Bestform-Award Mit Moos zu sauberer Luft in Innenstädten
Magdeburg
Grünflächen in den Innenstädten der Metropolen sind rar, Städte ächzen unter Luftverschmutzung. Wissenschaftler und Städtebauer suchen seit Jahren nach Lösungen.
Wie lässt sich das Mikroklima verbessern, wenn in den urbanen Zentren längst alles zubetoniert ist? Und kein Raum für Parks und Grünflächen vorhanden ist?
Maren Huhle und Marco Zierau haben sich über den ökologischen Städtebau der Zukunft Gedanken gemacht. Seit 2018 tüfteln die Kommunikations- und Wirtschaftswissenschaftlerin sowie der Maschinenbauer an Ideen für die Begrünung von Hausfassaden.
Mit ihrem Start-up „Moosaik“ wollen die Magdeburger einen Beitrag zu Klimaschutz, erhöhter Biodiversität und nachhaltigem Handeln leisten. Das Credo ihres Unternehmens: „Die Zukunft sieht moosig aus.“
Entwickelt haben sie an der Fakultät für Verfahrens- und Systemtechnik und unter Beratung des Transfer- und Gründerzentrums der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg beidseitig nutzbare Paneele, die an Fassaden angebracht werden können.
Das Moos dient dazu, CO2 zu binden. Und wir können damit auch andere Schadstoffe aus der Luft filtern und entfernen.
Maren Huhle
Auf der einen Seite: spezielle Moose, die Schadstoffe filtern und nebenher als Schallschutz dienen. Die andere Seite der Paneele kann bepflanzt werden. „Im Prinzip sind aber auch viele andere Nutzungen denkbar“, sagt Maren Huhle. Die 28-Jährige steht an einem etwas trüben Freitagmorgen mit Kompagnon Marco Zierau (29) vor einem Prototyp, der sich an einem Fakultätsgebäude der Uni Magdeburg meterhoch an die Fassade anschmiegt. Dutzende Stunden Arbeit liegen hinter den beiden Gründern und ihren Helfern.
Ein Rentner, der zufällig vorbeikommt, fragt, ob er ein Foto machen darf. „So was sieht man ja nicht alle Tage“, sagt der Mann. „Das Moos dient dazu, CO? zu binden. Und wir können damit auch andere Schadstoffe aus der Luft filtern und entfernen“, sagt Maren Huhle.
Mit dem oft unterschätzten Waldbewohner Moos, dessen Wirkungsweise und besonderen Fähigkeiten hat sich unter anderem der 2014 verstorbene deutsche Botaniker Jan-Peter Frahm beschäftigt.
Mit seiner Forschung fand er heraus, dass die 350 Millionen Jahre alte Pflanze einen signifikanten Anteil an Feinstaub und anderen Schadstoffen extrahieren kann.
Die Bindekapazität von Moosmatten erwies sich im Labor des Botanikers als äußerst effizient. Moosmatten werden nun seit ein paar Jahren nun auch in der Praxis zur Filterung eingesetzt.
Bewässert wird das Moos in den Paneelen der beiden Magdeburger Gründer über eine Regenwasserzisterne. Über Sensoren wird individuell gesteuert, wie viel Wasser die einzelnen Paneele benötigen. Auf der Vorderseite sprießt aus dem Kieselsubstrat bereits Lavendel. Auf einer der Paneele sitzt ein Insektenhotel. Ein mit den Gründern befreundeter Künstler hat vier der Elemente auf der Vorderseite gestaltet.
Die Jury des Bestform-Preises würdigte den Ansatz der alternativen Luftreinigung als „bemerkenswert“. Zusätzlich würden in der Stadtlandschaft „grüne optische Akzente gesetzt. Genau solche Innovationen brauchen wir“, heißt es in der Begründung.
Das Preisgeld von 10?000 Euro wollen die Gründer direkt ins Unternehmen investieren. Nicht zuletzt steht im Mai dieses Jahres die offizielle Gründung von Moosaik bevor. Die Finanzierung wurde in der noch jungen Firmengeschichte über ein ego.Gründungstransfer-Stipendium des Landes Sachsen-Anhalt gesichert. In diesem Jahr stieg zudem ein Business Angel aus der Region bei Moosaik ein.
Ein Massenprodukt werden wir nie sein. Wir wollen schließlich nicht nur nachhaltig wirken, sondern es auch wirklich sein.
Maren Huhle
Selbst produzieren will Moosaik nicht, man sehe sich als Dienstleister, sagt Maren Huhle. Als Abnehmer für die „grünen Fassaden“ hatten die Magdeburger eigentlich Industrieunternehmen und Städte in den Blick genommen.
Mittlerweile kristallisiert sich heraus, dass auch Privatkunden großes Interesse an „Moosaik“ haben. „Ein Massenprodukt werden wir aber nie sein. Wir wollen schließlich nicht nur nachhaltig wirken, sondern es auch wirklich sein“, sagt Maren Huhle.