Natura 2000 Bauern schreiben Brandbrief an Haseloff
Bauern, Angler, Waldbesitzer und Jäger haben mit Kritik auf die Ausweisung von europäischen Naturschutzgebieten durch das Land reagiert.
Magdeburg l Sachsen-Anhalt wird fristgerecht zum Jahresende 298 Vogelschutz- und FFH-Gebiete als besondere europäische Schutzräume (Natura 2000) ausweisen – etwa in Elbauen oder im Hochharz. Drohende Strafzahlungen an Brüssel seien damit vom Tisch, sagte Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) nach einer Sitzung des Kabinetts in Magdeburg.
Ein dafür nötiges Regelwerk wird in diesen Tagen vom Landesverwaltungsamt unterzeichnet. Es legt fest, was in den neuen Schutzgebieten erlaubt ist und was nicht. Das mehr als 800 Seiten starke Werk berücksichtige zahlreiche Einwendungen betroffener Bürger, betonte Haseloff. „Immerhin elf Prozent der Landesfläche werden unter Schutz gestellt.“ Das sei nicht trivial: „Wir haben versucht, die Akzeptanz der Menschen zu erreichen.“
Bis zuletzt habe das zuständige Landesverwaltungsamt Änderungswünsche berücksichtigt, sagte Haseloff weiter. Im Ergebnis werden Verstöße gegen Auflagen – etwa das Verlassen von Wegen – im ersten Jahr nicht geahndet. Nach einem Jahr sollen die Regeln noch einmal überprüft werden. Landeigentümer und Pächter können zudem Entschädigungen erhalten, wenn sie durch die Unterschutzstellung „unzumutbare“ Einbußen hinnehmen müssen.
17 Verbände und Vereine reagierten gestern mit massiver Kritik auf die Nachricht, darunter der Landesbauernverband, der Waldbesitzerverband und der Anglerverband. In einer gemeinsamen Stellungnahme erinnern sie Haseloff an ein angebliches Versprechen beim Landes-Bauernverbandstag im November: Natura 2000 trete erst in Kraft, wenn alle Zweifel ausgeräumt seien, soll Haseloff damals zugesagt haben. „Doch wesentliche Kritikpunkte sind bei weitem nicht ausgeräumt!“, schreiben die Verfasser:
So fehle die rechtlich bindende Verpflichtung des Landes, Landeigentümern Entschädigungen zu zahlen – etwa, wenn Bauern als Grünland genutzte Elbauen zum Schutz brütender Vögeln nur eingeschränkt mähen dürfen. Bürger, die dafür gesorgt hätten, dass Gebiete überhaupt unter Schutz gestellt werden können, würden zudem mit Betretungsverboten belegt. Bis heute wüssten viele Grundeigentümer nicht, welcher Wertverlust durch die Aufnahme ihrer Flächen in die Schutzgebiete auf sie zukommt. Die Verfasser fordern, die Natura-2000-Gebiete erst auszuweisen, wenn diese Probleme geklärt sind.
Umweltministerin Claudia Dalbert (Grüne) räumte ein: „Wir hatten ein Kommunikationsdefizit, so ehrlich muss man sein.“ Dalbert geht aber davon aus, dass sich die Ablehnung auflösen wird, wenn die letztgültige Fassung der Natura-2000-Regeln bekannt wird.
Schon der erste öffentliche Entwurf des Regelwerks stieß 2017 auf Gegenwehr: Beim Landesverwaltungsamt gingen damals 3500 Beschwerden ein. Der Entwurf wurde danach überarbeitet. Wegen anhaltender Kritik lud die CDU-Fraktion am 11. Dezember nochmals 22 Verbände zu einer Anhörung in den Landtag. Auch die dort geäußerte Kritik wurde laut Verwaltungsamt in der Endfassung noch berücksichtigt.
Sachsen-Anhalt steht bei der Ausweisung seiner Natura-2000-Gebiete unter Zugzwang. Grund: Ein Vertragsverletzungsverfahren der EU gegen Deutschland. Eigentlich hätte Sachsen-Anhalt seine Natura-Flächen schon 2010 sichern müssen. Bislang hat das Land – wie auch Niedersachen – aber nicht geliefert. Würde das auch zum Jahreswechsel nicht gelingen, dürfte der Europäische Gerichtshof hohe Strafen verhängen.