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Holger Stahlknecht will Salzlandkreis der PD Ost zuschlagen und dem LKA mehr Kompetenz einräumen. Von Bernd Kaufholz Polizeireform? Gedankenspiele des Ministers

11.01.2012, 04:23

Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) hat mit seinen Überlegungen zu einer "kleinen Polizeistrukturreform" in ein Wespennest gestochen. Seine Gedankenspiele für Veränderung der Polizeidirektionsbereiche und beim Technischen Polizeiamt sind umstritten.

Magdeburg l Innenminister Holger Stahlknecht macht sich Gedanken über eine neuerliche Umstrukturierung der Polizei. Wenn auch nicht in den Außmaßen wie 2007, aber Unruhe - so Polizeibeamte - würden sie allemal nach sich ziehen.

Doch der Minister ist sich sicher, auf Dauer um einige Neuerungen nicht umhinzukommen. "Hintergrund sind die Einschnitte in der Personalstärke, sowohl im Vollzugs-, als auch im Verwaltungsbereich", begründet er seinen Vorstoß. "Zurzeit haben wir 6710 Polizisten, 2016 sollen es nur noch 6000 sein, 2019 sogar nur 5000." Im Verwaltungsbereich werde die Zahl von heute 1752 auf 777 im Jahr 2019 sinken.

"Um diese Zahlen zu erreichen, braucht man eine Strategie, um die zugegebenermaßen Einschnitte in Ruhe vorbereiten zu können. "Ich habe meinen Referatsleiter für den Polizeivollzug, Karl-Heinz Willberg, bereits vor einiger Zeit damit beauftragt, zu untersuchen, wie unter diesen personellen Bedingungen Vollzug in der Fläche weiterhin möglich sein wird. Denn daran will ich nicht rütteln."

Mittelfristig gehöre zu diesem Komplex auch die Frage, ob sich Sachsen-Anhalt mit seinen zwei Millionen Einwohnern drei Polizeidirektionen leisten kann oder, ob wenigstens der Verwaltungsapparat konzentriert werden könne.

Stahlknecht: Vorstellbar wäre - aber erst in der nächsten Legislaturperiode ab 2016 - eine völlig andere Strukturvariante mit einem Polizeipräsidium in Magdeburg und je einer Polizeiinspektion in Halle und Dessau-Roßlau.

"Sicher ist, dass die Polizeidirektion Ost in Dessau-Roßlau für sich allein auf Dauer nicht überlebensfähig ist", sagt Stahlknecht. "Darum wird überlegt, ob der gesamte Salzlandkreis oder Teile, der PD Ost angegliedert werden."

Im Juli 2007 war in Sachsen-Anhalt damit begonnen worden, eine grundlegende Strukturreform der Polizei des Landes einzuleiten. Dabei gab es mehrere Ziele. Einerseits sollte die Struktur der Polizei den neuen Strukturen des Landes, nach der Kreisgebietsreform 2007, angepasst werden, andererseits musste die sinkende Einwohnerzahl berücksichtigt werden, um - so der damalige SPD-Innenminister Holger Hövelmann - eine effiziente Polizeiarbeit in der Zukunft zu ermöglichen und gleichzeitig eine Präsenz in der Fläche des Landes zu gewährleisten.

"Am effektivsten sind zwei Polizeidirektionen für das Land Sachsen-Anhalt."

Als größte sichtbare Veränderung wurde die Zahl der Polizeidirektionen von ehemals sechs (Magdeburg, Halle, Dessau, Stendal, Halberstadt, Merseburg) auf drei reduziert. Sitz der Polizeireviere sind die Kreisstädte, mit Ausnahme der Landkreise Mansfeld-Südharz und Burgenlandkreis. Die Polizeireviere befinden sich aus polizeitaktischen Gründen in der Lutherstadt Eisleben (statt Sangerhausen) bzw. Weißenfels (statt Naumburg/Saale).

Experten hatten vor der Polizeistrukturreform davor gewarnt, Sachsen-Anhalt in drei Polizeibereiche zu untergliedern. Am effektivsten seien zwei - eine Polizeidirektion im Norden mit Sitz in Magdeburg, eine im Süden mit Sitz in Halle.

Doch besonders Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) hatte sich für ein Dreiermodell mit dem "Wurmfortsatz" PD Ost (Dessau-Roßlau) stark gemacht. Der Hintergrund war politischer Natur: Eine Aufgliederung wie zu DDR-Zeiten in eine Bezirkspolizeibehörde Magdeburg und Halle sei nicht opportun.

Allerdings habe die Praxis inzwischen ergeben, dass die kleine PD Ost - lediglich zuständig für Dessau-Roßlau sowie die Kreise Anhalt-Bitterfeld und Wittenberg - nicht das Ei des Kolumbus ist. Innenminister Holger Stahlknecht lässt darum seine Gedanken spielen und hat die Idee, der Mini-PD den Salzlandkreis zuzuschlagen.

SPD-Innenexperte Rüdiger Erben, bis zum Regierungswechsel im März 2011 Innenstaatssekretär und somit an vorderster Front mit der jüngsten Polizeistrukturreform befasst, ist skeptisch, was die Vorschläge Stahlknechts betrifft.

"Eine neue Strukturreform würde die Polizeibehörden über erheblichen Zeitraum von ihrer eigentlichen Arbeit abhalten." Diese traurige Erfahrung habe er "leidvoll in den Jahren 2007/2008 machen müssen".

