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Expansion der deutschsprachigen Hotlines im Ausland endet In Call-Center-Branche wird Qualitätsdebatte intensiv geführt

06.03.2012, 04:27

Düsseldorf/Istanbul (dpa) l Jahrelang wanderten Call-Center großer deutscher Firmen ins Ausland ab. Denn in Polen oder der Türkei gibt es viele Menschen, die Deutsch sprechen und einen geringeren Lohn bekommen. Doch die Boomjahre sind wohl vorbei.

Berrin Yilmaz hilft am Telefon einem Mann, der mehr als 2000 Kilometer entfernt gerade an seinem Computer verzweifelt. "Fahren Sie das Gerät bitte noch einmal herunter", sagt die Frau mit den schulterlangen Locken. Der Mann aus Hagen hat ein Problem mit seinem Laptop. Yilmaz hört ihm konzentriert zu und stellt Ferndiagnosen. An der Wand hinter ihr hängt die türkische Flagge.

Yilmaz arbeitet in einem deutschsprachigen Call-Center am Bosporus. Sie betreut seit knapp zwei Jahren Kunden eines bekannten deutschen Konzerns. "Wir reden und beraten auf Deutsch. Aber unsere Kunden wissen, dass sie bei einem Anruf in Istanbul landen", sagt die 35 Jahre alte Betriebswirtin.

Viele deutsche Unternehmen hatten rund um die Jahrtausendwende das Ausland als billigen Standort für ihre Call-Center entdeckt. Service-Telefone wurden in Polen, Ungarn, Tschechien und der Türkei aufgestellt. Hier fanden sich viele deutschsprachige Mitarbeiter. Der Berliner Call-Center-Betreiber Süleyman Soybas schätzt, dass die Lohnkosten in der Türkei immer noch bis zu 40 Prozent niedriger sind als in Deutschland.

Dennoch sind die Hoch-Zeiten für die deutschsprachigen Hotlines im Ausland vorbei. Deutsche Unternehmen treten in jüngster Zeit den Rückzug ins Heimatland an, wie der Sprecher vom Call-Center-Verband Deutschland (CCV, Berlin), Jens Fuderholz, erklärt. Den Grund sehen Experten in den gestiegenen Ansprüchen der Bundesbürger an Qualität- und Serviceverständnis. "Seit Jahren gibt es eine intensive Qualitätsdebatte in der Branche", sagt Fuderholz. Gute Deutschkenntnisse allein seien nicht ausreichend.

Der Kunde erwarte am Telefon kompetente Beratung und eine schnelle Lösung, erläutert Fuderholz und formuliert seine Kritik an manchem Anbieter sehr vorsichtig: Für den einen könne Hilfe innerhalb von 20 Minuten ein Topservice, für den anderen eine Ewigkeit und Zumutung sein. Kulturelle Unterschiede fielen in diesem Zusammenhang sehr stark ins Gewicht. "Schließlich geht es in der Call-Center-Branche um Kommunikation."

Zudem sei es schwierig, Personal in Deutschland zu finden, das im Ausland Mitarbeiter im Bereich Serviceverständnis und Kommunikation schulen soll. "Nur wenige wollen ins Ausland", sagt CCV-Präsident Manfred Stockmann. Mitarbeiter zwischen Deutschland und dem Ausland hin- und herzuschicken, um Call-Center-Mitarbeiter zu schulen, koste zu viel. Am Ende lohne sich der Aufwand nicht.

Eine Beschwerde habe heute ganz andere Dimensionen, erklärt Stockmann. Fühle sich der Kunde nicht richtig beraten oder nicht ernst genommen, mache er sich bei Freunden und Bekannten Luft. Auch mal bei Facebook oder Twitter. Der Schaden könne immens sein.