kriminalpsychologin sei zum Beispiel für die Bildung von Tat-Versionen wichtig. Nach Fiedlers Angaben haben inzwischen sieben Bundesländer, wie zum Beispiel Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hamburg und Thüringen solche speziellen Ermittler, die sich die Fälle nach neuen Ansätzen ansehen.
Ein Cold-Cases-Fürsprecher ist auch der Leiter der Rechtsmedizin in Sachsen-Anhalt Prof. Rüdiger Lessig: „Das halte ich für sehr sinnvoll, weil sich im Laufe der Jahre immer wieder neue Methoden für das Aufklären von solchen Tötungsverbrechen ergeben.“ Und das sei nicht nur auf die verbesserte Möglichkeit von DNA-Auswertungen bezogen. Oberstaatsanwalt Klaus Tewes von der Generalstaatswaltschaft in Naumburg hält zwar eine Neubewertung von Altfällen ebenfalls für „wichtig“, sagt aber: „Ich sehe da grundsätzlich starke Personalprobleme.“
Innenministeriumssprecher Stefan Brodtrück formuliert es vorsichtig: „Es gibt Überlegungen für die Einrichtung eines Cold-Case-Managements in der Landespolizei.“ Wie das allerdings konkret aussehen soll, bleibt offen.