Keine Vertragsverlängerung Ballettchef Galguera muss gehen
Magdeburgs neuer Generalintendant setzt auf die Neuausrichtung des Theaters.
Von Grit Warnat
Magdeburg Mit jedem Intendantenwechsel werden die Karten an Theatern für bestimmte Positionen neu gemischt. Das Kommen und Gehen ist üblich in der Branche und geht meistens mit nur wenigen Nebengeräuschen über die Bühne.
Dass aber Magdeburgs Ballettchef und Chefchoreograf Gonzalo Galguera jetzt mit einem Schreiben informiert wurde, dass sein Vertrag nicht verlängert wird, ist ein Paukenschlag. Für ihn, für das Ballettensemble, für das Publikum. Galguera kommentiert kurz: „Ich bin sehr, sehr enttäuscht.“
Der ihm vom designierten Generalintendanten Julien Chavaz verkündete Grund, so sagt er, sei eine andere Ausrichtung der Compagnie. Mehr will sich der 52-jährige Ballettchef im Moment öffentlich nicht äußern.
Chavaz antwortete gestern schriftlich auf Nachfrage: „Es ist üblich, dass im Rahmen eines Intendantenwechsels eine neue künstlerische Ausrichtung des Theaters erfolgt. Dazu gehören auch die Spartendirektionen. In diesem Prozess befinde ich mich jetzt.“
Seit 17 Jahren Chef der Compagnie
Galguera steht für klassischen Tanz, für Handlungsballette. Seit 17 Jahren prägt er das Ballett am Theater der Landeshauptstadt. Damals holte ihn Tobias Wellemeyer nach Magdeburg, nur drei Jahre später wurde Galguera für seine Arbeit zum „Magdeburger des Jahres“ gewählt. Seitdem hat sich dank seiner berührenden Inszenierungen eine begeisterte Fan-Gemeinde auch weit außerhalb der Stadt aufgebaut. Sie brachte dem Haus volle Säle.
Wie es der Deutsch-Kubaner vermag, mit seiner 22-köpfigen Compagnie Geschichten zu erzählen, sich den Fragen und Problemen unserer Zeit tänzerisch zu nähern, das hat bis zur Schließung des Theaters durch die Corona-Pandemie große Resonanz gefunden. Er hat Preise gewonnen, die Compagnie auch. Der Ballettchef gilt als beliebt.
Galgueras Vertrag läuft noch bis Sommer 2022. Zur gleichen Zeit endet auch der Vertrag von Generalintendantin Karen Stone. Ihr Nachfolger auf dem Posten wird der Schweizer Julien Chavaz. Er wird zum 1. August 2022 neuer Generalintendant.
Die Entscheidung im Stadtrat von Magdeburg für Chavaz hätte nicht eindeutiger sein können. Einstimmig hatte das Parlament Anfang Dezember den Schweizer bestellt. Vor den Stadträten sagte er, er sei dankbar für die Chance, in Magdeburg eine in die Zukunft schauende Theaterauffassung umsetzen zu dürfen.
KünstlerischeEinzelbetrachtungen
Einen Tag später bei seiner ersten offiziellen Vorstellung im Opernhaus verglich er das Theater mit einer Baustelle. Damit eine Baustelle gut laufen könne, brauche es eine Vision, Zeit und das Engagement der ganzen Belegschaft.
440 Beschäftigte hat das Haus – mit mehreren Tarifverträgen und einem Jahresetat von 33 Millionen Euro. Chavaz ist seit 2018 Intendant der Neuen Oper Freiburg mit dem Ziel spartenübergreifender und zeitgenössischer Inszenierungen. Es gibt kein eigenes Ensemble. Magdeburg ist ein Vier-Sparten-Haus.
„Chavaz hat überzeugt“, unterstrich gestern noch einmal Magdeburgs Kulturbeigeordnete Regina-Dolores Stieler-Hinz. Sie stand der Findungskommission mit wahrlich namhaften Theaterschaffenden – darunter Ulrich Khuon, Dietmar Schwarz und Iris Laufenberg – vor. Sie alle hatten sich im vergangenen Jahr für Chavaz’ Visionen entschieden.
Um Personalentscheidungen sei es in dem Gremium nicht gegangen, sagte gestern Stieler-Hinz auf Volksstimme-Nachfrage, auch nicht um detaillierte Konzepte. Wie Stieler-Hinz unterstreicht auch Chavaz, es habe eine Neuausrichtung und Weiterentwicklung des Hauses im Vordergrund gestanden.
Chavaz blickt da nicht nur aufs Ballett, er spricht fürs ganze Theater: „Die Neuausrichtung der einzelnen Sparten ist eine künstlerische Einzelbetrachtung, die ich als designierter Generalintendant im Zuge meiner Personalhoheit und meiner künstlerischen Zielsetzung für das Theater Magdeburg jetzt nach meiner Wahl zum Generalintendanten überprüfe.“
Chavaz will im Juli gesamtes Team vorstellen
Die Hoheit für die Spartenchefs in Magdeburg liegt seit jeher bei der Generalintendanz. Der Stadtrat hat keinen Zugriff. So war es auch unter Karen Stone. Sie entschied zuletzt über Tim Kramer als Schauspielchef oder Anna Skryleva als Generalmusikdirektorin. Stone führt seit 2009 schon die Theatergeschäfte. Galgueras Vertrag hat sie immer wieder verlängert.
Die Nebengeräusche sind mit Chavaz’ erster Amtshandlung und der Nichtvertragsverlängerung für Galguera da.
Am Haus, das ist logische Konsequenz, gibt es Unruhe. Nicht nur, weil Intendantenwechsel für neue Personalien stehen, sondern weil die Zeiten für Bühnenmenschen weitab von Normalität sind. Seit Anfang November ist das Theater zu. Die Tänzerinnen und Tänzer sind besonders hart betroffen, standen seit Anfang der Pandemie vor mehr als einem Jahr nicht mehr geschlossen auf der Bühne.
„Das Ballett ist eine wichtige Sparte für uns. Wir sind froh, dass wir eine Compagnie haben“, antwortet Stieler-Hinz auf die Frage nach einer von manchen bereits befürchteten Spartenschließung.
Und die Pläne von Chavaz für das Ballett?
Er schreibt: „Die künstlerische Ausgestaltung der Sparte Ballett erfolgt in Abstimmung mit der neuen Ballettdirektion“, so der Schweizer. Und weiter: „Im Juli werde ich das gesamte künstlerische Team des Theater Magdeburg vorstellen.“