Familienleben in Sachsen-Anhalt Mangel an Ärzten, Lehrern und Kita-Plätzen: Unsere Umfrage zeigt, wo es hakt und was gut läuft
Eine Umfrage unter fast 12.000 Lesern in Sachsen-Anhalt zeigt, dass der Mangel an medizinischer Versorgung das dringendste Problem ist, insbesondere bei Fachärzten und Jugendpsychiatrien. Eine erste Auswertung.
Magdeburg - Die Ergebnisse einer umfangreichen Umfrage von Mitteldeutscher Zeitung und Volksstimme unter fast 12.000 Bürgern in Sachsen-Anhalt zeigen erhebliche Mängel in verschiedenen Bereichen des täglichen Lebens.
Die medizinische Versorgung ist das dringendste Problem, mit einem Mangel an Fachärzten, insbesondere Haut-, Augen- und Kinderärzten, sowie Jugendpsychiatrien.
Das Schulsystem leidet unter einem allgegenwärtigen Lehrermangel, der zu Unterrichtsausfällen führt, und Kritik am Ganztagsangebot, obwohl 65% der befragten Erwachsenen angeben, dass Kinder gerne zur Schule gehen.
Medizinische Versorgung: Altmarkkreis Salzwedel und der Landkreis Mansfeld-Südharz mit den größten Problemen
Der Mangel an Ärzten ist offenbar das drängendste Problem in der Leserschaft. Denn von den sieben Themenfeldern schnitt die medizinische Versorgung mit einem Zensurenschnitt von 3,51 am schlechtesten ab. Verteilt werden konnten Zensuren von 1 (sehr gut) bis 5 (schlecht).
Die Not ist regional unterschiedlich stark ausgeprägt. Auf Kreisebene schneidet der Altmarkkreis Salzwedel landesweit am schlechtesten ab. Im Schnitt bewerten die Befragten dort die medizinische Versorgung insgesamt mit 3,85. Im Süden Sachsen-Anhalts meldet der Landkreis Mansfeld-Südharz die größten Probleme.
Großer Mangel an Jugendpsychiatrien
Auf Gemeinde-Ebene ist Havelberg im Kreis Stendal das größte Sorgenkind: Dort geben Befragte der medizinischen Versorgung im Schnitt eine 4,17 – das ist der schlechteste Wert unter allen Gemeinden Sachsen-Anhalts. Auffallend negativ ist die Situation auch in einigen Kreisstädten – so in Bernburg (4,04) und Salzwedel (3,88). Die vergleichsweise besten Bewertungen kamen aus Egeln (2,98/Salzlandkreis), Halle (3,00) und Ilsenburg (3,01/Harz).
Kritisiert wird vor allem die fachärztliche Versorgung. Aus Sicht der Befragten fehlen vor allem Haut-, Augen- und Kinderärzte. Gravierend erscheint vielen zudem der Mangel an Jugendpsychiatrien. 72 Prozent der Befragten landesweit beurteilen das Angebot als schlecht oder eher schlecht.
Zu wenig Kinderärzte - Ärzte nehmen keine Patienten mehr auf
Auch beim Thema Kinderärzte hagelt es miese Noten. Landesweit bemängeln mehr als 60 Prozent der Befragten, dass Praxen keine neuen Patienten mehr annehmen. Am schärfsten ist dieses Problem im Altmarkkreis Salzwedel, im Salzlandkreis und in Magdeburg ausgeprägt. Schaut man tiefer bis in die Gemeinden, so leiden Arendsee, Teuchern, Bernburg, Barby und Elsteraue am stärksten an einem Mangel an Kinderärzten.
Bei Hausärzten sieht es in einigen Regionen ebenfalls düster aus. Die schlechteste Bewertung erhielt die Stadt Zeitz (Burgenlandkreis) mit einem Notenschnitt von 4,31. Die Spannbreite ist allerdings groß. Beste Gemeinden – wie Teutschenthal oder Barleben – kommen auf einen Schnitt von 2,2.
Und wie sieht es in den größeren Städten aus? Hallenser (Note 2,35) sind mit den Hausarztangeboten etwas zufriedener als Magdeburger (2,74). Unter den Kreisstädten schneidet Wernigerode in der Umfrage am besten ab. Am unteren Ende stehen die Kreisstädte Bernburg, Sangerhausen und Salzwedel
Schulen: Unterrichtsausfälle durch Lehrermangel
Die Schulen in Sachsen-Anhalt bekommen von Lesern im Durchschnitt eine 3,2 – das ist nach der medizinischen Versorgung der zweitschlechteste Wert unter den befragten Themenfeldern. Die Spannbreite reicht von 2,85 in Magdeburg bis hin zu 3,5 in Wittenberg.
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Der allgegenwärtige Lehrermangel löst die stärkste Kritik aus. Jeder zweite Befragte erachtet die Personallage als schlecht, und 41 Prozent bewerten den damit verbundenen Unterrichtsausfall als schwerwiegend.
