Sturmtief Xavier Sturm fegt über Deutschland
Tief Xavier tötet mindestens sechs Menschen und sorgt in Sachsen-Anhalt für schwere Schäden. Der Zugverkehr kommt vielerorts zum Erliegen.
Wernigerode/Magdeburg (dpa/sa/jl) l Das Tief "Xavier" ist am Donnerstag mit Sturm- und Orkanböen über Sachsen-Anhalt hinweggezogen und hat für Schäden und erhebliche Verkehrsbehinderungen gesorgt. Die Deutsche Bahn stellte am späten Nachmittag wegen des Unwetters in ganz Norddeutschland auch den Betrieb in Sachsen-Anhalt und dem Großraum Leipzig komplett ein. Wie lange die Einschränkungen dauern könnten, war dem Unternehmen zufolge zunächst nicht absehbar. Auch der Harz-Elbe-Express ließ vom Nachmittag an zunächst auf keiner Linie mehr Strecken fahren, wie das Unternehmen mitteilte.
Bei Polizei und Feuerwehr standen die Telefone nicht still, wie mehrere Polizeisprecher berichteten. Verletzte gab es nach ersten Informationen nicht. In vielen Kreisen stürzten Bäume auf Straßen oder in Stromleitungen. Im Norden Sachsen-Anhalts waren Tausende Haushalte ohne Strom. Besonders betroffen war die Altmark, wie eine Sprecherin des Netzbetreibers Avacon sagte. Auch im Harz, in der Börde und im Jerichower Land seien vereinzelt Störungen gemeldet worden. Umstürzende Bäume hätten Leitungen beschädigt oder ganze Masten umgerissen. Wie lange die Ausfälle dauern, konnte die Sprecherin nicht abschätzen.
Auf der Autobahn 14 bei Magdeburg und auf der Autobahn 38 bei Querfurt wurden mehrere Lastwagen umgeweht. Die Bergungsarbeiten sorgten für Behinderungen. Im Kreis Stendal wurde vorsorglich der Busverkehr eingestellt.
Die Betreiber der mehr als 450 Meter langen Seilhängebrücke im Oberharz sperrten die Touristenattraktion am frühen Nachmittag ebenfalls. Man habe bereits zum zweiten Mal seit der Eröffnung diese Sicherheitsmaßnahme ergriffen, sagte ein Unternehmenssprecher. Er sei zuversichtlich, dass die Brücke am Freitag wieder öffnen könne.
Besonders heftig wehte der Wind im Oberharz und auf dem Brocken. Dort warnte der Deutsche Wetterdienst (DWD) vor extremen Orkanböen. Es seien bereits Spitzengeschwindigkeiten von knapp 180 Kilometern pro Stunde auf dem Brocken gemessen worden, sagte ein DWD-Meteorologe in Leipzig. Auch über flacheren Regionen brauste "Xavier" hinweg.
In Süplingen im Landkreis Börde etwa wurden am Nachmittag bereits Sturmspitzen von 112 Kilometern je Stunde gemessen, in Querfurt waren es 80. Laut DWD zieht das Sturmtief von Nordwesten nach Südosten über Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen hinweg. Neben Böen sei verbreitet mit Schauern zu rechnen. Auch für Freitag sagten die Meteorologen wechselhaftes und windiges Wetter mit vereinzelten stürmischen Böen voraus.
Der DWD-Meteorologe warnte davor, bei Regen unter alten oder angegriffenen Bäumen Schutz zu suchen. Da viele noch Laub trügen, seien sie windanfälliger und es könnten Äste brechen. Die Polizei mahnte die Verkehrsteilnehmer, besonders vorsichtig zu fahren.
