Obdachlose im Winter Klirrende Kälte: Wie kann man Obdachlosen in Sachsen-Anhalt helfen?
Obdachlose Menschen haben es im Winter noch schwerer als ohnehin schon. Minustemperaturen können für sie sogar lebensgefährlich sein. Wie man Obdachlosen in Sachsen-Anhalt helfen kann.

Halle. - Im Winter, wenn es bitterkalt ist, packen sich die meisten Menschen in dicke Klamotten ein, drehen die Heizung hoch, nehmen ein heißes Bad oder mummeln sich mit einer Wärmflasche ins Bett. Obdachlose Menschen haben diese Möglichkeiten nicht. Sie liegen oft mit ihrem Schlafsack auf der Straße und bangen um ihr Leben.
Nicht alle Obdachlosen finden im Winter einen Schlafplatz in einer Notunterkunft. Manche suchen eine solche Unterkunft aber auch gar nicht auf, etwa weil sie keine Hunde mitnehmen dürfen oder die Zustände dort miserabel sind. Daher sollte man insbesondere im Winter aufmerksam sein, wenn Menschen auf dem kalten Asphalt, in Bahnhöfen oder auf Parkbänken liegen.
Wer Obdachlosen in Sachsen-Anhalt helfen möchte, hat mehrere Optionen. Der direkteste Weg ist, auf sie zuzugehen und zu fragen: "Hallo, wie geht es Ihnen? Kann ich Ihnen helfen? Brauchen Sie irgendetwas?"
Bei Anzeichen einer Unterkühlung die 112 wählen
Wenn eine Person zittert, besonders schnell oder besonders langsam atmet, teilnahmslos oder schläfrig wirkt, können das laut Deutschem-Roten-Kreuz (DRK) Anzeichen einer Unterkühlung sein. In einem solchen Fall sollte man den Rettungsdienst (112) rufen und dem Betroffenen warme, gezuckerte Getränke wie zum Beispiel Tee anbieten.
Ist eine Person bewusstlos, wählt man ebenfalls den Notruf. Bei vorhandener Atmung, so empfiehlt es das DRK, bringt man die Person bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes in die stabile Seitenlage und deckt sie zu, etwa mit einem Mantel. Hört man keine Atemgeräusche, beginnt man umgehend mit der Herz-Druck-Massage.
Braucht jemand offensichtlich Hilfe, liegt reglos oder stark alkoholisiert am Boden, muss man sogar helfen. Sonst riskiert man eine Strafe wegen unterlassener Hilfeleistung.
Jeder Mensch ist dazu verpflichtet, erste Hilfe zu leisten.
Benita Lanfermann, Bahnhofsmisson Dessau
Wer Zweifel hat, ob jemand nur schläft oder womöglich bewusstlos ist, sollte nicht zögern, die Person zu wecken. Am besten rüttelt man vorsichtig an den Schultern.
Benita Lanfermann leitet die Bahnhofsmission in Dessau. Sie betont, dass man keine Hemmungen haben sollte, die 112 zu wählen, wenn es einer obdachlosen Person nicht gut geht. "Jeder Mensch ist dazu verpflichtet, erste Hilfe zu leisten“, sagt sie.
Auch wenn man unsicher ist, ob jemand Hilfe braucht, sei es immer sinnvoll, die 112 zu wählen. Die Sanitäter am anderen Ende der Leitung könnten die Lage einschätzen, sagt Lanfermann. Alternativ kann das Ordnungsamt oder die Polizei (110) anrufen.
Weitere Nummern, die man wählen kann, wenn man sich um eine obdachlose Person sorgt:
- Magdeburg: Bahnhofsmission unter 0391/5208370
- Dessau: Wohnhilfe unter 0340/2041355
- Halle: Kältebus unter 0176/70554407, Wärmestube unter 0345/1715790 und Hallesche Hilfelotsen unter 0345/1715789
- Bernburg: Sozialamt unter 03471/659500 oder -01
- Lutherstadt Wittenberg: Straßensozialarbeit der Diakonie unter 01625/473929 oder 01625/473946
- Sangerhausen: Haus der Wohnhilfe unter 03464/570616
Geldspenden sind die besten Spenden
Eine weitere Möglichkeit, Obdachlosen zu helfen, ist, an Vereine und Initiativen zu spenden, die sich um obdachlose Menschen kümmern.
