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Elbe Selbst Japaner werfen die Angel aus

Die Elbe hat sich in den vergangenen 25 Jahren schneller von Umweltschäden erholt als gedacht. Inzwischen tummeln sich hier wieder 42 Fischarten. Nur noch vier fehlen für die ursprüngliche Vielfalt. Für
Angler gehört der Fluss bereits zu den interessantesten Revieren in
Deutschland.

Von Matthias Fricke 21.08.2015, 20:31

Magdeburg l Die australische Shepherd-Hündin "Tinca" liegt gelassen auf den Steinen am Elbufer und sieht jeder Kurbeldrehung ihres Herrchens Marcel Wiebeck zu. Der Angler zupft mit seiner Rute vorsichtig einen Gummifisch über die Steinpackungen der Elbe. Zander sind an diesem Tag sein Zielfisch. Auch wenn der Wasserstand sehr niedrig ist, die Chance auf einen Fang gibt es immer.

"Die Elbe ist eines der besten Raubfischreviere in Deutschland. Ich verstehe gar nicht, dass einige Angler extra an den Bodden fahren. Große Fische gibt es hier auch", sagt er. Schon mit sechs Jahren fing der heute 24-Jährige seinen ersten Zander. Heute hat der Schöninger (Niedersachsen) sein Hobby zum Beruf gemacht. Er bietet Angeltouren rund um Magdeburg an. Wiebeck: "Hier gibt es große Rapfen, Zander, Hechte und Welse", schwärmt der Angler. Die Elbe sei nun mal der Fluss mit der größten Artenvielfalt. Und das zieht Gäste aus ganz Deutschland an. "Die wenigsten meiner Kunden kommen aus Sachsen-Anhalt. Die meisten aus dem Süden der Republik und Nordrhein-Westfalen", sagt der Angler-Profi.

Fische springen Elbwasserfall hoch

Der entfernteste Gast kam aus Japan. Takatoshi Murase aus Tokio zeigte sich begeistert über den Strom. Süßwasserfischen in Deutschland scheint selbst in Fernost ein begehrtes Hobby zu sein.

Dabei sei die Elbe sehr anspruchsvoll aus Sicht der Angler. "Wer das Gewässer versteht, fängt auch die Fische", sagt Wiebeck. Einer der Elbversteher ist auch Uwe Metzner aus Magdeburg. Er hat bereits Lachse und auch Meerforellen im Strom gefangen. "Manchmal sieht man die Fische sogar den Wasserfall an der Alten Elbe hochspringen", sagt er.

Dass die Elbe in Sachsen-Anhalt sauberer ist und die Artenvielfalt in den letzten 20 Jahren deutlich zugenommen hat, kann auch Bernd Kammerad, Fischereiexperte vom Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt, bestätigen. In der gesamten Elbe inklusive der Mündung gebe es etwa 100 Fischarten.

Zahl der nachgewiesenen Arten stieg auf 42

Allein in der Mittelelbe inklusive der Nebengewässer und Mündungsbereiche stieg die Zahl der inzwischen wieder nachgewiesenen Arten auf 42. Außer den so genannten Langdistanzschwimmern wie Stör, Groppe, Finte und Schnäpel sind inzwischen alle Fische wieder zurück.

Kammerad: "Von den ursprünglich 46 Fischarten waren zur Wende noch etwa die Hälfte übrig geblieben. In der Stromelbe selbst gab es etwa 15 bis 16 anspruchslose, abwassertolerante Arten." Erst ab 1994 erholte sich das Gewässer offensichtlich wieder. Auch die Inbetriebnahme der neuen Fischpässe am Wehr in Geesthacht (Niedersachsen) haben dafür gesorgt, dass die Wanderfische wieder ihren Weg in die obere Elbe finden.

Die größte Fischart der Elbe war der bis heute hier ausgestorbene europäische Stör. Dieser kann drei bis vier Meter, weibliche Tiere sogar fünf Meter lang und mehrere Hundert Kilogramm schwer werden.

Wels ist zurück, Stör wird angesiedelt

Bekannte Fangplätze in Sachsen-Anhalt lagen oberhalb von Arneburg (Landkreis Stendal) und unterhalb des Cracauer Wehres in der Alten Elbe in Magdeburg. Bis etwa 1870 sollen jährlich allein an letztgenannter Stelle an die 100 Fische gefangen worden sein. Um die Jahrhundertwende ging das Störvorkommen massiv zurück. Der letzte bekannte Fund in Sachsen-Anhalt war ein 1932 bei Arneburg angespültes, vermutlich durch eine Schiffsschraube verletztes Tier von etwa zwei Metern Länge.

Die Ansiedlungsbemühungen um Störe laufen seit 2011. Mehrere Tausend Fische sind inzwischen in der Elbe und den Nebengewässern von der Gesellschaft zur Rettung des Störes in Zusammenarbeit mit dem Institut für Binnenfischerei sowie den Anglerverbänden eingesetzt worden. Bis der Stör aber wieder heimisch wird, dürfte es noch eine Weile dauern.

