Sex-Dolls Männer, die mit Puppen spielen
Männer wie Frauen können sich bei RS-Dolls in Ilsenburg lebensechte Liebespuppen anfertigen lassen. Die Nachfrage steigt.
Ilsenburg/Magdeburg l Ilsenburg liegt idyllisch am Fuße des Brockens. Auf drei Seiten ist das 9500-Einwohner-Städtchen von bewaldeten Bergen umgeben. Ilsenburg ist Luftkurort und, wenn es nach der Webseite der Nationalparkgemeinde geht, die „bezauberndste Stadt im Harz“. Manfred Scholand würde kaum widersprechen. Der Unternehmer möchte seine Kunden tatsächlich bezaubern. Der 54-Jährige ist mit seiner Firma RS-Dolls nach eigener Aussage einer von Europas größten Fachhändlern von Liebespuppen. In seinem diskret am Ende eines Gewerbegebietes gelegenen Unternehmen betreibt der 54-Jährige seine ganz besondere Puppenschmiede.
Wer an die aufblasbare Gummi-Gefährtin mit Schmollmund denkt, ist allerdings schiefgewickelt. „Unsere Puppen sind sehr hochwertig und können vom Kunden nach individuellen Wünschen ausgewählt werden“, sagt Scholand. Will heißen: Die sogenannten Real Sex Dolls sehen verblüffend lebensecht aus. Etwa 100 verschiedene Körper und 300 Köpfe stehen zur Auswahl. Brünett, blond oder dunkelhaarig, unschuldig oder bestimmt dreinblickend, kleine oder große Brüste – bei der Zusammenstellung ist so ziemlich alles möglich. „Auch in Sachen Haptik haben wir in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht“, erklärt der gebürtige Paderborner Scholand.
Silkon ist dabei längst nicht mehr das einzige Material, aus dem die Träume seiner Kunden sind. Der neue Wunderstoff heißt: TPE. Thermoplastisches Elastomer. Das ist weich wie Gummi, lässt sich aber durch Wärmezufuhr plastisch verformen und sehr gut einfärben. Im Inneren der Puppe sorgt ein Stahlkorsett für das richtige Gewicht, immerhin 30 bis 50 Kilogramm.
Beweglich in alle Richtungen werden die Figuren über eine Vielzahl von Kugelgelenken. Zwischen 1000 und 1500 Euro kosten die in China gefertigten Modelle durchschnittlich. Die Designvorgaben macht indes das Ilsenburger Unternehmen.
Auch sprechende „Sex-Reboter“ mit Sensoren, beweglichem Mund und Zwinkeraugen sind bei RS-Dolls erhältlich. Die Puppen lassen sich sogar mit einer integrierten Heizung auf Körpertemperatur erwärmen. Steuerbar sind sie, na klar, mit Bluetooth. Da bekommt das Konzept Smart Home eine ganz neue Dimension.
Auch wenn die verkauften Stückzahlen bei den „Robotern“ noch nicht nennenswert hoch sind – einen „Markt für die Alexas mit Brüsten“ gibt es schon, wie Scholand mit einem Schmunzeln bemerkt. In den kommenden Jahren werde der sicher wachsen, lautet seine Prognose.
Sowohl zu seinen Robotern als auch den Puppen hält der Wahl-Ilsenburger Beauty-Artikel, Dessous und Mittel zur Reinigung bereit. Denn: Mit den Sex Dolls kann auch intim verkehrt werden. „Unser Anliegen ist es, nicht nur einen einfachen Begleiter anzubieten, es sollen vor allem Männer, die sonst keinen Zugang zu Sex hätten, die Möglichkeit der Interaktion haben“, sagt Manfred Scholand.
Zu seinen Kunden zählt der Familienvater beileibe nicht nur Männer, auch bei Frauen und schwulen Männern erfreuen sich die männlichen Liebespuppen immer größerer Beliebtheit. Auch hier gilt: Alles ist möglich. Das kann sogar so weit reichen, dass die Liebespuppe so aussieht wie der verstorbene Partner. Nur einer von vielen Wünschen in der Vergangenheit. Als eine Kundin in einem anderen Fall nach dem Fußball-WM-Finale 2014 eine Puppe nach dem Vorbild von Siegtorschütze Mario Götze verlangte – konnte Manfred Scholand auch diesem Ansuchen entsprechen.
Wenn Männer im Übrigen nach einer Sex Doll mit Entsprechung in der realen Promi-Welt verlangen, hieß diese lange Zeit immer wieder Angelina Jolie. Noch zu „Tomb Raider“-Zeiten, mit Atombusen und Schlauchbootlippen. Im Moment, so Scholand, halten sich Bestellungen dieser Art jedoch in Grenzen. Anstatt eines unerreichbaren Sternchens aus Hollywood sei bei den Herren das Modell „Frau Nachbarin“ derzeit sehr gefragt. Mit kleinem Bäuchlein und eben nicht allzu bizarren Proportionen.
