Schiffbau Kiebitzberg-Werft setzt auf Elektro-Antrieb
Die Kiebitzberg-Werft der Hansestadt Havelberg widmet sich immer mehr dem Bau von Schiffen mit sauberem und leisem Elektro-Antrieb.
Havelberg l Dass unter dem Hallendach eine Fähre entsteht, die in wenigen Monaten über die Gletscherlagune Jökulsárlón in Island schippern wird, ist für einen Bootsbau-Laien nicht zu erkennen. Denn von dem Katamaran ist bisher lediglich der Aluminium-Doppelrumpf mit der Deckplatte fertig.
Es ist der erste Auftrag, den die Havelberger Kiebitzberg-Werft in Island an Land gezogen hat und vor dem inneren Auge vom Unternehmens-Chef Andreas Lewerken durchpflügt das Boot schon direkt neben dem Vatnajökull, Europas größtem Gletscher, das eisige bis zu 248 Meter tiefe Wasser im zweitgrößten Nationalpark Europas.
Der 56-jährige Geschäftsführer hat die technischen Daten sofort parat: „11,65 Meter lang, 4,60 Meter breit, 0,66 Meter Tiefgang, Gewicht 9,3 Tonnen.“ Allerdings machen diese Eckdaten nicht den „Aha-Effekt“ aus. Vielmehr ist es der Antrieb des Katamarans: zwei Toorquedo-Motoren – elektrische Außenborder.
„Unsere Schiffe sind auch deshalb gefragt, weil wir seit etwa vier Jahren verstärkt auf Strom-Antrieb setzen“, sagt Lewerken. „Oben auf dem Dach sind Solar-Panele installiert. Batterien speichern den Strom.“ Allerdings reiche die Sonnenenergie nicht völlig aus. Deshalb müsse das Boot nachts zusätzlich ans Netz.
„Touristikunternehmen, Reedereien und Tourenanbieter setzen mehr und mehr auf einen sauberen und lautlosen Antrieb“, so der Werft-Chef.
Zwei weitere Katamarane hängen bereits als Konstruktionsvorlage an der Pinnwand in Lewerkens Reich im Obergeschoss des Verwaltungsgebäudes. Von dort aus hat er den besten Blick auf die Havel und den Dom am gegenüberliegenden Flussufer. Für wen die Werft die beiden Schiffe baut, ist noch ein streng gehütetes Geheimnis. Der künftige Eigentümer hat sich vorbehalten, die Inbetriebnahme selbst zu verkünden. Nur so viel verrät er: „Sie werden 2019 und 2020 ausgeliefert – in Deutschland.“
Kein Geheimnis hingegen ist die gute Zusammenarbeit mit Dänemark. „Seit vier Jahren arbeiten der dänische Solar- & E-Motoren-Enthusiast Henry Thomsen und Kiebitzberg an gemeinsamen Bootsprojekten. Besonders der PonTOM Defender mit seinem Baustein-Aufbau und den vielfältigen Konfigurationsmöglichkeiten half dem Unternehmer mit Sitz in Aarhus, seine Ideen für leisen und umweltfreundlichen Wassersport voranzutreiben“, sagt der Werft-Chef.
Die Firma Solbaaden in der zweitgrößten Stadt Dänemarks an der Ostküste der Halbinsel Jütland ist Ansprechpartner für alles, was Solarboote, Elektromotoren und natürlich Aluminiumboote von Kiebitzberg betrifft. In Aarhus sind verschiedene Defender-Größen und Ausstattungen unterwegs.
Steven Jäger wechselt in der großen Halle eine Düse an der CNC-Wasserstrahlschneidanlage, auf der aus Aluminium-Platten der unterschiedlichsten Stärken Bauteile für die Schiffe werden. Fein säuberlich auf einer Vorrichtung ausgelegt, liegen die Alu-Stücke – von wenigen Zentimetern groß bis zu vier Metern. Das Ausschneiden erfolgt computergesteuert und auf den Millimeter genau.
Doch nicht nur stromangetriebenene Schiffe werden an der Havel gebaut. „Kraftstoffantrieb wird nach wie vor seine Berechtigung haben“, sagt Lewerken, der die „Diesel-Hysterie“ nicht versteht. „Der Strom für den sogenannten alternativen Antrieb wird ja auch nicht nur durch Sonne und Wind erzeugt. Die überwiegenden Kilowattstunden produzieren Kohlekraftwerke.“ Strom sei aus seiner Sicht „nur eine Zwischenlösung. Die Zukunft gehört der Wasserstoffzelle.“
Vor der Werfthalle liegen große Aluminium-Flächen, sogenannte Brut-Inseln für verschiedene Umwelschutzverbände. „Es wird Sand aufgeschüttet, dann werden sie auf Gewässern verankert. Durch die erhöhten Ränder haben tierische Räuber keine Chance, ans Gelege zu kommen“, sagt Lewerken. „Unser Firmenziel ist nachhaltig zu produzieren und da gehören die Nistinseln mit dazu.“
Vor acht Jahren konnte die Havelberger Werft sogar den Präsidenten von Kasachstan, Nursultan Nasarbajew, überraschen. „Er hatte mit Angela Merkel beim Staatsbesuch in Berlin auch eine Schifffahrt unternommen“, erzählt er. „Das Cabrio-Schiff hatte ihn beeindruckt, und er hat durchblicken lassen, dass er sich solch Schiff gut auf dem Ischim-Fluss seiner Heimat vorstellen könne.“ Drei kasachische Unternehmer ließen es sich nicht nehmen, ihrem Staatschef den Wunsch zu erfüllen. Im April 2010 wurde die „Astana“ in Landesfarben zu Wasser gebracht.