LandwirtschaftLiche Innovation Die Dürre-Helden Hirse, Quinoa und Kichererbsen: Was das Superfood aus Sachsen-Anhalt alles kann
Gesundes zukunftsfähiges Essen aus nachhaltiger und regionaler Landwirtschaft - das ist die Vision von Urte Grauwinkel und Dr. Toni Meier aus Halle.
Halle - Sachsen-Anhalt ist im Durchschnitt das trockenste Bundesland in Deutschland – und das schon seit fast 140 Jahren. Die anhaltende Hitze hat massive Folgen für Ernte und Viehbestand. "Die Klimakrise schlägt mit aller Härte zu: Es ist das dritte Jahr in Folge viel zu trocken", sagte Agrarministerin Claudia Dalbert (Grüne) im vergangenen Sommer 2020. Sie erfordert dringend zukunftsorientierte Lösungen und Maßnahmen zur Klimaanpassung.
Diese Problematik haben auch Urte Grauwinkel und Dr. Toni Meier aus Halle erkannt und gründeten das Projekt "Superfood in Sachsen-Anhalt". Gemeinsam mit Landwirtschaftsbetrieben und der Martin-Luther-Universität in Halle wollen sie zukunftsfähiges Essen für die Gemeinschaftsverpflegung entwickeln: "Neue Alltagspraktiken in Landwirtschaft, Verarbeitung, Handel und Konsum sind nötig, um nicht nur uns, sondern auch unseren Enkeln eine lebenswerte Erde zu hinterlassen", heißt es vom Superfood-Team.
"Neue Alltagspraktiken in Landwirtschaft, Verarbeitung, Handel und Konsum sind nötig, um nicht nur uns, sondern auch unseren Enkeln eine lebenswerte Erde zu hinterlassen."
Urte Grauwinkel
Laut dem Projekt ist heutzutage das interdisziplinäre Arbeiten immer wichtiger. Land- und Ernährungswirtschaft müssen mehr zusammenarbeiten, um die Herausforderungen des Klimawandels zu bewältigen. "Dazu, haben wir ein europäisches Innovationspartnerschaftsprojekt im Agrarbereich eingereicht", erklärt Urte Grauwinkel.
Forschungsprojekt zur Klimaanpassung in der Landwirtschaft
Die Mitbegründerin des Projektes "Superfood in Sachsen-Anhalt" hat in Halle an der Martin-Luther-Universität Landwirtschaft studiert und ist seitdem mit Sachsen-Anhalt eng verbunden. "Beste Böden in der Börde, sandige Böden am Fläming und wunderschöne Natur, zum Beispiel in den Weinbergen an der Unstrut, im Biosphärenreservat an der Elbe, im Gartenreich Wörlitz oder im Harz", das ist die Landwirtschaft und Umwelt für Grauwinkel.
So ist sie mit vielen Landwirtschaftsbetrieben in der Region durch praktische Mitarbeit und gute Zusammenarbeit vertraut. Später studierte Grauwinkel noch Umweltwissenschaften und verbindet heute beruflich beides. So arbeitet sie wieder an der MLU in einem Forschungsprojekt zur Klimaanpassung in der Landwirtschaft mit fünf Betrieben in Sachsen-Anhalt zusammen.
Neue Landwirtschaftssysteme und Pflanzen
"Landwirtschaftsbetriebe waren schnell gefunden, da durch die Dürresommer ein großes Bedürfnis nach wissenschaftlicher Begleitung bei Praxisversuchen bestand", erklärt die Projektleiterin. Heute arbeitet das Forschungs-Team mit drei Landwirtschaftsbetrieben und zwei Gärtnereien mit besonderen Konzepten zusammen, wie beispielsweise der Landwirtschaftsbetrieb Jonas Schulze Niehoff, der in der Magdeburger Börde wirtschaftet.