Sie wachsen dort zu stattlichen Fischen heran. Nur zum Laichen wandern die Störe wieder in das Süßwasser die Elbe hinauf. Da die Geschlechtsreife der Tiere aber erst mit dem 12. bis 15. Lebensjahr erreicht ist, werden die großen Fische demnach ab dem Jahr 2023 zurück erwartet. Im Idealfall werden sie wie früher in der mittleren Elbe laichen und so könnte sich der Kreislauf schließen.

Die ausgesetzten Störe kommen aus einer kontrollierten Nachzucht von noch existierenden Elterntieren der fast ausgestorbenen Fischart in Frankreich und Jungfische haben eine Größe von etwa 25 Zentimeter und werden vermutlich bereits alle in die Nordsee geschwommen sein. Dort sind die eigentlichen Lebensräume des Atlantischen Störes.

"Einer, der es schneller geschafft hat, ist der Wels. Er kann zwei bis 2,30 Meter lang und dann 60 bis 70 Kilogramm schwer werden", sagt Kammerad. In den 60er Jahren war lediglich von vereinzelten Fängen in der Elbe zwischen Havelmündung und Wittenberge berichtet worden. Danach fehlen Angaben zum Welsvorkommen in der Elbe. 1992 gab es die ersten Wiedereinbürgerungsversuche. Seither vermehrt sich der Wels und erreicht inzwischen Größen über 1,60 Meter.

Erträge der Berufsfischer weiterhin dürftig

Die Vielzahl der Fischarten sagt aber noch nichts über die Masse aus. Die Fangerträge für die Berufsfischart blieb und bleibt weiterhin dürftig.

Kammerad: "Im Vergleich zu früher sind die Fangerträge mit 20 Kilogramm pro Hektar gering", sagt der Fischerei-Fachmann. Im Süden Magdeburgs betrugen die Erträge einst 50 Kilogramm pro Hektar. Im Bereich der Havelmündung war es mit 80 bis 110 Kilogramm pro Hektar sogar doppelt so hoch. Kammerad ist sich sicher: "Ein Angleichen auf die Ertragshöhe vor dem Elbeausbau vor 140 Jahren ist auch bei weiterer Verbesserung der Wassergüte nicht zu erreichen." Zusammenfassend könne heute nachgewiesen werden, dass die Flussbaumaßnahmen und die Schadstoffbelastung etwa gleichen Anteil am Fischrückgang hatten.

In Sachsen-Anhalt leben zurzeit noch acht Berufsfischer von der Pacht der Elbstrecken. Kammerad: "In der Regel ist die Fischerei aber nur ein Standbein. Die meisten der Fischer betreiben dazu entweder noch Teichwirtschaft, Fischzucht, eine Gaststätte oder Ähnliches sowie eine Untersuchungsfischerei für Forschungseinrichtungen und Behörden." Einer von ihnen ist Fischer Gernot Quaschny aus Hohengöhren (Landkreis Stendal). Er nutzt als einziger Fischer im Land die Hamenfischerei. Dabei wird wie bei einer Gierfähre ein großes Netz an zwei Scheren-Bretter in den Strom gehängt.

Ohne seine Hamenfänge, so heißt es in dem vom Umweltministerium herausgegebenen Buch "Fischarten und Fischgewässer in Sachsen-Anhalt", gäbe es heute keine oder nur unzureichende Angaben zu solchen Arten wie Lachs, Meerforelle, Fluss- oder Meerneunauge in Sachsen-Anhalt.

Fische zum Verzehr geeignet

Quaschny bewahrt die gefangenen Fische fachgerecht auf, damit die Wissenschaftler des Institutes für Binnenfischerei die Tiere ausmessen und registrieren können, bis sie wieder schonend eingesetzt werden. Quaschny: "Es sind Arten wieder aufgetaucht, damit hätte man so früher nicht gerechnet. Flussneunaugen kommen jetzt wieder reichlicher vor, auch Meerforellen und Lachse."

Zwei Drittel der Elbe sind nach Angaben des Landesverwaltungsamtes durch die Berufsfischer angepachtet. Ein Drittel haben Anglervereine gepachtet. Nach dem Fischereirecht können sich Angler aber auch bei den Fischern entsprechende Angelerlaubniskarten kaufen und so theoretisch sogar die gesamte Elbe befischen.

Auch Marcel Wiebeck macht davon Gebrauch. "Es gibt Strecken die sehr stark befischt werden wie in Magdeburg und es gibt Stellen außerhalb der Stadt, da steht man oft ganz allein am Ufer", sagt er.

Und zum Essen seien die Fische allemal gut. Doch das Umweltministerium hält an seiner seit Jahren gegebenen Verzehrempfehlung an die Angler fest: Pro Person sollten nicht mehr als ein bis zwei Kilogramm Elbfische pro Monat konsumiert werden. Der Grund: Die große Mehrheit der untersuchten Fische wies nach der Jahrtausendwende zwar keine Auffälligkeiten oder Grenzwertüberschreitungen von Schadstoffen mehr auf. Trotzdem traten ohne erkennbare Regel immer mal bei großen Einzelfischen Höchstmengenüberschreitungen bestimmter Schadstoffe (zum Beispiel Quecksilber und PCB) auf. Wegen der langen Abbauphase der Schadstoffe sei nur langfristig mit einer Verbesserung der Situation zu rechnen.