Lehrermangel SPD nimmt CDU-Minister Tullner ins Visier
Kurz vor Abschluss der Haushaltsberatungen sorgt die SPD in Sachsen-Anhalt mit einem Vorschlag für Unruhe in der Koalition.
Magdeburg l Um dem Lehrermangel zu begegnen, will die SPD in Sachsen-Anhalt 2017 und 2018 jeweils 250 Lehrer zusätzlich einstellen. Finanziert werden soll das auf Kosten der Ministerien. Sie sollen jährlich auf 0,5 Prozent ihrer Personalmittel verzichten.
„Nur die ausscheidenden Lehrkräfte zu ersetzen reicht nicht, um die im Koalitionsvertrag vereinbarte Unterrichtsversorgung zu erreichen“, sagte Angela Kolb-Janssen, bildungspolitische Sprecherin, bei einem Werkstattgespräch mit 50 Teilnehmern am Donnerstag in Magdeburg. Sie übte damit indirekt Kritik an Bildungsminister Marco Tullner (CDU). Der hatte zuletzt 500 bis 700 Neueinstellungen für 2017 angekündigt. Dies genüge, um jeden ausscheidenden Kollegen zu ersetzen und den Personalbestand bis 2020 um 500 Stellen aufzustocken, hatte Tullner erklärt.
In einem Papier zur Landtagsarbeit 2017 wird die SPD deutlicher und offenbart, wie schief der Koalitionsfrieden bei der Bildung hängt: „Das CDU-geführte Bildungsministerium unternimmt keine Anstrengungen, um die Unterrichtsversorgung wenigstens auf dem bestehenden Niveau zu halten“, heißt es dort. Und: „Die erforderliche Sachkompetenz wurde abgebaut.“ – Ein Seitenhieb auf die Versetzung des früheren Chefs des Landesschulamts und SPD-Mannes Torsten Klieme durch den Christdemokraten Tullner.
Bei den Fraktionspartnern sorgte der Vorstoß für Erstaunen: Bedarfe und Finanzierbarkeit seien zu prüfen, sagte Fraktionsvorsitzender Siegfried Borgwardt. Darüber hinaus gehe die Idee zu Lasten der Ministerien. Diese dürften vom Vorstoß überrascht sein.
Art und Zeitpunkt findet auch Wolfgang Aldag, bildungspolitischer Sprecher der Grünen, „schwierig“. Die Koalition stehe kurz vor Abschluss der Haushaltsberatungen. Aus der Opposition kam dagegen Zustimmung: „Der Schritt würde den Schulen Luft in Hinblick auf die Unterrichtsversorgung schaffen“, sagte Thomas Lippmann, bildungspolitischer Sprecher der Linken.
Marco Tullner zeigte sich verwundert. Er war gut anderthalb Stunden bei dem SPD-Werkstattgespräch: Da fiel kein Wort über Zusatzeinstellungen. Erst als er weg war. Aber wie dem auch sei – Tullner soll es recht sein: „Ich würde mich nicht gegen mehr Personal wehren. Der Bedarf ist da“, sagte er der Volksstimme.
Auch an Bewerbern mangele es nicht. Etwa 360 Referandare kommen dieses Jahr aus der eigenen Lehrerschmiede an den Unis in Halle und Magdeburg; außerdem würden sich viele Sachsen im Land bewerben, da hier im Gegensatz zu dort der Beamtenstatus winkt.
Finanzminister André Schröder (CDU) verwies auf den Landtag, der derzeit den Haushalt berät: „Die Budgethoheit liegt beim Parlament“. Allerdings hat er erhebliche Zweifel, dass die anderen Ministerien Geld und Personalstellen abgeben können. Spielräume für zusätzliche Ausgaben sieht Schröder erst recht nicht. Die SPD-Idee würde dieses Jahr 10 Millionen Euro und nächstes Jahr 30 Millionen Euro kosten. Das Land hat aber jetzt schon für beide Jahre eine Finanzlücke von insgesamt 391 Millionen Euro im Etatentwurf stehen, die durch Einsparungen im Laufe der Zeit gestopft werden muss. Aus den anderen CDU-geführten Ministerien hagelte es ebenfalls Ablehnung.
Auch auf Schützenhilfe aus dem grünen Umweltministerium können die Sozialdemokraten nicht hoffen. Die Verantwortung für den Lehrermangel trage das Bildungsressort, sagte Ministerin Claudia Dalbert.
Selbst die Zustimmung aus den SPD-geführten Ministerien klang am Freitag nach Pflichtübung. „Wir sehen den Bedarf an zusätzlichen Lehrerstellen“, teilte das Wirtschaftsministerium mit. Das Sozialministerium hält den Vorstoß für „sinnvoll“. Beide Ressorts verwiesen aber auf eine teils „sehr angespannte Personalsituation“.