In Hamburg hat Sturmtief "Xavier" einen Menschen getötet. Ein Baum sei in Hamburg auf das Auto des Opfers gefallen, sagte ein Feuerwehrsprecher. Der Polizei zufolge handelte es sich um eine Frau. Bei dem schweren Sturm sind außerdem im Land Brandenburg zwei Menschen ums Leben gekommen. Bei Gransee (Oberhavel) sei ein Ast in eine Windschutzscheibe geflogen und habe einen Menschen getötet. Zudem wurde in derselben Region eine Frau in einem Auto von einem Baum erschlagen, wie die Polizei in Potsdam mitteilte. Eine weitere Person starb in Mecklenburg-Vorpommern durch die Auswirkungen von Xavier.
Der Bahnverkehr wurde auf vielen Strecken komplett lahmgelegt. Betroffen war vor allem der Norden. Auch auf den Fernverkehrsstrecken Berlin-Hannover und Berlin-Hamburg rollten zunächst keine Züge mehr. Das teilte ein Bahnsprecher mit. Man wolle so vermeiden, dass Züge auf offener Strecke liegenbleiben. Die Hamburger Feuerwehr forderte die Bevölkerung auf, wegen des Sturms nicht vor die Tür zu gehen. Neben der Frau, die starb, seien mindestens zehn weitere Menschen bei dem Unwetter verletzt worden. In Hamburg habe die Feuerwehr binnen zweier Stunden über 600 sturmbedingte Einsätze gehabt.
Auch in Hannover rückten die Einsatzkräfte wegen umgestürzter Bäume und abgerissener Dachverkleidungen aus. Ein Ast durchschlug die Windschutzscheibe eines fahrenden Autos. Bei Holzminden (Niedersachsen) wurde eine Kreisstraße von einem umgestürzten Baum blockiert, außerdem stürzte ein Baum auf drei Autos – verletzt wurde jedoch niemand. In Werlte bei Osnabrück krachte ein Autofahrer in einen umgestürzten Baum.
"Warnung für Hamburg. Halten Sie sich aktuell nicht im Freien auf, bleiben Sie im geschützten Bereich", twitterte die Feuerwehr des Stadtstaates. Ein Sprecher sagte, die Feuerwehr der Hansestadt sei wegen mehrerer eingeklemmter Personen und umgestürzter Bäume zu zahlreichen Einsätzen ausgerückt. Es liefen Dutzende Notrufe ein.
Das Sturmtief brachte den Bahnverkehr in ganz Norddeutschland zum Erliegen. Die Bahn stellte den Zugbetrieb in Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bremen und auch den S-Bahnverkehr in Hamburg bis auf weiteres ein. Ursache waren auf die Gleise oder in die Oberleitungen gewehte Bäume. Auch Teile von Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern waren von Zugausfällen tangiert.
Auch die Hamburger U-Bahn war nach Angaben der Hochbahn betroffen. Aus Sicherheitsgründen gelte auf allen oberirdischen Strecken ein Tempolimit von 40 km/h, twitterte die Hochbahn.
Flugreisende mussten ebenfalls Einschränkungen hinnehmen. Wegen des heftigen Sturms im Norden mussten etliche Verbindungen ausfallen. Der Flughafen Bremen meldete drei gestrichene Flüge von und nach Amsterdam sowie eine abgesagte Maschine aus Istanbul. Auch in Hannover fielen Verbindungen mit der niederländischen Hauptstadt sowie nach Istanbul aus. In Hamburg fuhr die S-Bahn nicht mehr zum Airport. Auch wurde mit Verspätungen bei den Flügen gerechnet.
Die Internationale Gartenausstellung (IGA) in Berlin blieb wegen der Unwetterwarnung erstmals in diesem Jahr komplett geschlossen. Der Deutsche Wetterdienst hatte vor orkanartigen Böen gewarnt.
Außerdem sorgt der Sturm vielerorts für Stromausfälle. Eine aktuelle Übersicht zur Versorgungsunterbrechung des Netzes in Sachsen-Anhalt hat der Stromanbieter Avacon bereitgestellt.
In Sachsen-Anhalt richtete Xavier unter anderem in Stendal, Wernigerode, Schönebeck, Magdeburg, Staßfurt und Jerichower Land sowie in Zerbst teils erheblichen Schaden an.