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Meisterschaft Schach-Elite in Magdeburg zu Gast

Vom 25. Mai bis zum 2. Juni wird Magdeburg Deutschlands Schachhauptstadt. Die besten Spieler treffen sich zum "Meisterschaftsgipfel".

Von Manuela Bock 26.04.2019, 01:01

Magdeburg l Ein Montagabend im Magdeburger Stadtteil Buckau. Während der Abend langsam in die Nebenstraßen sickert, brennt hinter der Glasfront mit der Aufschrift „Magdeburger Schachzwerge“ das große Deckenlicht. Vor dem Schachbrett im Vereinsraum sitzen Tatjana Melamed, Fiona Sieber und Jonas Roseneck. Sie blicken auf die schwarz-weißen Figuren. Es ist Trainingszeit. Für Außenstehende ist es nicht ganz einfach zu verstehen, was man eigentlich beim Schach trainieren kann. Tatjana Melamed lacht bei dieser Frage. „Man kann alles trainieren“, sagt sie.

Die gebürtige Ukrainerin muss es wissen. Im Jahr 1999 wird sie vom Internationalen Schachverband „Fédération Internationale des Échecs“ FIDE zur „Großmeisterin“ ernannt, trägt damit den höchsten Titel für Turnierschachspieler. Den „Doktortitel“ der Schachwelt erkämpft sich die Magdeburgerin mit Turniersiegen und Punkten, den sogenannten drei „Großmeister-Normen“. Das Schachspielen sei ihr in die Wiege gelegt worden, sagt die 45-Jährige. „Da, wo ich herkomme, spielen fast alle schon als Kinder.“

Schach bestimmt auch schon früh ihr Leben. Für sie ist es „ein Glücksfall“, dass sie heute als hauptberufliche Landestrainerin ihr Wissen an den talentierten Nachwuchs in Sachsen-Anhalt weitergeben kann. 21 Kader – Kinder und Jugendliche bis zu 18 Jahren, die Landesspitze des Bundeslandes – betreut Tatjana Melamed, die in Kiew Schach und Lehramt für Schachtrainer studiert hat. Dafür fährt sie durchs Land, telefoniert oder „chattet“ via „Skype“ mit ihren Schützlingen. „Wir haben in Sachsen-Anhalt paradiesische Bedingungen fürs Schachspielen“, sagt die Großmeisterin und zählt auf: „Kostenloses Training, Unterstützung und Betreuung bei Wettkämpfen und viel Anerkennung und Begeisterung.“ Magdeburg ist dabei das „Schachzentrum“.

Vor knapp 17 Jahren kommt Tatjana Melamed als Spätaussiedlerin in die Landeshauptstadt, die ihr „sofort gefallen hat, nicht nur als Stadt, sondern auch als Ort, wo viel Schach gespielt wird“. Sieben Vereine mit mehr als 1000 Mitgliedern gibt es in der Elbestadt. 742 davon spielen bei den „Schachzwergen Magdeburg“, diesen Spitzenwert kann momentan in Deutschland kein Verein toppen.

„Das Beste ist, dass sie auch alle aktiv sind“, sagt die Landesmeisterin, die sich dafür einsetzt, dass Schach zum Unterrichtsfach an Grundschulen wird. „Schach fördert die Konzentration, die Leistungsfähigkeit und hilft auch, seinen Weg im Alltag gezielt zu gehen“, so Melamed. Nicht jeder müsse eine Schachkarriere anstreben, aber „den Geist schon früh auf Vordermann zu bringen, ist schon nicht schlecht“, sagt sie. Auch beim Schach fallen die Meister aber nicht vom Himmel. Sie sagt: „Um ganz vorn mitzuspielen, braucht man schon ein gewisses Talent.“ Die zwei, die hier heute bei ihr trainieren, haben das gewisse Etwas.

Jonas Roseneck gehört zum Landeskader, ist Landesmeister, mehrfacher Deutscher Meister. Seine Schachgeschichte beginnt im Kindergarten. Mit vier Jahren hält der Magdeburger zum ersten Mal die Figuren in den Händen, spielt in der Grundschule, in Arbeitsgemeinschaften, sitzt schließlich bei kleineren Wettkämpfen. Dort entdeckt ihn der Geschäftsführer des Landesschachverbandes und Chef der „Schachzwerge Magdeburg“, Michael Zeuner, der als „Aktivist der Nachwuchsförderung“ gilt und immer Ausschau hält nach den besonders Begabten.

