Marketing Systemwechsel gegen tolle Tourismus-Bilanz
In Sachsen-Anhalts Regierungskoalition ist ein Streit um die richtige Tourismusstrategie entflammt.
Magdeburg l CDU-Fraktionsvize Lars Jörn Zimmer lud am Mittwoch die Presse zur Konferenz: Er stellte das neue Tourismuskonzept vor. Zimmer will die Marketingstrukur umkrempeln. An der Spitze des Landes soll ein Kompetenzzentrum entstehen. Eine Marketing-Agentur, die sich allein darum kümmert, Besucher anzulocken. Denn die Zahlen seien zwar nicht schlecht, aber auch nicht berauschend. Er zeigte eine Statistik von 2018: Um magere 1,2 Prozent wuchs hierzulande die Zahl der Übernachtungen. Bundesweit waren es vier Prozent. Zimmer: „Wir brauchen den Systemwechsel.“
Kaum war die Pressekonferenz beendet, fuhr ihm Wirtschaftsminister Armin Willingmann – SPD – in die Parade. „Hervorragend“ habe sich der Tourismus im Land entwickelt, lobte er in einer Mitteilung die Branche in höchsten Tönen. Er präsentierte eine Langzeitbetrachtung: Von 2013 bis 2018 stieg die Übernachtungszahl um 17,6 Prozent. Das habe über dem deutschen Mittel gelegen. Und: Dass Sachsen-Anhalt nach dem Ausnahme-Luther-Jahr 2017 im Jahr darauf sogar noch zulegen konnte, ist ihm Beleg, dass die Branche auf Erfolgskurs sei.
Fakt ist: Sachsen-Anhalt ist im Ländervergleich immer noch ein touristischer Zwerg. Mit gut acht Millionen Übernachtungen rangiert das Land an drittletzter Stelle. Trotz Harz, Luther und Bauhaus. Fakt ist auch: Sachsen-Anhalt hatte viele Jahre lang eine eigene Tourismus-Agentur: Die Landesmarketinggesellschaft entwickelte erfolgreich Marken wie „Straße der Romanik“, „Blaues Band“ oder „Gartenträume“. Vor gut zehn Jahren – das Geld war knapp – legte die Regierung unter Wolfgang Böhmer (CDU) die Tourismuswerbung und die Investorenakquise zusammen. Unter dem Dach der neuen Gesellschaft IMG. Die CDU hat diese IMG schon seit längerem auf dem Kieker. Bezeichnet sie gern als „Gemischtwarenladen ohne klares Profil“. Der Tourismus sei fünftes Rad am Wagen und gehöre wieder in eine eigene Gesellschaft. Die wiederum soll eng an den Landes-Tourismusverband angedockt werden. Verbands-Vorsitzender ist: Lars Jörn Zimmer. Die IMG wiederum ist unter den Fittichen des SPD-Ministers Willingmann. Seit Monaten gibt es ein Gezerre um Einfluss und Landesmittel.
Einig sind sich alle Experten, dass das Land zu viel brachliegen lässt. Beispiel Gesundheitstourismus. „Da gab es seit zehn Jahren keine Angebotsbroschüren mehr“, sagt Zimmer. Auch beim Thema Bauhaus komme zu wenig. Erst im September eröffnet das Museum in Dessau – wenn das Jubiläumsjahr fast vorbei ist. Thüringen war da schneller. Inhaltlich bekommt Zimmer von der SPD durchaus recht. „Beim Thema Bauhaus war das Land viel zu lahm“, sagt Holger Hövelmann. Das Land habe viele ungenutzte Potenziale, etwa bei Radwegen. „Aber eine neue Agentur bessert die Lage nicht“, meint der Tourismuspolitiker. Ähnlich sehen das die Grünen.
Minister Willingmann kündigte an, die Gelder für die IMG im Etat 2020/21 um 1,2 Millionen Euro aufstocken zu wollen. Vor allem für die Auslandswerbung. Denn bei ausländischen Gästen gingen die Übernachtungszahlen wirklich in den Keller. 2018 waren es minus 12,5 Prozent. Der Negativtrend hält 2019 an.