Besonders innerhalb der Polizeidirektion Nord sei die Verbrechensaufklärungsquote "in den Keller gegangen". Das hätten die Ergebnisse 2008 gezeigt. Personalwechsel, Dienstortwechsel seien für längere Zeit kontraproduktiv gewesen. "Ein neuer Schreibtisch, ein neuer Computer, ein neuer Leiter - das irritiert Polizeibeamte", so Erben. "Eine zu kurze Folge von Reformen, da bin ich skeptisch." Man sollte die Leute "erst einmal eine Zeitlang in Ruhe lassen".

Der SPD-Politiker meint allerdings, dass der Innenminister seine Ideen per Erlass umsetzen könne - ohne das Parlament zu fragen. Da gebe es kein technisches Hindernis.

"Wie ich die Polizeiführer kenne, nehmen sie den Vorschlag des Ministers schon als gesetzt."

Uwe Petermann, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei und selbst im Innenministerium beschäftigt, weiß, dass Stahlknecht "seit Mitte Oktober des vergangenen Jahres über die neuen Strukturen nachdenken lässt". Allerdings: "Innenminister Stahlknecht hat mit uns noch nicht darüber gesprochen, worin der Effizienzgewinn einer neuen Struktur liegen würde."

Deshalb sei er überrascht gewesen, dass Stahlknecht mit seinen Ideen schon in die Öffentlichkeit gegangen sei und "Pflöcke eingeschlagen" habe. "Wie ich die Polizeiführer kenne, nimmt sie die Ideen des Ministers doch schon für als gesetzt und richtet ihre Arbeit danach aus. Obwohl noch gar nichts in Sack und Tüten ist."

Über den Zuschnitt der Polizeidirektionen sei im Vorfeld der jüngsten Strukturreform "trefflich gestritten" worden. "Alle Praktiker waren damals der Meinung, dass eine zweigliedrige Aufteilung in einen Nord- und einen Südbereich am effektivsten und damit am sinnvollsten sei. Aber die Politik hat einen Strich durch die Rechnung gemacht."

Den "kriminalgeografischen Raum Magdeburg/Schönebeck" zwei verschiedenen Polizeidirektionen zuzuschlagen und somit zu trennen, hält Petermann für "völlig falsch".

Stefan Perlebach, Vizelandes-chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, sieht die Sache so: "Da fehlt Personal an allen Ecken und Enden, erst Silvester wieder waren die Kollegen personell völlig überfordert." Hinzu komme die Liegenschaftsproblematik und dabei sei das Revier in der Magdeburger Liebknechtstraße nur die Spitze des Eisbergs. Darauf solle sich das Innenministerium konzentrieren, "bevor es eine Strukturreform der Strukturreform anschiebt".

Er habe zwar Verständnis dafür, dass die PD Ost in Dessau-Roßlau gestärkt werden solle, "aber eins nach dem anderen".

Doch Stahlknechts Gedankenspiele konzentrieren sich nicht allein auf den Zuschnitt der Polizeidirektionen.

"Ich mache keine kleine Strukturreform, wir entwickeln die alte nur weiter."

"Die sinkende Personalstärke in der Verwaltung, die bis 2025 sogar bis auf 715 abgeschmolzen werden soll, gibt Veranlassung, darüber nachzudenken, ob es ein eigenständiges Technisches Polizeiamt und eine verwaltungstechnisch autarke Bereitschaftspolizei geben muss." Oder ob diese Behörden der Polizeidirektion Nord angegliedert werden können, was den Verwaltungsaufwand verringern würde.

Diese Idee prüfe seit drei Monaten eine ministerielle Arbeitsgruppe und bis zum Sommer 2013 werde es eine Empfehlung in dieser Sache geben.

"Das Innenministerium geht bei all seinen Überlegungen transparent vor und jeder Polizeibeamte kann den Fortgang der Gedankenspiele auf einer speziell eingerichteten Intranetseite verfolgen", reagiert Stahlknecht auf die Kritik, es werde "alles wieder unter der Hand gemauschelt".

"Von einer kleinen Poilizeistrukturreform kann sowieso keine Rede sein. Wir entwickeln die alte nur weiter", sagt Stahlknecht. "Phanta rei - alles fließt."

Zum Landeskriminalamt hat sich der Innenminister ebenfalls Gedanken gemacht: "Das LKA bleibt als eigenständige Behörde erhalten." Ihre Wichtigkeit werde sogar noch erhöht. Er sehe eine Art sachsen-anhaltisches FBI im Landeskriminalamt.

"Besonders die Internetkriminalität, die in den kommenden Jahren noch größere Bedeutung innerhalb der Deliktbereiche bekommen wird, soll federführend im LKA bekämpft werden", so Stahlknecht. Um das gewährleisten zu können, habe der Finanzminister bereits sechs neue Spezialisten für die IT-Kriminalitätsbekämpfung abgenickt.

Auch die Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität will der Innenminister wieder im LKA konzentrieren. "Polizeidirektionen sind mit den oft umfangreichen und langwierigen Verfahren häufig überfordert. Eine zentrale Bündelung der Arbeit macht Sinn."

Der Bereich Kinderpornografie werde ebenfalls in der Landesbehörde bleiben. Fragen hatte allerdings ein Erlass des Innenministeriums aufgeworfen, der Ende vergangenen Jahres im LKA aufgeschlagen war und sich mit der Zuständigkeit für den Bereich Kinderpornografie beschäftigt hatte.

Stahlknecht stellt klar: "Die komplexen und schweren Fälle werden nach wie vor durch das LKA ermittelt. Die einfacheren, übersichtlicheren Delikte dieses Bereichs gehören jedoch in die Verantwortung der Polizeidirektionen. Seite 5