Großverbraucher profitieren von Ausnahmen bei Entgelten / Experten erwarten steigende Preise Privatkunden finanzieren Strom für Aldi & Co.
Nicht nur die Umlage für erneuerbare Energien belastet den Strompreis, auch durch Ausnahmeregelungen bei den Stromnetzentgelten werden private Verbraucher im kommenden Jahr stärker zur Kasse gebeten. Das geht aus einer Untersuchung des Öko-Instituts FÖS hervor, die unserer Zeitung vorliegt.
Berlin l Was haben der Berliner Friedrichstadtpalast, die Billigkette Aldi und das Wasser- und Schifffahrtsamt Uelzen gemeinsam? Alle drei sind von den Stromnetzentgelten zum Teil oder sogar komplett befreit. Die Zeche zahlen die privaten Haushalte sowie kleinere Gewerbetreibende. Nach der FÖS-Studie lag das Volumen der Ausnahmen im letzten Jahr noch bei 440 Millionen Euro. In diesem Jahr werden es bereits 805 Millionen Euro sein. Und für 2014 rechnen die Forscher mit 1,1 bis 1,2 Milliarden Euro, die dann auf die Stromrechnung der nicht privilegierten Nutzer umgelegt werden. Hintergrund: Nach Überzeugung der Experten werden die Netzentgelte selbst weiter deutlich steigen. Obendrein sei die Umlage für 2012 "zu niedrig" angesetzt worden, weshalb der Fehlbetrag zusätzlich auf die Umlage im kommenden Jahr aufgeschlagen werden müsse. Zudem lehre die Erfahrung, dass weitere Unternehmen eine Entlastung beantragen würden, heißt es in der Untersuchung.
Für die Nutzung der Stromnetze verlangen die Betreiber von den Verbrauchern Entgelte, die auf der Grundlage von Betrieb, Ausbau und Erneuerung errechnet werden. Dieses Netzentgelt betrug im Jahr 2012 für einen Haushaltskunden durchschnittlich 6,04 Cent pro Kilowattstunde. Das ist etwa ein Viertel des Strompreises. Die Ausnahmen für "Stromfresser" sind so geregelt, dass Großverbraucher, die im Jahr über zehn Millionen Kilowattstunden aus dem öffentlichen Netz beziehen, komplett von den Netzentgelten befreit sind. Davon profitiert zum Beispiel die Metall- und Chemieindustrie. Wer weniger verbraucht, bekommt bei den Netzentgelten einen Rabatt von bis zu 80 Prozent eingeräumt. Entscheidend für die Höhe des Nachlasses ist, in welchem Maße der Strom in Tagesrandstunden oder nachts bezogen wird. Darunter fallen zum Beispiel Großhändler, aber auch Golfplätze und Erlebnisparks. 2012 führten die Ausnahmen dazu, dass Großverbraucher im Schnitt lediglich ein Netzentgelt von 1,68 statt 6,04 Cent pro Kilowattstunde zahlen mussten. Die Kleinverbraucher wiederum, auf die die entgangenen Einnahmen umgeschlagen werden, kostet das zusätzlich 0,33 Cent pro Kilowattstunde. Für einen vierköpfigen Privathaushalt mit einem Stromverbrauch von 3500 Kilowattstunden im Jahr sind das rund zwölf Euro extra. Tendenz steigend: Denn auch die Antragszahlen auf Netzentgelt-Befreiung gehen stark nach oben. 2011 waren es noch 1567, im Jahr darauf bereits 3324.
"Es ist nicht plausibel, warum vornehmlich die privaten Haushalte die Netzentgelte von Golfplätzen, Aldi oder dem Braunkohleabbau mitbezahlen müssen", sagte Grünen-Fraktionsvize Bärbel Höhn unserer Zeitung. Deshalb müssten die von Schwarz-Gelb ausgeweiteten Befreiungen rückabgewickelt werden. Union und FDP hatten die Ausnahmen damit begründet, dass die profitierenden Betriebe einen wichtigen Beitrag zur Netzstabilisierung leisten würden. Allerdings gibt es dazu auch juristische Bedenken. So hatte das Oberlandesgericht Düsseldorf die Regelungen für Großverbraucher im März für nichtig erklärt. Schwarz-Gelb plant nun Korrekturen, um die Ausnahmen "nachträglich gerichtsfest zu machen", wie Höhn kritisierte.