Protest Sachsen-Anhalts Bauern proben den Aufstand
In den sozialen Netzwerken formiert sich eine neue Bauernbewegung: Landwirte aus Sachsen-Anhalt wollen in Berlin protestieren.
Magdeburg l Die Basis der Landwirte probt den Aufstand gegen eine wahrgenommene Stimmungsmache gegen den Berufsstand und immer neue Auflagen bei Düngung, Insektenschutz und Tierwohl. Der am 1. Oktober gegründeten verbandsneutralen Organisation „Land schafft Verbindung“ gehören nach eigenen Angaben inzwischen bundesweit 30.000 Mitglieder an.
Einer in Sachsen-Anhalt gegründeten Interessengemeinschaft haben sich laut Initiatoren bislang Vertreter von rund 20 Betrieben angeschlossen. Nach Demonstrationen in Magdeburg und Hamburg im Oktober wollen die Bauern am Dienstag an einer bundesweiten Sternfahrt nach Berlin teilnehmen. Dazu erwarten die Organisatoren allein aus Sachsen-Anhalt 500 Trecker und 1000 Teilnehmer.
Ziel der Bauern ist eine Kehrtwende der Politik: „Die Stimmung in den Betrieben ist mies“, sagte Martin Dippe, Inhaber eine Kartoffelvermarktungs-Betriebs in Wulferstedt (Bördekreis).
Bei politischen Entscheidungen und den Äußerungen mancher Organisation gewinne man den Eindruck, Landwirtschaft sei in Deutschland nicht mehr erwünscht, ergänzte Landwirt Frank Böcker aus Emden bei Haldensleben. Die Bauern in Sachsen-Anhalt haben einen Neun-Punkte-Katalog verfasst. Darin fordern sie unter anderem den Stopp des von der Bundesregierung geplanten Agrarpakets. Der Politik werfen sie vor, Entscheidungen nach Stimmungslage zu treffen, statt auf Grundlage belastbarer Studien. Beispiel Neonicotinoide: Ein Verbot der Insektizide sei wissenschaftlich nicht sinnvoll, sagt Landwirt Böker. Er selbst betreibt eine Imkerei. Entfallen Neonicotinoide, die nur in Gramm-Mengen dem Saatgut beigemischt werden, müsse in größeren Mengen mit anderen Mitteln gespritzt werden. Bei Zuckerrüben etwa komme eine bienenschädigende Wirkung gar nicht zum Tragen. Denn Bienen flögen die Rüben nicht an. Zugleich nutzten andere Staaten die Mittel weiter – ohne Kontrollen – und exportierten dann nach Deutschland. Kritik üben die Bauern auch an Handelsabkommen etwa mit dem Staatenbund „Mercosur“. Um deutsche Industrieprodukte zu verkaufen, akzeptiere die Politik den Import von Lebensmitteln wie Palmöl, deren Anbau den Regenwald zerstöre.
Bleibt es bei steigenden Auflagen, fürchten die Bauern, dass Betriebe aufgeben. Nach Zahlen des Dienstleisters Crifbürgel meldeten bereits infolge der Dürre 2018 bundesweit 114 Betriebe Insolvenz an, 24 Prozent mehr als im Vorjahr.
Umweltministerin Claudia Dalbert (Grüne) sagte: „Die Landwirtschaft ist in einer schwierigen Lage.“ Durch ihr Zögern habe die Bundesregierung Unsicherheit erzeugt. Dabei sei die schädliche Wirkung etwa von Neonicotinoiden seit Jahren belegt. Für sie sei klar, Landwirtschaft funktioniere nur mit Umweltschutz. „Die Bundesregierung hätte längst ehrliche Entscheidungen treffen müssen.“