Dazu zählen zum Beispiel Bahnhofsmissionen, Suppenküchen, Wärmestuben und Kältebusse. Letztere versorgen Bedürftige mit heißen Getränken, warmem Essen, Decken, Schlafsäcken, Hygiene-Artikeln und Lebensmitteln. Teilweise bringen sie die Menschen auch in Notunterkünfte.
Steffen Mikolajczyk ist Sozialreferent bei der Diakonie Mitteldeutschland. Die besten Spenden, sagt er, seien Geldspenden – denn dann könnten die Vereine gezielt einkaufen, was gerade fehlt.
Erkunden, welche Sachspenden benötigt werden
Wer trotzdem lieber Sach- statt Geldspenden spenden möchte, sollte nicht einfach Pullover oder Dosensuppen vorbeibringen, sondern sich vorher bei der entsprechenden Organisation erkundigen, was derzeit benötigt wird. "Manche Menschen geben Dinge ab, die gar nicht gebraucht werden“, sagt Mikolajczyk.
Die Bahnhofsmission Halle etwa freut sich über Taschentücher, Handschuhe, Schlafsäcke, Wurst und Käse. Konserven würden zurzeit nicht benötigt, sagt Leiterin Heike Müller.
Ausdrücklich um Konserven bittet hingegen die Suppenküche Magdeburg, wo Bedürftige montags bis freitags ein kostenloses Frühstück und eine warme Mahlzeit erhalten. Darüber hinaus können auch lang haltbare Lebensmittel wie Nudeln, Reis, Grieß oder Leberwurst im Glas abgegeben werden.
Schlafsäcke, Isomatten, Rucksäcke
Die Wärmestube in Halle hat auf ihrer Webseite eine Liste mit Sachspenden veröffentlicht, die gerade gebraucht werden. Dazu zählen unter anderem Socken, Herrenschuhe und Badelatschen in Größe 43 bis 46, Herrenunterwäsche und T-Shirts in Größe M bis XL, Gürtel, Schlafsäcke, Rucksäcke und Isomatten.
Außerdem werden intakte Campingkocher benötigt, Besteck, Batterien, Shampoo, Duschgel, Taschentücher, parfümfreie Hautcremes, Nagelpflegesets und lang haltbare Lebensmittel wie Nudeln, Terrinen oder Dosensuppen (ohne Schweinefleisch).
Spenden werden nicht nur im Winter benötigt
Bei der Bahnhofsmission Magdeburg können Schlafsäcke, Isomatten, Rucksäcke, Winterschuhe, gut funktionierende Taschenlampen, Kaffee und Konserven abgeben werden. Florian Sosnowski, Leiter der Magdeburger Bahnhofsmission, weist jedoch darauf hin, dass obdachlose Menschen nicht nur im Winter auf Hilfe angewiesen sind, sondern das ganze Jahr über.
Das betont auch David Strübing vom Verein Vierjahreszeiten, der den Kältebus in Halle betreibt. „Viele Menschen spenden nur in der Vorweihnachtszeit, um ihr Gewissen zu beruhigen“, sagt Strübing. "Toll wären Spenden auch zu anderen Zeitpunkten im Jahr.“
Ehrenamtlich mithelfen
Nicht zuletzt kann man Obdachlosen helfen, indem man sich bei Vereinen engagiert. Diese sind meist auf Ehrenamtliche angewiesen. Man kann zum Beispiel bei der Essensausgabe helfen, Brötchen schmieren, heiße Getränke verteilen oder sich mit Bedürftigen unterhalten.
Eine Auswahl von Projekten und Initiativen, bei denen man sich engagieren kann:
"Wir brauchen dringend Ehrenamtliche“, sagt etwa Benita Lanfermann von der Bahnhofsmission Dessau. "Würden sich mehr Ehrenamtliche bei uns engagieren, könnten wir unsere Öffnungszeiten verlängern." Aktuell hat die Bahnhofsmission Dessau nur von 8 bis 14 Uhr geöffnet. "Meist sind nur zu zweit und haben kaum Zeit, uns mit den Bedürftigen zu unterhalten."
Auch die Magdeburger Bahnhofsmission habe aufgrund von Personalmangel eingeschränkte Öffnungszeiten, sagt Leiter Florian Sosnowski. Außerdem musste der Magdeburger Kältebus schon mehrfach seine Tour ausfallen lassen, weil Helfer fehlten.