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Insolvenz des Unternehmens Schieder Möbel-König Rolf Demuth sitzt auf der Anklagebank

Von Matthias Benirschke 24.08.2010, 05:50

Nach Milliardengeschäften in die Pleite: Tief in der Provinz kommt einer der größten Fälle von Wirtschaftskriminalität seit dem Krieg vor Gericht – die Insolvenz der Möbelfirma Schieder, früher der größte Möbelhersteller Europas.

Detmold (dpa). Einst war er der König der europäischen Möbelindustrie: Als Firmengründer führte Rolf Demuth sein Unternehmen Schieder-Möbel ganz an die Spitze. Im lippischen Schieder Schwalenberg, einem 10 000-Einwohner-Dorf im Herzen der deutschen Möbelindustrie, entstand ein Imperium mit einen Umsatz von rund einer Milliarde Euro. 2007 kam dann das Aus: Die Schieder-Möbel Holding GmbH machte pleite und wurde zerschlagen. Der Untergang hat jetzt ein Nachspiel vor dem Landgericht Detmold.

In einem der wohl größten Wirtschaftsprozesse der Nachkriegszeit muss Demuth ab Donnerstag zusammen mit drei seiner Ex-Manager auf der Anklagebank Platz nehmen. Ihnen drohen bis zu zehn Jahre Haft. Es geht um besonders schweren Betrug und Kreditbetrug. Der Schaden soll sich auf mindestens 234 Millionen Euro summieren.

Nach der Anklage der Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsstrafsachen in Bielefeld sollen die Beschuldigten Bilanzen gefälscht und so von Banken und Investoren rund 346 Millionen Euro erschlichen haben.

Im Geschäftsjahr 2004/2005 meldete Schieder noch einen Umsatz von mehr als einer Milliarde Euro, hatte über 11 000 Beschäftigte, davon 1800 in Deutschland. Das Geschäft solle ausgebaut werden, vor allem im Ausland, kündigte man damals an. Die Ertragslage sei "zufriedenstellend". Der Anklage zufolge gab es damals aber schon Probleme: Mindestens vom Geschäftsjahr 2003/2004 an, wahrscheinlich aber auch schon früher, seien Konzernabschlüsse in der Schieder Gruppe manipuliert worden.

Lagerbestände wurden überbewertet oder erfasst, obwohl sie nicht vorhanden waren, meint die Staatsanwaltschaft. Dadurch sollte der wirtschaftliche Niedergang vor Kredit- und Kapitalgebern verheimlicht werden.

Die Konzernjahresabschlüsse der Schieder Möbel Holding GmbH für die Geschäftsjahre 2004/2005 und 2005/2006 sollen hinsichtlich der Bilanzsumme um mindestens 15,1 beziehungsweise 26,7 Millionen Euro überhöht sein. Außerdem soll in der Gewinn- und Verlustrechnung das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit um mindestens 19,9 beziehungsweise 30,2 Millionen Euro zu hoch ausgewiesen worden sein. Die Zahlen seien geschönt worden, um dem angeschlagenen Unternehmen dringend benötigtes Kapital zu verschaffen.

So verkaufte die GmbH im März und Dezember 2005 in einer Größenordnung von 30 und 20 Millionen Euro Genussscheine an eine Bank und einen Investor. Das dafür eingeholte Rating hatte der Schieder Gruppe bescheinigt, "gesamtwirtschaftlich als leicht überdurchschnittlich und branchenbezogen in einem wettbewerbsintensiven Markt als überdurchschnittlich gut positioniert" zu sein.

Zudem wurden der Schieder Holding GmbH und einigen Tochtergesellschaften im Juli und Dezember 2005 Kredite über 150 sowie 128,5 Millionen Euro eingeräumt. Davon wurden bis Ende Dezember 2005 rund 188 Millionen Euro und bis Juni 2006 weitere 45 Millionen Euro in Anspruch genommen. Schließlich erhielt das Unternehmen zur Abwendung der drohenden Insolvenz noch im April 2007 einen Kredit von 64,65 Millionen Euro.

Dem Firmengründer Demuth werden besonders schwerer Betrug in vier Fällen mit einem Gesamtschaden von 234 Millionen Euro, Beihilfe zur Bilanzfälschung in zwei Fällen und Kreditbetrug vorgeworfen. Angeklagt sind zudem zwei 45 und 49 Jahre alte ehemalige Geschäftsführer und ein 49 Jahre alter früherer Leiter der Finanzabteilung.

Drei der Manager hatten mehrere Monate in Untersuchungshaft verbracht, bevor sie weitgehende Geständnisse ablegten und auf freien Fuß kamen. Auch Demuth räumte aus Sicht der Staatsanwaltschaft die Vorwürfe weitgehend ein und wurde gegen eine Kaution von 400 000 Euro freigelassen.

Die Wirtschaftsstrafkammer hat bis Mitte April 2011 zunächst 38 Verhandlungstage angesetzt. Ein Verfahren gegen den früheren Finanzchef von Schieder, Heinrich Griem, wegen des Verdachts der Bilanzmanipulation ist wegen seines Gesundheitszustandes abgetrennt und noch nicht eröffnet worden.