Staatsanwaltschaft Stendal bestätigt Eingang Strafanzeige gegen Bürgermeister von Insel wegen Volksverhetzung
Bei der Staatsanwaltschaft Stendal ist am Montag eine Strafanzeige gegen den CDU-Ortsbürgermeister von Insel (Landkreis Stendal) eingegangen. Alexander von Bismarck wird darin im Zusammenhang mit den Aktionen gegen zwei ehemalige Sicherungsverwahrte in seinem Ort "Volksverhetzung und Nötigung" vorgeworfen.
Insel. "Ich nehme die Vorgänge um den Zuzug von zwei vormals Sicherungsverwahrten und die Berichterstattung dazu (...) zum Anlass, Strafanzeige wegen möglicher begangener Straftaten zu erstatten." Das schreibt Rüdiger Oppermann aus dem Jerichower Land in einem Fax an die Staatsanwaltschaft Stendal, das der Behörde seit Montag vorliegt.
Letzter Stein des Anstoßes sei für ihn die Einwohner- demonstration am Freitag zuvor gewesen, so der Anzeigenerstatter.
Mehr als 100 Einwohner des Stendaler Ortsteils Insel und von umliegenden Orten hatten sich am 9. September vor dem alten Gutshaus in Insel zusammengefunden, um gegen zwei Männer zu demonstrieren, die wegen mehrfacher Vergewaltigung zu fünf Jahren Haft verurteilt worden waren. Anschließend hatten sie 18 beziehungsweise 21 Jahre in Sicherungsverwahrung verbracht und waren erst aufgund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte freigekommen.
Seit Juli wohnen sie in Insel im ehemaligen Rittergut der Familie von Cramm, die den 64- und 54-Jährigen aus Baden-Württemberg das Haus als Wohnraum zu Verfügung gestellt hat.
Von Bismarck wurde - nachdem das Vorleben der Neu-Inseler bekannt geworden war - zum Sprachrohr der Einwohnergemeinschaft und fordert mit kernigen Sprüchen immer wieder den Wegzug der Ex-Häftlinge.
"Freizügigkeit" im gesamten Bundesgebiet
Darin sieht Anzeigenerstatter Oppermann die Straftatsbestände "Volksverhetzung" und "Nötigung" erfüllt. "Meine Anzeige richtet sich namentlich gegen den dortigen Ortschaftsbürgermeister Alexander von Bismarck, der - jedenfalls nach den vorliegenden Presseveröffentlichungen - als Anführer (Anstifter?) und Initiator auftritt. Meine Anzeige richtet sich weiter gegen andere möglicherweise in Betracht kommende - mir namentlich unbekannte - Täter."
Oppermann erläutert, dass "nach dem Grundgesetz - Artikel 11, Absatz 1 - jeder Deutsche Freizügigkeit im gesamten Bundesgebiet" genieße. "Ich gehe davon aus, dass die beiden (...) deutsche Staatsbürger sind und dass die Gemeinde Insel dem Bundesgebiet zuzuordnen ist." (...)
(...) Die Freizügigkeit nach Art. 11 GG gehört zu den Grundrechten (...), die alle Staatsgewalt bindet."
Männern wird mit einem "Übel" gedroht
Oppermann wendet sich mit seinem juristischen Vorstoß unter anderem gegen die Unterschriftenaktion "unter offensichtlicher Federführung des Herrn von Bismarck" mit dem Ziel, "die Dorfbewohner von dieser Belastung zu befreien". Oppermann fragt, ob der Bürgermeister meine, mit dieser Unterschriftenaktion die Grundrechte einer demokratischen Verfassung "beim Gesinde nach Gutsherrenart aushebeln zu können"?
Zum Vorwurf "Nötigung": "Nötigung bedeutet, den vormals Sicherungsverwahrten ein von ihnen nicht gewolltes Verhalten, den Wegzug aus der Gemeinde, aufzuzwingen. Dazu wird mit einem empfindlichen Übel gedroht."
Die "Drohung des regelmäßigen (...) Zusammenrottens von vielen mindestens unfreundlich gesinnten Personen vor dem privaten Wohnhaus (...), bis diese wegziehen", sei ein "empfindliches Übel" und bewege sich nach BGH-Rechtssprechung "im Grenzbereich zur Gewalt". Der Anzeigenerstatter verweist speziell auf den Flyer, der bei der Demo verteilt wurde und befürchtet "Körperverletzung, Brandstiftung oder Schlimmeres" gegenüber den Ex-Sicherungsverwahrten.
Alexander von Bismarck, der gestern durch die Volksstimme von der Strafanzeige erfuhr, wollte sich speziell dazu nicht äußern. Er sagte allerdings: "Als Bürgermeister habe ich die Pflicht für die Bürger zu wirken, damit sie eine Stimme haben. Dabei geht es mir nicht um mein persönliches Interesse." Und es müsse auch nicht immer alles hundertprozentig mit seiner Meinung übereinstimmen.
Mit Blick auf Justizministerin Angela Kolb sagte er: "Wenn sie es ernst mit Menschenrechten und Grundgesetz nimmt, warum wurden die zwei Männer dann des Nachts ins Dorf gebracht, ohne uns zu informieren?"