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Gestern letzter Arbeitstag in Frankfurt und im sachsen-anhaltischen Heideloh Neckermann macht nichts mehr möglich - Beschäftigte trauern um Jobs

Von Christian Ebner 29.09.2012, 01:15

Der Versandhandel Neckermann, eine Ikone des deutschen Wirtschaftswunders, wird abgewickelt. An ihrem letzten Arbeitstag schwanken die Beschäftigten in Frankfurt und Sachsen-Anhalt zwischen Verzweiflung und Zuversicht.

Frankfurt/Main (dpa) l Die milde Morgensonne kann die Frau am Personaleingang des Versandhandels Neckermann auch nicht trösten. "Heute ist Todestag", sagt sie und verschwindet mit Tränen in den Augen in der Büroschachtel im Frankfurter Osten. Viele ihrer Kollegen haben Kuchen für kleine Abschiedsfeiern mitgebracht, auch Plastiktüten für die persönlichen Sachen. Manche sind betont fröhlich, andere wirken bedrückt.

Die Menschen haben meist lange bei dem Traditionsunternehmen gearbeitet, das gestern für immer seine Pforten geschlossen hat. 21 Jahre hat der Controller auf dem Buckel, der sich noch gut an die glanzvolle 50-Jahr-Feier erinnert. "Wir hatten auch gute Zeiten hier." Das war im Jahr 2000, das von Josef Neckermann gegründete und im Wirtschaftswunder stürmisch gewachsene Unternehmen gehörte längst zu KarstadtQuelle und spielte dort nur noch die zweite Geige im Versandhandel. Wie die anderen Neckermänner auch lobt der Controller den Zusammenhalt unter den Beschäftigten.

Ein Investitionsstau in zweistelliger Millionenhöhe habe sämtliche Interessenten abgeschreckt, beschreibt der vorläufige Insolvenzverwalter Joachim Kühne die aktuelle Lage, die der US-Investor Sun Capital hinterlassen hat.

"Der Markt hat entschieden, dass dieses Unternehmen nicht mehr zu retten war. Vollprofis haben es sich angesehen und festgestellt, dass die Kosten für ein Durchstarten viel zu hoch gewesen wären." Neckermann macht nichts mehr möglich, heißt das. Voraussichtlich am Montag wird das Amtsgericht Frankfurt die Insolvenz eröffnen.

Gescheitert ist Neckermann am Internet, das zwar früh als Bestellkanal entdeckt, aber nicht in seiner vollen Veränderungskraft begriffen wurde. Dabei waren es die Versandhändler, die in der jungen Bundesrepublik mit ihren Katalogen erstmals eine weitreichende Preistransparenz etablierten.

Neckermann-Fernseher oder Kühlschränke waren in den 50er und 60er Jahren so billig, dass sich der ortsgebundene Fachhandel in seiner Not weigerte, die Geräte zu reparieren. Neckermann konterte mit einem eigenen Kundendienst. Die Preisorientierung muss dem Unternehmen verloren gegangen sein, denn an der Spitze der Vergleichsportale im Internet fanden sich nur selten die aus Frankfurt ausgelieferten Geräte.

Seit zwei, drei Jahren, erzählt ein Vorarbeiter, habe man gemerkt, dass alles den Bach runtergehe. Der 44-Jährige gehört zu den wenigen, die schon einen neuen Job haben.

Weitaus ernster ist die Lage für die mehr als 600 Lagerhelfer, die häufig nicht gut ausgebildet, gesundheitlich angegriffen oder in Einzelfällen auch der deutschen Sprache kaum mächtig sind, wie Betriebsratschef Thomas Schmidt berichtet. Er warnt vor einem massenhaften Absturz seiner Leute in Hartz IV.

An die 2000 Jobs gehen mit dem Ende von Neckermann verloren, nur einige wenige Beschäftigte sollen noch ein paar Wochen helfen, die Überreste der Wirtschaftswunder-Ikone zu versilbern. Etwa 250 Arbeitsplätze gibt es am Standort Heideloh im Landkreis Anhalt-Bitterfeld.