Sachsen-Anhalt Leben lernen mit Natur und Tier
Die Landwirte Constanze und Jochen Thomsen aus Düsedau werden von der EU für ihr Projekt „Leben mit der Natur und den Tieren“ ausgezeichnet.
Düsedau l Zuerst sind die Alpakas dran. Futter in die Eimer und schon drängen sich die südamerikanischen Kamele um die Gruppe von der Lebenshilfe Osterburg. „Wir müssen leise sein“, warnt gerade die 25 Jahre alte Angelique, als schon das kleine Malheur passiert. Ein kurzes Anschlagen des Plastikeimers und schon sprintet die scheue Alpaka-Familie ins Freie.
Die Anden-Tiere gehören zum wöchentlichen Programm auf dem Bauernhof der Familie Thomsen in Düsedau. Die Landwirte geben Menschen mit Einschränkungen durch ihr Projekt „Leben mit der Natur und den Tieren“ die Möglichkeit, ihre Verbundenheit mit Tieren und der Natur zu entdecken. Je nach ihrem Entwicklungsstand werden die Kursteilnehmer rund um die Landwirtschaft unterrichtet.
„Wir hatten schon immer Klassen aus der Umgebung, auch aus der Lernbehinderten-Schule Erxleben, auf dem Hof“, berichtet Constanze Thomsen, „und viele der Kinder haben sich sehr für die Tiere und die Technik interessiert. Die Landwirtschaft mit all ihren Facetten zu zeigen, hat uns und den Kindern großen Spaß gemacht. Ich hätte schon damals gern mehr Zeit dafür gehabt“, so die 52-Jährige.
Nachdem sie 2017 die Milchproduktion aufgegeben haben („hat sich nicht mehr gelohnt“), kamen die Thomsens wieder auf die Idee zurück, etwas über die Landwirtschaft zu vermitteln. „Im August 2019 habe ich dann mit der Lebenshilfe gesprochen und zusammen haben wir das Projekt erarbeitet. Im September kam die erste Gruppe auf den Hof.“
Ursprünglich war zweimal die Woche geplant, aber aus Kostengründen wurde es nur einmal.
Im Kuhstall der ehemaligen LPG Tierproduktion Düsedau warten 100 Mutterkühe und die „Hobbymilchkuh“ auf Futter. Angelique (25), Pascal (23), Sebastian (41) und Thomas (44) schütten Heu vor das Fleckvieh, das lautstark sein Recht einfordert. „Und immer auf den Arbeitsschutz achten“, mahnt Thomsen mit Blick auf die Heugabeln. Aber das kennen die vier von der Lebenshilfe schon.
„Unsere Projektteilnehmer freuen sich auf den Tag auf dem Bauernhof“, sagt Betreuerin Inka-Birgit Neumann. „Die Interessen sind völlig unterschiedlich. Die einen lieben es, mit Tieren zu arbeiten, andere wiederum können von der Technik nicht genug bekommen. Und es ist erstaunlich, wie sie sich auskennen.“ Allen sei eins gemein: Sie sind „mit Feuer und Flamme bei der Sache“.
Angelique hat sich extra einen sogenannten Führstrick schenken lassen. Sie ist eine Pferdenärrin, und sie bringt die Stute „Olivia“ professionell aus dem Stall auf die Weide, gefolgt vom Schimmel „Lucky“. Am Zaun gibt es eine kleine Einführung zum Thema Elektrosperre.
Die Auszeichnung als Projekt der UN-Dekade „Biologische Vielfalt im Bereich Soziales“ mache sie stolz, sagt die studierte Landwirtin Constanze Thomsen. „Durch ihr Interesse und ihre Aufgeschlossenheit geben uns die Projektteilnehmer eine Menge zurück.“
Die Auszeichnung ist eine rein ideelle. Wie stolz die Hofbetreiber sind, deren landwirtschaftliche Wurzeln bis ins 14. Jahrhundert zurück reichen, davon zeugt die Tatsache, dass die Briefköpfen des Unternehmens schon mit dem Hinweis auf die Ehrung versehen sind.
Doch das heute ausgezeichnete Projekt ist nicht das einzige der Thomsens. Brüssel hat auch die Initiative des Hofes für „Blühwiesen suchen Paten – die Blühwiesenpatenschaft als Weg zum Erhalt und Ausbau der biologischen Vielfalt“ anerkannt. „Wir möchten damit aktiv unsere Umwelt gestalten, etwas für den Naturschutz und einen Beitrag zur biologischen Vielfalt leisten“, sagt die Hof-Chefin. „Wir sehen unser Projekt als Bindeglied zwischen Landwirten und Verbrauchern.“
Landwirtschaftsministerin Claudia Dalbert (Grüne) hat sich bereits angesagt, um die zweite EU-Urkunde in Düsedau an den Betrieb zu überreichen, der 1993 gegründet wurde.