Konzert mit 1200 Neonazis / Hunderte Polizisten verwandeln Dorf in eine Festung Nienhagener marschieren gegen Rechtsrock
Nienhagen/Groß Germersleben. Der 380-Seelen-Ort Nienhagen ist geschmückt mit bunten Wimpeln. Sie gelten aber nicht den unerwünschten Konzert-Besuchern, sondern sind nur Vorboten des 875-jährigen Ortsjubiläums in der kommenden Woche.
"Viele von uns sind deshalb richtig sauer, dass hier entgegen den Versprechungen des Eigentümers der Hopfendarre das Gelände kurzfristig dennoch vermietet wurde", sagt der Nienhagener Hans-Christian Anders und Initiator von "Nienhagen rechtsrockfrei". Da habe das Geld leider mehr gezogen, meint er.
Klagen vor Gerichten bleiben ohne Erfolg
Die Kreisverwaltung hatte im Vorfeld versucht, das Konzert zu untersagen. Doch sowohl das Verwaltungsgericht und später auch das Oberverwaltungsgericht gaben dem Konzertveranstalter Oliver Malina Recht. Er darf unter strengen Auflagen seine sieben Bands aus Deutschland USA, Belgien und Finnland auf die Bühne holen. Die prominentesten waren "Endstufe" und "Kommando Skin".
Zu diesem Zeitpunkt läuft bereits das Straßenfest in Groß Germersleben (Börde). Dort hatte Malina das Schloss gekauft und ursprünglich das Konzert geplant, dann aber sämtliche Termine zur Erfüllung von Auflagen verstreichen lassen.
An diesem Sonnabend malen nun Kinder mit bunter Kreide auf das Pflaster: "Groß Germersleben und Nienhagen rechtsrockfrei." Es ist nicht ganz gelungen. Davon lässt sich aber niemand beeindrucken. Unter den Besuchern des Festes ist auch Innenminister Holger Stahlknecht (CDU). Er sagt: "Ich bin der Gewaltenteilung im Land sehr dankbar, so dass ich die Gerichtsentscheidung nicht kommentieren muss. Das zeigt aber auch, dass wir in einer Demokratie solche Dinge ertragen müssen."
Der Pfarrer des Ortes, Theo Spielmann, sieht dies ein bisschen anders: "Der Rechtsrock ist der Soundtrack zu Mord und Totschlag. Immer wieder ist zu hören, man soll sich nicht so anstellen. Doch unsere Kompromissbereitschaft würden die Neonazis nur als Schwäche auffassen." Aus diesem Grund fahren die Groß Germersleber am Nachmittag auch nach Nienhagen mit einem Bus, den ein einheimisches Unternehmen zur Verfügung gestellt hat. Zu den Insassen zählt auch Frank Schwartz vom örtlichen Anglerverein: "Wir wollen die Nienhagener unterstützen, weil wir beinahe selbst Austragungsort gewesen wären. Wir wollen die nicht haben." Insgesamt kommen bei dem Umzug und dem Straßenfest rund 300 Teilnehmer zusammen.
Gegen 17 Uhr strömen die ersten Neonazis in Richtung Veranstaltungsgelände. Einige Konzertbesucher sprechen belgisch, englisch, polnisch und ungarisch. Die 1200 Eintrittskarten (laut Bürgerinitiative zum Preis von 22 Euro) waren schon im Vorfeld vergriffen. Rund 500 Polizisten sind zu diesem Zeitpunkt im Einsatz. Das Dorf gleicht jetzt einer Festung. Das Gelände selbst ist von einem Bretterzaun umgeben. Dahinter befindet sich das Festzelt. Am Einlass werden alle nach Alkohol und Waffen durchsucht.
Bürgerinitiative fühlt sich im Stich gelassen
Torsten Hahnel vom Verein Miteinander: "Wir stellen inzwischen eine hohe Professionalisierung der Konzerte fest. Malina versucht deshalb auch, alle Auflagen zu erfüllen. Im Gegensatz dazu fehlt es den Behörden an der Professionalität." Sie hätten nach seiner Meinung keine Idee, wie sie mit solchen Konzerten umgehen sollen.
Am Ende des Tages zeigen sich die Nienhagener dennoch zufrieden. Hans-Christian Anders: "Was wir heute auf die Beine gestellt haben, hätten wir uns in den kühnsten Träumen nicht vorstellen können." Allerdings fühle er sich von der Landesregierung im Stich gelassen. Christina Brehmer, Bürgermeisterin von Schwanebeck, zu dem Nienhagen zählt: "Wir müssen jetzt unsere Arbeit in kleinen Schritten fortsetzen."
Bilanz der Polizei: Vier Strafanzeigen wegen Beleidigung, Körperverletzung und dem Verwenden verfassungsfeindlicher Symbole.