Clubs Wann wird in Sachsen-Anhalt wieder gefeiert?
Kaum eine Branche ist in der Corona-Krise so sehr gebeutelt wie die der Club-Betreiber.

Magdeburg/Egeln - Die „Datsche“, ein chilliger Biergarten im Magdeburger Stadtteil Buckau, Sonnabendnachmittag: Im Hintergrund läuft elektronische Musik, die Besucher machen es sich in der Sonne gemütlich, halten Bier oder einen Longdrink in der Hand.
Bis zuletzt war hier noch eifrig gewerkelt worden. Der Biergarten bekam von seinen Betreibern neues Inventar aus Holz spendiert. Anlass – die Wiedereröffnung nach mehreren Monaten coronabedingter Pause. „Das war höchste Zeit. Unsere Reserven sind aufgebraucht, das wäre nicht mehr lang gut gegangen“, sagt Frithjof Virkus.
Gemeinsam mit Christian Goral betreibt er nicht nur die „Datsche“. Einen Steinwurf entfernt haben sie die „Kunstkantine“ zu einem Anziehungspunkt für Nachtschwärmer in der Region entwickelt.

Dann kam Corona, die letzte Party fand im März 2020 statt. Der Umsatz der Clubchefs ist um die Hälfte eingebrochen. Öffnungsperspektive – derzeit keine. Trotz weitreichender Lockerungen in der Gastronomie schauen sie wie die meisten Clubbetreiber in die Röhre.
Club ist ausgelegt auf „Vollast“
Ein Außenbereich ließe sich in der „Kunstkantine“ nicht bespielen. Und selbst wenn die aktuelle Corona-Verordnung es zuließe – eine behutsame Öffnung des Innenbereichs unter Einhaltung der Corona-Spielregeln können sich die Betreiber im Moment nicht vorstellen. „Der Club ist ausgelegt auf Volllast, nur erster Gang geht nicht“, sagt Frithjof Virkus.
Gedanken haben sich die Magdeburger gemacht. Aber 50 Personen hereinlassen, wo das Sechsfache möglich wäre? „Das wäre für uns nicht wirtschaftlich und macht auch niemandem Spaß“, sagt Virkus. Also zunächst Augenmerk auf den Biergarten und hoffen auf die vielbeschworene Normalität – die in der Branche in weiter Ferne ist.
Clubs und Diskotheken deutschlandweit haben unter den Folgen der Pandemie zu kämpfen. Bei sinkenden Inzidenzzahlen wollen sich Bundesländer wie Niedersachsen wieder langsam an den Betrieb herantasten. In Sachsen-Anhalt ist das Feiern im Innenbereich mit Maske und Abstand noch nicht in Sicht. Und die wenigsten der rund 50 Clubs und Discos in Sachsen-Anhalt können oder wollen mit alternativen Konzepten aufwarten.
„Es wird nicht von null auf hundert gehen“, sagt Michael Schmidt, Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga in Sachsen-Anhalt. „So langsam muss aber auch diese Branche wieder in die Gänge kommen.“
Schmidt setzt nun darauf, dass es spätestens Anfang Juli bei der Innen-Bewirtschaftung weitere Erleichterungen geben wird. In der Zwischenzeit seien Gastronomen und auch Club-Betreiber gefordert, Kreativität zu beweisen und „neue Wege zu beschreiten“. Die Grundfläche vergrößern, Außenbereiche ausbauen und bestuhlen, Schmidt kann sich einiges vorstellen. Die Überbrückungshilfe III stehe genau für diese Zwecke zur Verfügung, sagt er. Mit ihr könne etwa Strom und Pacht anteilig ersetzt werden, sagt der Dehoga-Präsident.
