Reformationsjubiläum Orban ganz privat in Wittenberg
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Haseloff begleitet Ungarns Premierminister beim Besuch in Wittenberg. Die SPD kritisiert Orbans Intoleranz.
Magdeburg/Wittenberg l Viktor Orban spricht zwar gern für alle Ungarn, gehört aber in religiöser Hinsicht einer Minderheit im katholisch dominierten Land an. Der Rechtspopulist schloss sich vor Jahren der calvinistisch reformierten Kirche an. Als solcher ist Orban auf einer „spirituellen Reise“ durch Mitteldeutschland unterwegs, um die Stätten der Reformation zu besuchen.
In Wittenberg übernahm Ministerpräsident Haseloff (CDU) persönlich die Stadtführung. und zeigte ihm am Montagnachmittag die wichtigsten Reformationsorte seiner Heimatstadt. Orban besuchte mit Haseloff an der Seite die Schlosskirche, an deren Tür Martin Luther im Jahre 1517 seine 95 Thesen schlug und interessierte sich für die Ausstellung „Luther! 95 Schätze – 95 Menschen“ im Lutherhaus.
Ungarn selbst hatte einen bedeutenden Beitrag zum Luther-Gedenken geleistet: Die evangelische Kirche des Landes lieh mit dem Original des Testaments von Martin Luther eine historische Kostbarkeit nach Wittenberg aus.
Kein Verständnis für eine reine Geschichtstour zeigte der SPD-Europaabgeordnete und Sprecher der Christinnen und Christen in seiner Partei, Arne Lietz. Auch Lietz ist Wittenberger und baute sich schon am Morgen mit einem Protest-Fahrrad vor dem Lutherhaus auf. Daran hingen zwei Plakate auf Deutsch und Ungarisch, die den Gast zu Religionsfreiheit und Toleranz mahnten. Sein „Mitbürger“ Haseloff solle den Rechtspopulisten Orban darauf ansprechen. „Gerade an dieser Stelle sollte auch daran erinnert werden, welche schlimmen Folgen Luthers Antijudaismus für die deutsche Geschichte hatte.“ Haseloff solle aus christlicher Verantwortung heraus Orban unmissverständlich zu verstehen geben, „dass sein latenter Antisemitismus weder einen Platz in Wittenberg noch auf europäischer Ebene haben darf“.
Linkspartei-Chefin Katja Kipping hatte im Vorfeld kritisiert, dass sich der Ministerpräsident „privat“ mit einem Rechtspopulisten treffen wolle, „der die Menschenrechte mit Füßen tritt, sich antisemitisch äußert und sich einer EU-weiten solidarischen Lösung der Flüchtlingsaufnahme verweigere“.
Ein Sprecher der Staatskanzlei Sachsen-Anhalts betonte auf Volksstimme-Nachfrage, dass die Begleitung Orbans durch Haseloff der „Höflichkeit und Etikette“ entspreche. Generell aber sei das Reformationsjubiläum „Plattform für sehr unterschiedliche Auffassungen“.
Nach seinem Besuch in Wittenberg rauschte Orban laut Staatskanzlei nach Dresden ab. Dort wartete der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) auf den Premier. Sicher nicht nur, um spirituelle Fragen durchzusprechen.