Führungsspitze will Auflösung beschließen / Betriebsrat ist dagegen und erhebt schwere Vorwürfe SPD-geführtem Bildungsverein droht die Pleite
Magdeburg. Der Magdeburger Bildungsträger BAJ-Magdeburg steht vor dem Aus. Nachdem im Mai bereits Insolvenzantrag für die vereinseigene Tochter-GmbH eingereicht worden war, will die Vereinsspitze demnächst den Verein auflösen. Das bestätigte Vereinschef Jens Rösler gestern auf Nachfrage. Der Verein verfüge zwar über etwa zwei Millionen Euro Bilanzwerte, sei allerdings "nur noch eine Hülle", sagte Rösler. Alle Aktivitäten und die rund 50 Mitarbeiter seien bereits in die Tochter-GmbH überführt worden, so Rösler. Für den 8. August ist eine Mitgliederversammlung anberaumt, auf der die Auflösung des BAJ beschlossen werden soll.
Der Betriebsrat des BAJ will das verhindern und wirft der Vereinsführung Missmanagement und Verschleierungstaktik vor. "Offenbar geht es hier darum, berechtigte Ansprüche unserer Kollegen gegen den Verein ins Leere laufen zu lassen", sagte Betriebsratschef Wilfried Kunze der Volksstimme. Der Übergang zahlreicher Mitarbeiter in die insolvente Tochter-GmbH sei nicht wirksam, "so dass die Kollegen noch Vereinsangestellte sind", sagte Kunze. Der Betriebsrat will zunächst die Offenlegung der Vermögensverhältnisse durchsetzen.
Der Verein war 1991 von SPD-Politikern zur "Beruflichen Ausbildung und Qualifizierung Jugendlicher und junger Erwachsener" (BAJ) gegründet worden. Neben der Aus- und Fortbildung junger Leute im eigenen Bildungszentrum in Magdeburg betreibt der Verein einen Jugendtreff. Finanziert wurde er vorwiegend durch staatliche Arbeitsmarkt-Fördermittel.
Das lief jahrelang reibungslos. Prominente Politiker wie SPD-Landeschefin Katrin Budde (damals Vereinsvize) konnten so mit der gemeinnützigen Arbeit des BAJ öffentlich punkten. Doch gegen Ende der 1990er Jahre fuhr der Staat seine Zuschüsse zurück, die Konkurrenz der zahlreichen Bildungsträger um die Fortbildungsgelder wurde härter. Zur politischen Abstützung holte man andere Parteien ins Boot, etwa Landtagspräsident Dieter Steinecke (CDU) oder den Linken-Landtagsabgeordneten Hans-Joachim Mewes. Als diese vor etwa zwei Jahren aus dem Vorstand ausschieden, habe man bereits geahnt, dass es um den Verein schlecht stehe, heißt es aus Mitarbeiterkreisen. Erst recht, als die Geschäftsführung die Belegschaft bedrängt habe, auf Lohn zu verzichten. Seit drei Jahren führt der Magdeburger SPD-Stadtrat Rösler den Verein, Stellvertreter ist Falko Grube, Sprecher von SPD-Chefin Budde. Grube sagte der Volksstimme: "Die Mitarbeiter haben keine Ansprüche an den Verein. Sie sind alle rechtsgültig in die Tochter-GmbH übergeleitet." Dort wird nun über einen Sozialplan verhandelt.
Auch die Suche nach Investoren führte nicht zum Erfolg. Die FAA Bildungsgesellschaft Südost Magdeburg führte bereits 2009 Übernahmegespräche mit der BAJ-Spitze. FAA-Regionalleiter Heinz Schäfer sagte: "Wir waren zu einer Übernahme bereit. Dazu hätten lediglich die für die Misere Verantwortlichen zurücktreten müssen. Das wollten sie aber nicht." Der BAJ habe sich mit Dumpingpreisen um Fortbildungsmaßnahmen beworben und nicht kostendeckend gearbeitet. Heute sei es für eine Übernahme zu spät. Schäfer: "Wir wollen jetzt wenigstens die 75 Lehrlinge des BAJ übernehmen, um sie nicht im Regen stehen zu lassen."
Der BAJ-Betriebsrat will die Auflösung verhindern und das Vereinsvermögen in den Sozialplan für die Mitarbeiter einbeziehen. "Die Vereinsverantwortlichen arbeiten mit den Tricks von Finanzjongleuren. Sie vernichten Arbeitsplätze. Das werden wir mit juristischen Mitteln verhindern", sagte der Magdeburger Rechtsanwalt Uwe Bitter.
Vereinschef Rösler kündigte an: "Sollte die Auflösung nicht beschlossen werden, tritt der Vorstand zurück."
Bitter wertet das als "Flucht aus der Verantwortung".