Ausstellung Ostdeutsche Landschaften

Das Magdeburger Kunstmuseum zeigt eine Ausstellung des Fotografen Sven Johne.

28.03.2021, 16:18

Grit WarnatMagdeburg

Abgeerntete Felder, der Blick geht in die Ferne, tief hinein in die spätherbstlich-trostlose Landschaft bei Helbra. Kurztexte sind auf den Himmel gesetzt. In einem geht es um Zwangsvollstreckung, SEK, der Mann wehrte sich mit Benzin und brennendem Kohleanzünder. Auf jedem Foto stehen solcher Art Meldungen aus der Lokalpresse. „Sie berichten von Aussteigern, Menschen, die ausflippen, weil sie ökonomisch oder anders durch die Wende enttäuscht wurden. Gerne nennt man sie: ,Wendeverlierer’“, sagt Sven Johne. „Ostdeutsche Landschaften“ nennt er die Serie, die der Ausstellung im Kunstmuseum den Titel gab.

Einen Gegensatz bildet die Reihe „Großmeister der Täuschung“ (2006) mit dem Untertitel „Fünf Heldentaten von Ostdeutschen, die ihr kreatives Potenzial nicht ungenutzt lassen wollten“. Taten von einfallsreichen und erfinderischen Menschen und ihre Geschichten finden hier ihren Platz: vom Raumschiffbauer im heimischen Garten bis zum Pokalhersteller.

Sven Johne, geboren 1976 in Bergen auf Rügen, ist in der DDR aufgewachsen. Er studierte von 1996 bis 1998 an der Universität Leipzig und anschließend bis 2004 an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst. Er selbst bezeichnet sich als Angehöriger einer Zwischengeneration. Als Kind erlebte er die DDR, als Jugendlicher die Wende im Mansfelder Land. Geblieben ist der Osten als Thema in vielen seiner Arbeiten; der gesellschaftliche Wandel seit 1989 und seine Auswirkungen.

Es sind Geschichten, die Johne erzählt. Wie die vom Zirkus, der mit seinen Zelten, Clowns und Artisten auf Wanderschaft geht. Buntes Leben eigentlich. Für Johne aber steht der Zirkus für eine Parallelwelt. Er spricht von einer Metapher für blühende Landschaften. Johne reiste 2011 dem Zirkus Probst hinterher, Zwickau, Borna, Leipzig, Dresden. Was er vorfand, waren leere Plätze und plattgedrückter Rasen. „Following the Circus“ zeigt, dass ein trostloses Stückchen Land zurückbleibt, wenn der Zirkus seine Zelte abgebaut hat.

Johne sagt, er frage danach, was aus den Hoffnungen und Visionen der Zeit um 1989 geworden ist, wie sich Lebenswege entwickelt haben. Dafür steht auch seine großformatige Treuhand-Arbeit. Tausende Betriebe wurden innerhalb von vier Jahren abgewickelt. Johne spielt mit abendlichen Stimmungsbildern, die erst beim genaueren Betrachten den Verfall und die Wunden preisgeben. Treuhand könne man nicht nur in Schwarz-Weiß sehen, sondern differenziert, sagt der Künstler. Menschenlos ist dieser Blick auf die Treuhand und die Entlassungswellen. Wer jung und gut ausgebildet war, ging in den Westen. Dafür kamen Supermärkte und das Dänische Bettenlager.

Annegret Laabs, Leiterin des Kunstmuseums, sieht wie Johne in den Arbeiten keineswegs nur Trostlos-Trauriges, sondern leere Stellen, die man füllen könne. Strukturbruch und Chancen ganz dicht beieinander. Diese dokumentarische Auseinandersetzung ist nicht nur auf Fotografien beschränkt.

Fünf Videos sind im Kunstmuseum zu sehen, darunter erstmals die 2020 fertiggestellte Arbeit „Meridian“. Der Betrachter folgt einem jungen Mann von Ostberlin nach Istanbul und wird nicht nur in eine ferne Stadt mitgenommen, sondern in die Geschichte einer Kindheit, als der Fernzug „Meridian“ täglich vom Berliner Ostbahnhof abfuhr und zeitweise bis Jugoslawien führte. Traurig und witzig regt Johne auf vielen Ebenen ein Kopfkino an über Brüche, Verluste, Beziehungen – wie in all seinen Arbeiten über die ostdeutsche Provinz.