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Rezension zur Inszenierung im Theater Zu Gast bei Onkel Werner im Magdeburger Schauspielhaus

Im Schauspielhaus des Theaters Magdeburg soll das neue, in einer Pension in der Provinz angesiedelte Stück von Jan Friedrich der Frage nachgehen, warum Rechtspopulismus floriert.

Von Martin Rieß 22.09.2024, 06:23
Marie-Joelle Blazejewski (v. l.), Luise Hart, Catherine Stoyan, Nico Link, Norman Groll und Iris Albrecht in einer Szene von „Onkel Werner“ im Schauspielhaus des Theaters Magdeburg.
Marie-Joelle Blazejewski (v. l.), Luise Hart, Catherine Stoyan, Nico Link, Norman Groll und Iris Albrecht in einer Szene von „Onkel Werner“ im Schauspielhaus des Theaters Magdeburg. Foto: Gianmarco Bresadola/TM

Magdeburg. - Zum Spielzeitauftakt im Schauspielhaus Magdeburg stellt Regisseur Jan Friedrich in seinem Stück „Onkel Werner“ die Frage, warum Menschen, die einst für linke Werte einstanden, immer häufiger rechte Positionen vertreten. Friedrichs Arbeit ist als Neuinterpretation des Klassikers „Onkel Wanja“ von Anton Tschechow beschrieben, soll darüber hinaus aber auch den Folgen von Umbrüchen und Verwerfungen auf die Spur kommen.

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Eingebettet all dies in die familiäre Tragödie: Werner – gespielt von Nico Link – betreibt die „Pension Werner“. Unterstützt wird er dabei von seiner Mutter Marianne, die von Catherine Stoyan verkörpert wird, sowie von Sonja, deren Rolle Luise Hart einnimmt. Sonja ist die Tochter des verstorbenen Uwe, der neben Werner der zweite Sohn von Marianne war, und von Alexandra, die von Iris Albrecht dargestellt wird. Sie hatte nach dem Tod ihres Mannes Uwe vor 15 Jahren die ländliche Idylle verlassen, war in den Bundestag eingezogen und ist inzwischen mit ihrer sehr viel jüngeren Geliebten Elena, die von Marie-Joelle Blazejewski gespielt wird, aus Berlin in die Provinz zurückgekehrt. Gut geht es ihr allerdings nicht: Sie ist finanziell am Ende und betont wiederholt, dass sie nicht erneut Geld geben kann, um die Pension zu retten. Vor allem aber ist sie gesundheitlich angeschlagen.

Unerwiderte Liebe

In Elena verliebt hat sich Notfallsanitäter Michael, der regelmäßig zu Gast bei der Familie und für die Liebesbezeugungen von Sonja taub ist, der in der Freizeit Bäume pflanzt, und dessen Rolle Philipp Kronenberg übernommen hat. Ebenfalls ein regelmäßiger Gast ist Sonjas Patenonkel – für ihn steht Norman Groll auf der Bühne.

Warum es sich lohnt, alle auf der Bühne Agierenden namentlich zu nennen? Weil sie alle ihre Sache hervorragend machen. Von Nico Link, der als Werner die Snacks aus einer knisternden Plastetüte kauend oder auf dem Tresen der Pension thronend selbstgerecht über seine von eigener Untätigkeit provozierte Lage fabuliert, über Catherine Stoyan mit Hang zum Eierlikör und die durchweg desillusionierte und in ihren Rollen gefangene jüngere Generation bis hin zur erneut ausdrucksstarken Iris Albrecht als Alexandra.

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Dabei agieren sie vor und in der Kulisse der glaubhaft ausgestatteten heruntergewirtschafteten Pension. Dass ihre Rollen fast jedes Klischee bedienen, das Menschen zugeschrieben wird, die sich populistischen Strömungen hingeben, ist keine inhaltliche Stärke des Stücks: Längst nicht alle Menschen, die das Vertrauen in die Demokratie verloren haben, sind die Abgehängten, sind die in jeder Beziehung schlecht Aufgestellten. Dass der Populismus, dass antidemokratische Haltungen längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind, wird geflissentlich ausgeblendet.

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Wenige Antworten

Wenn es um die vorangestellte Frage geht, warum ehemals links ausgerichtete Menschen sich nun auf den rechten Rand zubewegen, werden einige Antworten gegeben. Zum Ersten wäre da die Tristesse des ländlichen Raums. Zum Zweiten wäre es das Gefühl, dass „die da oben“ nur leere Versprechungen geben. Zum Dritten auf der anderen Seite die Erkenntnis, dass „die da oben“ zuweilen tatsächlich keine befriedigende Lösung anbieten – in diesem Fall steht dafür die Hoffnung, mit der Spekulation in Kryptowährung auf einfachem Weg und nachhaltig Geld zu verdienen.

So weit, so gut. Das sind nicht unbedingt neue Erkenntnisse. Ein Bild machen kann man sich aber so oder so von einem innerfamiliären Drama, wie die Umstände Menschen, die einander einmal nahe standen, entfremden.

Zu viel Videozauber

Bei einigen Szenen kommt hier Videotechnik sinnbringend zum Einsatz: Sie bringt das Leiden der von Schmerzen gepeinigten Alexandra in der Nacht dem Publikum besonders nahe. Und eindrucksvoll auch die so erzeugte intime Nähe zu Michael, wenn dieser sich dem Alkohol hingibt. In den meisten anderen Sequenzen aber wirkt das Video kaum als Bereicherung.

Stärke spielt „Onkel Werner“ aus, wenn sich das Stück vom Klischeehaften und technisch Überladenen wegbewegt, wenn die Figuren herausgearbeitet werden und wenn ab und zu schwarzhumorig die eine oder andere Unzulänglichkeit im Miteinander und in den Lebensbedingungen auf die Schippe genommen wird.

Weitere Vorstellungen sind zunächst für den 29. September, den 5. Oktober sowie den 2. und 15. November jeweils um 19.30 Uhr im Schauspielhaus des Theaters Magdeburg in der Otto-von-Guericke-Straße 64 geplant. Eintrittskarten gibt es im Vorverkauf in allen Biberticket-Verkaufsstellen, unter Telefon 0391/5999700 und unter www.biberticket.de im Internet.