Die größten Probleme gibt es in Oebisfelde-Weferlingen (Bördekreis/ Note 3,94). Bemängelt wird auch das Ganztagsangebot an den Schulen. Gefragt haben wir auch nach außerunterrichtlichen Aspekten. So empfinden 47 Prozent die allmorgendlichen Elterntaxis als belastend. Fast genau so viele klagen über zu volle Klassen. Und vier von zehn Lesern geben an, dass den Kindern das Schulessen nicht schmeckt.
Einzig bei der Gebäudesanierung hat sich einiges gebessert: 61 Prozent der Leser finden, dass die Schulen in einem guten oder sogar sehr guten Zustand sind.
In den vergangenen Jahren hat Sachsen-Anhalt mit Hilfe des speziellen EU-Programms „Stark III“ 600 Millionen Euro investiert. Mit den Geldern wurden bislang 260 Schulen auf Vordermann gebracht. Ebenso hervorzuheben: Trotz etlicher Defizite im Bildungsbereich geben immerhin 65 Prozent der befragten Erwachsenen an, dass die Kinder gern zur Schule gehen.
Gute Noten für Kita-Plätze in Sachsen-Anhalt
Gibt es genügend Kita-Plätze in der Stadt? Passen die Öffnungszeiten? Das Angebot wird landesweit überwiegend als gut bis ausreichend beurteilt.
Vor allem in den großen Städten fehlt es offenbar an Kapazitäten. So sagen 52 Prozent der Hallenser, dass es in ihrer Stadt nicht genügend Kita-Plätze gibt. Ähnlich kritisch sieht es in Dessau-Roßlau und Magdeburg aus. In kleineren Gemeinden wird das Angebot oft mit der Note gut bewertet.
Umgekehrt verhält es sich bei den Öffnungszeiten: Bei dieser Frage sind Städter meist etwas zufriedener als viele Bewohner auf dem Land.
Ein wichtiger Punkt sind auch die Kosten. Vor allem in den Landkreisen Harz und Burgenlandkreis empfinden die Befragten die Kosten als sehr belastend.
Wohnkosten: Hohe Heiz- und Stromkosten
Die Ausgaben für Haus oder Wohnung sind stark gestiegen. Fast die Hälfte aller landesweit Befragten empfinden die Heiz- und Stromkosten als bedrückend. Dies ist besonders in den Landkreisen Wittenberg, Mansfeld-Südharz und Salzlandkreis der Fall.
Dies dürfte sicherlich auch mit den Verdienstmöglichkeiten zusammenhängen, nach denen wir gefragt hatten. Einwohner dieser drei Landkreise bewerteten die Höhe ihrer Arbeitslöhne deutlich schlechter als andere.
Differenzierter ist die Lage noch bei den Mieten. Für 54 Prozent der Befragten insgesamt geht die aktuelle Miethöhe in Ordnung. Jedoch: Einwohner aus Halle, Barleben und Wernigerode beklagen zu teure Wohnungen. Vor allem in diesen Kommunen werden die Mietsteigerungen als zu hoch empfunden.
Öffentlicher Nahverkehr: Fahrtzeiten unpassend, Ticketpreise zu hoch
Zu den Qualitäten eines Wohnviertels gehört auch ein guter Anschluss an Bus und Bahn. Für mehr als 40 Prozent der Befragten sind die Fahrtzeiten unpassend, die Ticketpreise zu hoch und die Radwege für Kinder nicht sicher genug.
ÖPNV-Schlusslicht ist der Landkreis Wittenberg. In Halle und Magdeburg bekommen Bus und Bahn gute Noten – städtische Radwege aber gelten als die unsichersten im Land.
Wohnviertel gelten als attraktiv, wenn es einen leistungsfähigen Internet-Anschluss gibt. Im Kreisvergleich reichen die Durchschnittsnoten von 2,4 in Halle bis 2,97 im Altmarkkreis Salzwedel. Im Gemeinde-Vergleich liegt Oebisfelde-Weferlingen vorn (1,96) und Mücheln mit 3,54 auf dem letzten Rang.
Bei unserer Familien-Umfrage haben „Volksstimme“ und „Mitteldeutsche Zeitung“ Fragen zu sieben Themenkomplexen gestellt: von Arbeit über Kita, Schule und medizinischer Versorgung bis hin zum Wohnumfeld und den Nahverkehr.
11902 Leserinnen und Leser haben anonym die Lage vor Ort bewertet, Zensuren verteilt und außerdem Hinweise gegeben. Die Daten zeigen, bei welchen Themen und in welchen Gemeinden es hakt, und wo es schon recht gut läuft. In den nächsten Wochen werden wir näher darüber berichten.
Diskutieren Sie mit. Mails bitte an: familienleben@volksstimme.de oder familienleben@mz.de