„Willst Du nicht noch besser werden?“, fragt er damals den jungen Spieler. Der will. Mit dem Schritt in die Welt des Leistungsschach entscheidet sich Jonas für eine Kindheit, die anders ist als die von anderen Jungs. Wenn sie kicken, übt er Züge und Taktiken. Wenn sie zum Fußballspiel fahren, sitzt er bei Meisterschaften am Brett.

Freizeit ist rar. Schulstunden, Hausaufgaben, für Klausuren lernen – das muss er „drumherum planen“. „Meine Lehrer haben mich immer unterstützt, weil sie gemerkt haben, dass ich trotzdem meine Leistung bringe“, sagt der 16-Jährige. „Auch durch das Schachspielen kann ich mir viele Sachen einfach schneller merken.“

In seinem Umfeld kommt das gut an. Jonas, der stille Meisterschaftsspieler, sammelt Medaillen und Pokale, sucht sich aber auch den Ausgleich, geht auf den Bolzplatz oder macht Sport mit den Kumpels. „Sich fit zu halten, ist sehr wichtig“, sagt er. „Es gibt Partien, die bis zu sieben Stunden gehen. Das schlaucht enorm. Da muss man auch körperlich auf der Höhe sein.“

Auch Fiona Sieber kennt das. Wie Jonas verfällt sie schon als Kind „diesem Fieber bei richtig guten Schachpartien“. Ihr Vater holt damals das Schachbrett hervor, will der Tochter zeigen, wie man spielt. Die 7-Jährige lernt schnell, kennt nach zwei Tagen alle Regeln, möchte mehr wissen. Der Vater meldet sie in der Heimatstadt Göttingen im Verein an, in der Jugendschachgruppe rollt sie das Feld von hinten auf, sie spielt Turniere.

Mit 13 Jahren gewinnt sie in ihrer Altersklasse erstmals die Deutsche Meisterschaft. Das Titel-Sammeln beginnt. Fiona Sieber, die 2015 zur „SG Aufbau Elbe“ nach Magdeburg wechselt, „weil in Sachsen-Anhalt der Nachwuchs so gut gefördert wird“, ist mehrfache Deutsche Meisterin der Jugend, Europameisterin und Siegerin der „German Masters der Frauen“.

Nach dem Schulabschluss bleibt die Niedersächsin in Magdeburg und studiert hier Physik. Die Zeit fürs Lernen, für Vorlesungen, Hausarbeiten, für den Sport im Uni-Club zweigt sie sich ab. „Manchmal ist es schon schwierig, alles unter einen Hut zu bekommen, aber ich möchte es nicht anders“, sagt Fiona Sieber.

Die tägliche Ration Schach gehört zu ihrem Alltag. Wenn sie trainiert, rechnet sie Stellungen aus oder sucht nach dem passenden Moment für eine taktische Lösung. Oft macht sie das für sich. Manchmal mit einer App am Rechner.

Tipps von der Großmeisterin kommen via „Skype“ oder wie heute „live“ am Brett. Das sind wertvolle Stunden für die 19-Jährige. „Ich frage dann viel, wir spielen Züge durch oder Eröffnungen“, erklärt Fiona Sieber und schiebt nach: „Bei Eröffnungen kann es wichtig sein, die ersten Züge auswendig zu können.“ Auch den Gegner zu studieren sei wichtig. Sie sagt: „Es ist zwar immer Schach, aber man weiß nie, wie das Spiel verläuft, das fasziniert mich.“

Diese Faszination teilen viele Magdeburger. Nicht nur hier in Buckau wird trainiert. In Schulen, Kitas und Arbeitsgemeinschaften sind Trainer unterwegs. Bei einer Pressekonferenz zum Schachgipfel im Magdeburger Rathaus sagt DSB-Präsident Ullrich Krause: „In allen Städten wird Schach gespielt, in einigen mehr, in anderen weniger. Magdeburg hat da ganz erstaunliche Zahlen.“ Das sei ein wichtiger Grund gewesen, den ersten Schachgipfel nach 1931 in die Elbestadt zu verlegen.

An einem ungewöhnlichen Ort für Schachspieler – in der Festung Mark, einer alten Anlage im Zentrum mit dickem Gemäuer und Schummerlicht – trifft sich das „Who is Who“ der deutschen Schachszene. Und jene, die auf dem Sprung sind, die an den Brettern sitzen, die ihnen die Welt bedeuten. Die viele Stunden dem Denksport widmen und abends mit Figuren in der Hand grübeln, wie sie noch besser werden können.