Rückblick Angela Merkel in Sachsen-Anhalt
Angela Merkel beherrscht seit 2005 die Berliner Politik. Manche Etappe ihrer Regierungszeit ist mit Sachsen-Anhalt verknüpft.
Magdeburg l Eine Niederlage klaglos hinzunehmen, um später einen umso größeren Sieg einzufahren, gehört zur politischen Kunst. Dass sie diese eindrucksvoll beherrscht, zeigte die damalige CDU-Aufsteigerin Angela Merkel am mittlerweile historischen 11. Januar 2002 im Magdeburger Herrenkrug-Hotel. Dort erklärte die Uckermärkerin der verblüfften Presse ihren Verzicht auf die Kanzlerkandidatur im Herbst desselben Jahres. Zugunsten des damaligen CSU-Chefs Edmund Stoiber.
Angela Merkel in Magdeburg nach dem Verzicht auf die Kanzerlerkandidatur 2002. Merkel kommentierte den Vorgang in ihrem typisch-kryptischen Sprech: „Ich glaube, verantwortlich gehandelt zu haben, und darum bin ich ein Stück weit stolz.“ Ihre Stunde sollte noch kommen.
Stoiber verlor die Wahl gegen Gerhard Schröder und war fürderhin als Kanzlerkandidat verbrannt. Drei Jahre später war Merkel am Ziel: Aus den Neuwahlen 2005, die nach einer verlorenen Vetrauensabstimmung Schröders anberaumt wurden, ging die Union als stärkste Kraft hervor und koalierte mit der SPD.
Die Bundeskanzlerin ist seither – und bei gewonnener Abstimmung am Mittwoch im Bundestag auch fortan – Angela Merkel.
Zugetraut hatte ihr diese traumhafte politische Karriere kaum jemand. Am wenigsten Gerhard Schröder, der noch am Wahlabend 2005 angetrunken spottete: „Sie glauben doch nicht, dass meine Partei mit Ihnen eine Koalition eingeht.“
Die SPD tat es und war bei der nächsten Merkel-Wahl als Partner nicht mehr nötig. CDU und CSU machten sich mit der FDP ans Werk. Nach den folgenden vier Jahren waren die Liberalen von der Kanzlerin kaputtgespielt und flogen aus dem Bundestag.
Umarmen und erdrücken – diese Merkel-Taktik funktionierte auch bei innerparteilichen Widersachern: Friedrich Merz und Roland Koch sind Beispiele.
Ihrer Popularität im Volke tat das keinen Abbruch. Auch in Sachsen-Anhalt wurde „Angie“ gefeiert. Sie hatte das Deutschland durch die Finanzkrise geführt, die Wirtschaft brummte. Dass die Chefin im Kanzerlamt dabei von den scharfen Hartz-IV-Reformen ihres Vorgängers Schröder profitierte, wurde nicht weiter thematisiert.
Der „Mutti“-Nimbus hatte längst Gestalt angenommen. Merkel leitete Deutschland und Europa, parlierte mit US-Präsidenten auf Englisch und mit Russlands Staatschef auf Russisch. Widerspruch aus der CDU gab es kaum mehr. Parteitage wurden zu Krönungsmessen. Merkel war die Königin mit der Raute.
Dann kam jener Patzer von Gammertingen in Baden-Württemberg. Merkel war am 14. Februar 2011 auf der Schwäbischen Alb zu Gast, um die CDU im Landtagswahlkampf zu unterstützen. Vehement verteidigte die Kanzlerin das Milliardenprojekt Stuttgart 21 als Sinnbild des Fortschritts. Wer dagegen sei, solle sich doch mal Salzwedel anschauen, dieses Beispiel für die „Dagegen-Republik“.
Die einstige mittelalterliche Hansestadt liege heute im Schatten der Weltgeschichte. Sie habe einen Bahnhof, aber den Anschluss verpasst. Die Arbeitslosenquoten seien zweistellig. Kein Wunder, dass Linke, Grüne und Sozialdemokraten den Stadtrat beherrschten. Anwesende Journalisten verbreiteten die Kunde.
Aus dem Fauxpas im Schwäbischen wurde ein Politikum. In Salzwedel war man sprachlos ob dieses Angriffs auf die fachwerkreiche Heimatstadt.
Die Stadt lud Merkel daraufhin zu einem Besuch eingeladen. Im April 2013 kam sie kurz, besuchte ein Verkehrsprojekt und entschuldigte sich: „Ich wollte niemanden in Salzwedel beleidigen.“
Als sie 2014 nochmals anreiste und auf einem Festempfang der Stadt sprach, wer es schon fast ein Besuch in Freundesland. „Ich erweise mich definitiv als lernfähig“, erklärte Merkel. Die Hansestadt habe eine große Geschichte und die Wirtschaft entwickele sich seit der Wende gut. Verständnis zeigte sie für Forderungen nach einer besseren Verkehrsanbindung.
So freundlich wie in Salzwedel ging es seit Herbst 2015 nicht mehr zu zwischen der Kanzlerin und ihrem Volk in Sachsen-Anhalt. Durch den von Merkel inszenierten ungebremsten Flüchtlungszustrom knirschte es vernehmlich zwischen Regierenden und Regierten.
Erst recht, als die Alternative für Deutschland dem Protest bereitwillig eine organisatorische Hülle bot. Von Sachsen aus pflanzte sich der Ruf „Merkel muss weg“ nach Sachsen-Anhalt fort. Der Popularitätsschwund Merkels nahm erdrutschartige Züge an.
Die Quittung kassierte ihre Partei genauso wie SPD, Linke und Grüne bei der Landtagswahl 2016: Rund ein Viertel der Sitze ging an die AfD.
Und nach der Bundestagswahl sitzt eine AfD-Fraktion nun Merkel im Bundestag direkt gegenüber. Sie wird der Kanzlerin keine Ruhe mehr lassen.