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Deutschland hat mehr Verkaufsfläche als viele andere Länder in Europa Einkaufspaläste für mittelgroße Städte

Von Maren Martell 27.03.2012, 03:18

Eigentlich gibt es in Deutschland genug Einkaufsmöglichkeiten. Doch Jahr für Jahr wächst die Einzelhandelsfläche. Vor allem die Zahl der Shoppingcenter nimmt noch zu, wenn auch nicht mehr so rasant.

Berlin (dpa) l Riesige Baugrube im Herzen Berlins: Nach jahrelangem juristischen Tauziehen wird am Leipziger Platz ein weiteres Shoppingcenter hochgezogen. Da, wo einst mit Wertheim das größte Warenhaus Europas stand, entsteht jetzt auf einer Fläche von rund drei Fußballfeldern neben Wohnungen eine überdachte Einkaufsmeile mit knapp 200 Geschäften.

Bis 2013 soll das 450-Millionen-Projekt fertig sein. Fast fünf Millionen Quadratmeter Verkaufsfläche hat die eigentlich eher arme Hauptstadt schon. Rund 600000 Quadratmeter zu viel, warnen Experten.

Und der Komplex auf historischem Grund am Leipziger Platz ist in Berlin nicht der einzige, der gerade entsteht. Mindestens fünf weitere neue Einkaufsgalerien sind noch in Planung oder schon im Bau. Gut 60 Shoppingcenter hat Berlin bereits für seine knapp 3,5 Millionen Einwohner, mehr als alle anderen deutschen Großstädte.

Berlin ist aber eher die Ausnahme. Anderswo hat sich der Boom der Shoppingcenter längst gelegt. In diesem Jahr sind bundesweit gerade mal 18 neue Komplexe geplant. In den 90er Jahren entstanden viele dieser Einkaufspaläste auf der grünen Wiese, vor allem im Osten. 1995 gab es einer Studie des Einzelhandelsinstituts EHI noch 179 Einkaufscenter, mit den neuen Projekten dürften es in diesem Jahr 444 werden. Doch die Projektentwickler haben nicht mehr so sehr die Metropolen im Visier. Jetzt wird eher für die kleineren und mittelgroßen Städte geplant. "Gerade in den größeren Städten ist ein Sättigungsprozess zu beobachten", erklärt EHI-Geschäftsführer Marco Atzberger. Dort gebe es neben den Shoppingcentern auch noch attraktive Einkaufsstraßen oder Warenhäuser.

"Daher ist es wichtig, dass solche Komplexe gut in das bestehende Stadtumfeld integriert werden."

Marco Atzberger, Geschäftsführer des Einzelhandelsinstituts

In vielen kleineren Städten hingegen wünschen sich die Verantwortlichen sogar die Ansiedlung solcher Konsumtempel und erhoffen damit eine Aufwertung ihrer Stadtzentren. Atzberger nennt die Stadt Leer in Ostfriesland, wo ein neues Einkaufszentrum die Abwanderung der Kunden nach Emden, Papenburg oder Oldenburg verhindern soll.

Oft regt sich Widerstand gegen solche Projekte, die in kleineren Städten sehr dominant sein können. Alteingesessene Einzelhändler haben da oft das Nachsehen und geben auf. Kritiker fürchten meist eine Monostruktur und Verödung. "Daher", so Atzberger, "ist es wichtig, dass solche Komplexe gut in das bestehende Stadtumfeld inte-griert werden."

Der Hamburger Projektentwickler ECE, der als Marktführer bisher in Deutschland gut 70 Center baute, führt hingegen Kaiserslautern als Beispiel auf. Dort votierten nach langen Debatten die Wähler per Bürgerentscheid für ein neues Shoppingcenter auf dem Gelände eines leerstehenden Karstadt-Hauses. Oft gehe es mehr um die Frage des "wie", betont ECE-Sprecher Christian Stamerjohanns. Da stünden Größe, Architektur und Branchenmix im Vordergrund.

Norbert Portz vom Städte- und Gemeindebund plädiert dafür, dass sich die Kommunen abstimmen. "Vielfach entstehen auch neue Einkaufsflächen, wo gar nicht genügend Kaufkraft sitzt", kritisiert der Stadtentwicklungsexperte. Der Ruf eines Investors sei für viele Stadtväter verlockend. Solche Projekte dürften aber nicht zur Verdrängung des bestehenden Einzelhandels führen. Gerade kleinere Geschäfte fühlten sich bedrängt, wollen aber auch nicht unbedingt immer in ein Shoppingcenter einziehen. Miet- verträge mit langer Laufzeit und die Vorgaben der Centerleitung werden oft als Nachteil empfunden.

Doch bereichern die Einkaufszentren wirklich die Innenstädte? Oft erscheinen sie in ihrem Branchenmix ähnlich und austauschbar. Mit gut 122 Millionen Quadratmetern hat Deutschland mehr Verkaufsfläche als viele andere Länder in Europa. Jedes Jahr kommen laut Handelsverband HDE im Schnitt eine Million Quadratmeter dazu. "Im Handel ist schon länger ein Wettbewerb zu beobachten, der sich über die Standorte entwickelt", betont HDE-Experte Olaf Roik.