Diese ist ein sehr ertragreiches Schwarzerdegebiet in Sachsen-Anhalt, westlich von Magdeburg. Trotz sehr guter Bodenverhältnisse beträgt der Niederschlag im Jahr weniger als 500 Millimeter. Damit gehört die Magdeburger Börde zu den niederschlagsärmsten Gebieten Deutschlands. Das Wasser wird immer mehr zum begrenzenden Faktor. Aus diesem Grund kommen hier neue Landwirtschaftssysteme und Pflanzen zur Anwendung.
Eine Herausforderung für das Projekt waren die Praxisanforderungen und die wissenschaftliche Begleitung zusammen zu bringen. Grauwinkel betont: "Heute kommen immer mehr Betriebe aus Sachsen-Anhalt, die innovative Pflanzenarten anbauen und einen Absatzmarkt dafür suchen."
Hirsekroketten, Quinoakräcker und Buchweizenpaddies
Das Forschungsteam vergibt zahlreiche Abschlussarbeiten, sowohl im ernährungs- als auch im agrarwissenschaftlichen Bereich. "Bisher wurden Hirsekroketten, Quinoakräcker und Buchweizenpaddies entwickelt, die Einzug in die Gemeinschaftsverpflegung halten sollen", erklärt Grauwinkel.
Das Ernährungsteam entwickelt regelmäßig aus den Projekt-Erzeugnissen innovative Produkte. "Auf dem Bioabendmarkt in Halle werden z. B. Zukunftsspeisen-Burger angeboten, mit Patties aus Kichererbsen und Quinoa, mit Sonnenblumenmayonnaise und Salaten, dazu gibt es Knusperkicher (eine Art Pommes aus Kichererbsen)", zählt die Projektleiterin auf. Zudem arbeiten sie auch an Backmischungen für glutenfreies Brot aus der Region und haben noch viele weitere Ideen.
Hülsenfrüchte für die Zukunft
Bei der Auswahl der Pflanzen schaut das Ernährungsteam in Gegenden weltweit, in denen bereits andere klimatische Verhältnisse vorherrschen. So kommen die Kichererbsen aus dem vorderen Orient, die Quinoa aus den Anden, Buchweizen aus Osteuropa und verschiedene Hirsearten aus Afrika.
"Die Pflanzen sind schon über eine lange Zeit an das Klima in ihren Regionen angepasst und trotzen Dürrezeiten und Extremwetterereignissen", beschreibt Grauwinkel. Weitere Zukunftspflanzen werden Lupinen, Hanfsaaten, Linsen und weitere Hülsenfrüchte sein, die zum Teil hier schon heimisch waren und wieder von den Speisekarten verschwunden sind.
Es gibt viel zu entdecken in Sachsen-Anhalt
Aktuell probiert das Entwicklungsteam in seinem Zukunftsgarten in Landsberg verschiedene Kulturen aus, die hier noch unbekannt sind oder bei denen noch Wissen zum Anbau fehlt. So bauen sie Mischkulturen mit Mais, Kürbis und Bohnen an, haben ein Waldpflanzenbeet und verschiedene Klimapflanzen. Grauwinkel ist überzeugt: "Alle diese Pflanzen besitzen interessante Inhaltsstoffe, die sie zu Superfoods machen und langfristig für eine pflanzenbasierte Ernährung wichtige Bausteine darstellen."
Urte Grauwinkel und ihr Team wollen motivieren, den eigenen Speiseplan bunter zu gestalten und auch mal etwas Neues auszuprobieren. Egal, ob Kichererbsen und Quinoa aus der Börde oder Hirse und Buchweizen aus Lutherstadt-Wittenberg. "Esst Gemüse und Obst der Saison, achtet auf Regionalität und Herkunft und lasst euch von internationalen Rezepturen inspirieren, so Grauwinkel. "Und besucht die Bauern vor eurer Haustür, es gibt viel zu entdecken in Sachsen-Anhalt", betont die Superfood-Expertin abschließend.