Jubiläumsparty in der „Zicke“ wird nachgeholt
Gordon Tamm hat frühzeitig beschlossen, in Corona-Zeiten keine Experimente einzugehen. Im 4000-Einwohner-Städtchen Egeln (Salzlandkreis) gehört er zu den Verantwortlichen in der „Wilden Zicke“. Der Club ist einer der größten in Ostdeutschland.
Aus den Boxen dröhnt seit über einem Jahr keine Musik mehr. Über die Runden gekommen ist das Familienunternehmen mit Corona-Hilfen und mit einem zweiten Standbein. Nichtsdestotrotz hätte sich Gordon Tamm eine Art Unternehmerlohn gewünscht, um Einbußen abzufedern, sagt er.
Die „Wilde Zicke“ hat Vater Nils Tamm 1990 aus dem früheren Kulturhaus von Egeln aufgebaut. Er hatte den richtigen Riecher, die „Zicke“ wurde schnell überregional ein Begriff. Vor der Pandemie tanzten die Feierwütigen auf zwei Tanzflächen zu elektronischer Musik. Bekannte DJ-Duos wie „Lexy & K-Paul“, „Gestört aber GeiL“ oder Robin Schulz gaben sich in Egeln die Klinke in die Hand. Im vergangenen Jahr hatte man anlässlich des 30-jährigen Bestehens eine große Party eingeplant. „Wird garantiert nachgeholt“, verspricht Gordon Tamm.
Den Betrieb wieder hochfahren – das werde eine Weile dauern, sagt der 36-Jährige. Für unter 60 Prozent der regulären Besucherzahl zu öffnen – ein wirtschaftliches Risiko. Und überhaupt: Mit einer neuen Corona-Mutante könnte eine Wiedereröffnung im Herbst schnell wieder hinfällig sein.
Familie Tamm ist nach den Erfahrungen in der Pandemie vorsichtig geworden. Man habe sich früh darauf verständigt, das Jahr 2021 abzuschreiben. „Ein psychologischer Vorteil“ gegenüber anderen, die die ganze Zeit über auf Lockerungen und Öffnungsperspektiven gehofft hätten, findet Gordon Tamm. Wenn im laufenden Jahr jetzt doch noch was gehen sollte, dann hätte man umso mehr Grund zum Feiern, sagt er.
Eine Herausforderung wird eine Wiedereröffnung in jedem Fall. Denn der Vorlauf für die Buchung der DJs, ein entsprechendes Programm vorbereiten – das nimmt Wochen und Monate in Anspruch.
Wie in anderen Clubs mussten sich Mitarbeiter in den zurückliegenden Monaten in anderen Jobs verdingen. Wie viele Leute wiederkommen, wenn der Betrieb erneut anläuft? „Ich hoffe, so viele wie möglich“, sagt Tamm.
Frustriert ihn die Situation? „Am Anfang war es so“, gibt er zu. Doch er sei Realist: „Viele Menschen auf engem Raum, dazu Alkohol – das ist eine Kombi, die in der Pandemie nicht funktioniert.“
Veranstaltungsbranche, Clubs und Discotheken habe es in der Pandemie schwer getroffen, sagt auch Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Armin Willingmann (SPD). Für die weitere Entwicklung der Branche werde es jetzt auf die Öffnungsperspektiven ankommen. „Der Impffortschritt und das rückläufige Infektionsgeschehen geben Anlass für Zuversicht“, sagt Willingmann.
In der „Datsche“ in Magdeburg ist die Stimmung derweil ausgelassen. Wäre jetzt Sonntag und gäbe es kein Corona, die Tanzfläche wäre voll. Da steht der „Sonntagsbumms“ auf dem Programm. Dass die beliebte Partyreihe bald wieder in gewohnter Form stattffindet? „Mal schauen, wie es sich mit den Inzidenzen entwickelt“, sagt Frithjof Virkus. Pfingsten ging es zumindest in der Gastronomie ja schon einmal schneller als erwartet. Ein bisschen müssten die Leute die Füße nun noch stillhalten – auch wenn es schwerfällt.