Rotkäppchen und Co. Ostfirmen: Der lange Weg in den Westen
Halberstädter Würstchen, Kathi-Kuchen und Mocca Fix sind in
Sachsen-Anhalt bekannt. Nur wenige Ost-Marken haben sich aber
deutschlandweit durchsetzen können. Werbung kann sich kaum eine Firma
leisten - und der Handel gibt neuen Produkten nur wenige Chancen.
Magdeburg l In einem Regal hat Andrea Krause-Ingelbach alte und alle neuen Marken aufgereiht: Rondo Melange, Mona Crema Bohnen, "im nu" Malzkaffee sowie mehr als 30 weitere Kaffee-Kreationen. Krause-Ingelbach arbeitet als Marketing- und Vertriebsleiterin schon seit 13 Jahren für die Röstfein Kaffee GmbH. "Wir sehen uns nicht os-talgisch, wir sind eine deutsche Kaffeerösterei", betont sie.
Das Unternehmen, ansässig in einem alten Backsteinbau am Magdeburger Hafen, hat eine lange Tradition, die bis in das Jahr 1908 zurückreicht. Große Umbrüche wie die Wende hat es überstanden - auch wenn das nicht einfach war. "In der DDR gab es für Kaffee keine Vakuum-Verpackungsanlagen", erzählt Krause-Ingelbach. "Bedingt durch die damaligen Verpackungsarten waren zum Beispiel ganze Bohnen nur sechs Wochen haltbar." Mit der Wende hat sich das Anspruchsdenken verändert, plötzlich war nur noch West-Kaffee gefragt. "Den Leuten strömte das Kaffee-Aroma in die Nase, wenn sie die luftdichten Päckchen öffneten - das war eben etwas anderes."
"Wir waren nicht mehr lieferfähig, weil jeder ein Stück Heimat wollte." - Andrea Krause-Ingelbach, Röstfein
Gleich nach der Wende hat Röstfein in Maschinentechnik und Produktionsanlagen investiert und ebenfalls Vakuum-Verpackungen eingeführt.
Marken wie Rondo oder Mona, die es bereits vor der Wende gab, wurden Ende der 1990er Jahre wieder eingeführt - mit Erfolg: "Wir waren teilweise damals nicht mehr lieferfähig, weil jeder ein Stückchen Heimat kaufen wollte", erzählt Krause-Ingelbach. 47 Millionen Kaffee-Packungen, als Pads, ganze Bohnen oder Vakuum, produziert Röstfein heute pro Jahr.
Der Marktanteil der Eigenmarken liegt deutschlandweit bei zwei Prozent, im Osten sind es durchschnittlich 12 bis 14 Prozent. Zwar sei der nationale Aufstieg bislang nicht gelungen, aber: "Wir arbeiten daran. Und es liegt nicht daran, dass wir nicht wollen oder können. Leider gibt es durch Handelsunternehmen immer noch Einschränkungen und Listungen nur für das Gebiet der neuen Bundesländer", sagt Krause-Ingelbach. Das Geschäft entwickele sich aber immerhin stabil.
Mittlerweile hat Röstfein zu seinem Markengeschäft auch zahlreiche Industriekooperationen geschlossen. "Um national mit eigenen Marken Fuß zu fassen, müssten wir mittelfristig eine zweistellige Millionensumme für Fernsehwerbung ausgeben - und das können wir uns als mittelständisches Unternehmen nicht leisten", erklärt Krause-Ingelbach.
Thomas Lange, Geschäftsführer der Agrarmarketinggesellschaft Sachsen-Anhalt (AMG), benennt drei Hürden, mit denen hiesige Firmen zu kämpfen haben: Erstens waren die Regale des Handels schon immer voll. "Ein Unternehmen muss Ketten wie Edeka oder Metro erst davon überzeugen, ein bekanntes Produkt gegen ein Neues auszutauschen", erklärt Lange. Zweitens habe sich der Handel über die Jahre stark konzentriert. "Es gibt nur noch wenige große Handelsketten mit einer enormen Marktmacht - da haben es Firmen schwer." Und drittens: die Kosten für Werbung. "Zweistellige Millionenbeträge kann sich kein kleines Unternehmen leisten", sagt Lange. Obwohl Ostfirmen seit Mitte der 90er Jahre ebenso qualitativ hochwertig produzieren könnten wie die im Westen, gelinge es ihnen vor allem wegen ihrer fehlenden Bekanntheit nicht, am Markt stärker Fuß zu fassen.
Aus Sicht von Lange haben bislang nur drei Firmen aus Sachsen-Anhalt einen echten Durchbruch geschafft: Die Rotkäppchen Sektkellerei, die Brauerei Hasseröder sowie die Molkerei Frischli mit der berühmten Ostmarke Leckermäulchen. "Entscheidend für deren Durchbruch war, dass sie die finanziellen Möglichkeiten hatten, Werbung zu schalten", erklärt Lange.
Hasseröder habe Fuß fassen können, weil die Hannoveraner Gilde Brauerei dem Unternehmen finanziell unter die Arme griff und Werbung schaltete. "Rotkäppchen wiederum war mit einer geschickten Vertriebsstrategie erfolgreich", sagt Lange. 2002 kaufte die Sektkellerei die Westmarke Mumm auf. "Rotkäppchen gelang es, den Handel zu überzeugen, mehr Rotkäppchen-Flaschen in West-Regale und mehr Mumm-Flaschen in Ost-Regale zu stellen."
"Wir wollen die Internationalisierung auf den Weg bringen." - Christof Queisser, Rotkäppchen
Rotkäppchen-Marketing-Direktor Peter Claußen nennt weitere Erfolgs-Faktoren: "Ein breites Geschmacksportfolio, attraktive Werbung mit der Dame im roten, rückenfreien Kleid, ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis." Die Marken der Sektkellerei, die es bereits vor der Wende gab, seien über die Jahre im Geschmack auch kaum verändert worden - es seien lediglich neue Marken hinzugekommen.
AMG-Geschäftsführer Lange geht davon aus, dass es künftig weitere Unternehmen aus Sachsen-Anhalt zu nationaler Bekanntheit bringen. "Kathi und die Halloren Schokoladenfabrik in Halle haben zuletzt ihre Absätze stark gesteigert." Auch der Knäckebrot-Hersteller aus Burg stünde "an der Schwelle" zum Durchbruch. Ein Patent-Rezept, wie der Schritt gelingen könnte, gebe es jedoch nicht. "Einige Firmen wie Halberstädter Würstchen oder Röstfein Kaffee haben zumindest auch Chancen, mehr Absatz in angrenzenden Ländern wie Niedersachsen zu erzielen - dort arbeiten schließlich auch viele Pendler aus Sachsen-Anhalt", betont Lange.
Einen Etappensieg auf dem Weg zu mehr Marktanteilen kann Röstfein verbuchen: Eine große Handelskette hat vertraglich zugesichert, ab Juli mehrere Produkte von Röstfein-Marken deutschlandweit ins Sortiment aufzunehmen. Branchen-Primus Rotkäppchen liebäugelt derweil mit größeren Zielen. Firmen-Chef Christof Queisser erklärt: "Den Fokus unserer Aktivitäten sehen wir zwar in Deutschland, wir wollen in den nächsten Jahren aber auch die Internationalisierung weiter auf den Weg bringen."