Was nicht heißen soll, dass 90-60-90-Maße zum Ladenhüter verkommen. „Es gibt kaum erotische Produkte für Männer. Also warum sollten sich die Herren bei uns nicht vollkommen ihrer Fantasie hingeben können. Schließlich lebt man nur einmal“, argumentiert Manfred Scholand.
Mit seinen Produkten erreicht das Ilsenburger Unternehmen nach eigener Aussage eine große Bandbreite von Altersgruppen. An Minderjährige wird nicht verkauft.
Und wonach suchen Menschen, die bei Manfred Scholand einkaufen? Wer eine Puppe oder einen Roboter besitzt, geht häufig gar eine emotionale Bindung ein, sagt Psychologin Yuefang Zhou. Die Wissenschaftlerin von der schottischen University of St. Andrews forschte zuletzt an der Universität Potsdam zur Frage, inwieweit intime Partnerschaften mit Robotern unsere Zukunft verändern werden. Fakt ist: Wer Puppen oder Roboter nutzt, kann sie unter bestimmten Umständen sogar als vermeintlich realen Partner wahrnehmen, so Zhou. Für sie ist es nur eine Frage der Zeit, dass Roboter, zu welchem Zweck auch immer, immer tiefer in unser Leben eingreifen werden.
Fragen wie diese diskutiert Manfred Scholand mit seinen Kunden nicht. Das Wörtchen Diskretion beherzigt er bei allen Bestellungen. Auch zu seinen Verkaufszahlen schweigt der Unternehmer vornehm. Nur so viel: Der Branche geht es alles andere als schlecht. Seit dem Start seines Unternehmens 2014 hat eine vierstellige Zahl von künstlichen Damen und Herren die außergewöhnliche Ilsenburger Manufaktur verlassen.
Einen guten Anteil daran hat übrigens Olivia Jones, alias Oliver Knöbel, ein deutscher Travestiekünstler. Der begeistert die Gäste seiner Hamburger Kiez-Tour seit diesem Jahr mit Olivias Sexpuppenstube. Die Puppen dort kommen durch die Bank aus Ilsenburg.
Zur Rotlicht-Fraktion hat der Unternehmer überdies eine besondere Verbindung. Auf Erotikmessen wie der Venus in Berlin ist der Firmenchef aus Ilsenburg stets mit einem der größten Stände vertreten. Und auf einer etwas sittlicheren Messe begann für Manfred Scholand auch das Abenteuer RS-Dolls. Vor einigen Jahren, da war er noch als Wirtschaftsinformatiker in Paderborn tätig, wanderte er über die Hannover-Messe. Sah dort Roboter und bewegliche Puppen, freilich zu anderen Zwecken bestimmt. In jedem Fall reichte der Impuls, um sein Kopf-Kino zum Laufen zu bringen. Ist das eine Nische?, fragte er sich. Wie ließen sich hochwertige Liebespuppen zu erschwinglichen Preisen herstellen?
Bei Herstellern aus den USA kosten Basismodelle heute schon mal das Vier- bis Fünffache wie bei RS-Dolls. Scholand ließ Kontakte spielen, schaute sich in einer Fabrik in China um, ob die für den europäischen Markt gute Qualität liefern könnte. Sie konnte. 2015 wurde der Traum von Manfred Scholand Realität.
Heute beschäftigt er sechs Mitarbeiter. An der Webseite dengelt er noch immer in Eigenregie. Wer nach „Liebespuppen“ oder „Sexdolls“ googelt, wird als Erstes auf RS-Dolls aus Ilsenburg stoßen. Gute Suchmaschinenoptimierung. „Gelernt ist gelernt“, sagt der frühere Informatiker und lächelt spitzbübisch. Und was sagt eigentlich seine Familie dazu? „Die findet das gut. Keine Einwände.“ Seine Firma sei schließlich „nicht Porno, sondern Fachhandel“, sagt der zweifache Familienvater und schmunzelt.
Im Ilsenburger Showroom, in dem eine Auswahl von Puppen formvollendet aufgereiht ist, lässt sich derweil ein adrett gekleideter Geschäftsmann aus Norddeutschland eine Puppe zusammenstellen. Mitarbeiter Peter Treulieb (28) berät ihn. „Dieser Kopf soll es sein?“ Der Kunde nickt zufrieden. Die Magie von Ilsenburg, der „bezauberndsten Stadt im Harz“ hat auch von ihm Besitz ergriffen.
Die Puppen von Manfred Scholand sind am Freitag (16. November) um 0.15 Uhr Thema bei „Leichter Lieben Latenight“ im MDR.