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Attentat an Jom Kippur Anschlag von Halle auf Synagoge - Alle Infos zum Anschlag, den Opfern des Attentats von 2019 und zum Täter

Am 9. Oktober 2019 erschütterte ein antisemitischer Anschlag in Halle die Welt. Die Absicht des Täters? An Jom Kippur – dem höchsten jüdischen Feiertag – in Halles Synagoge ein Massaker verrichten. Er tötete zwei Menschen, zwei weitere wurden schwer verletzt. In diesem Artikel werden die wichtigsten Fragen rund um den Täter und die Opfer des Anschlags beantwortet.

Von Tim Müller Aktualisiert: 09.10.2023, 09:01
Nach dem rechtsextremen Anschlag in Halle erinnerten damals zahlreiche Bürger mit Blumen und Kerzen vor dem Kiez-Döner an die Opfer.
Nach dem rechtsextremen Anschlag in Halle erinnerten damals zahlreiche Bürger mit Blumen und Kerzen vor dem Kiez-Döner an die Opfer. Archivfoto: dpa / Hendrik Schmidt

Halle (Saale)/DURAm 9. Oktober 2019 wurde in Halle (Saale) eines der schwersten rechtsextremen Verbrechen seit dem zweiten Weltkrieg begangen: Der Attentäter Stephan B. versuchte, mit Gewalt in die Synagoge der Stadt einzudringen. Die erklärte Absicht des antisemitischen und rassistischen Attentäters war es, die im Gebet an Jom Kippur – dem höchsten jüdischen Feiertag – versammelten Menschen zu ermorden. Eine Holztür verhinderte das geplante Massaker.

 
Attentat in Halle - Gedenken an die Opfer des Terroranschlags in Halle am 9. Oktober 2023. (Bericht: Christian Kadlubietz)

Als der Attentäter daran scheitert, tötet er auf dem Fußweg vor der Synagoge im Paulusviertel in Halle eine Passantin. Anschließend fährt er davon, eröffnet in einem nahen Döner-Imbiss das Feuer und tötet dabei einen Gast. Danach versucht er die Flucht zu ergreifen. Als er dabei auf drei Polizisten stößt, steigt er aus seinem Fahrzeug aus und beginnt auf die Beamten zu feuern. Bei dem Schusswechsel mit der Polizei wird B. am Hals getroffen, kann aber trotzdem flüchten.

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Kurze Zeit später geht bei der Polizei die Meldung über eine Schießerei in Wiedersdorf bei Landsberg im Saalekreis ein. Der Täter wechselt dort den Fluchtwagen, verletzt zwei Personen schwer, stiehlt anschließend aus einer Werkstatt ein Taxi und flüchtet in Richtung Autobahn 9. Nachdem er auf der Bundesstraße 91 mit einem Lkw kollidiert, können Polizisten den Attentäter festnehmen.

Wo war der Anschlag in Halle?

Der Attentäter wollte in Halles Synagoge in der Humboldtstraße im Paulusviertel ein Massaker durchführen. Dieses wurde nur durch eine Holztür verhindert, welche der Täter nicht überwinden konnte. Aus Frust schwenkte der Täter auf den „Kiez-Döner“ in der Ludwig-Wucherer-Straße um. Dort wollte er seiner Aussage nach „Nahöstlinge“ töten.

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Wer sind die Opfer des Attentats von Halle?

Die 40-jährige Jana L. wohnte nahe der Synagoge und war auf dem Heimweg als sie den Attentäter überraschte. Dieser erschoss sie kaltblütig. Über die 40-Jährige ist bekannt, dass sie großer Fan von Schlagermusik war und bei vielen Livekonzerten in der ersten Reihe saß und Autogramme ihrer Lieblingsinterpreten sammelte. Prominente wie Stefan Mross, Ella Endlich und Andrea Berg kannten sie von diversen Konzerten und äußerten große Bestürzung über ihren Tod.

Der 20-jährige Kevin S. aus Merseburg arbeitete am Tag des Anschlags auf einer Baustelle. Seine Mittagspause wollte er im nahgelegenen Dönerimbiss verbringen. Der Attentäter überraschte ihn und die restlichen Gäste des Dönerladens. Obwohl Kevin S. verzweifelt um sein Leben flehte, richtete ihn der Attentäter kaltblütig hin. Der 20-Jährige war zu seinen Lebzeiten Anhänger des Halleschen FC.

Die Gedenktafel vor dem Kiez-Döner in Halle erinnert an den Anschlag von 2019.
Die Gedenktafel vor dem Kiez-Döner in Halle erinnert an den Anschlag von 2019.
Archivfoto: dpa / Hendrik Schmidt

Neben den beiden Todesopfern gab es auch mehrere Beinahe-Opfer, welche teils lebensgefährlich verletzt wurden. Zu diesen zählen der Kurierfahrer an der Synagoge, die Verkäufer und Gäste des Dönerimbisses und Passanten auf der Straße. Der Attentäter bedrohte sie mit mehreren Handgranaten und Schüssen. Am Imbiss schoss er auf mindestens drei Passanten und verfolgte zwei davon zu Fuß weiter. Alle von ihnen konnten verletzt fliehen.

Auf seiner Flucht fuhr der Attentäter einen aus Somalia stammenden Passanten an. Dieser überlebte den Vorfall. Wie die MZ berichtete, gab der Angeklagte auf Nachfrage im Prozess zu, dass er für eine weiße Person „auf jeden Fall“ versucht hätte auszuweichen.

Als der Täter auf seiner Flucht in Wiedersdorf sein Fluchtfahrzeug wechseln wollte, drang er in das Haus von Jens und Dagmar Z. ein. Er schoss Jens Z. in den Nacken, als dieser ihm die Autoschlüssel nicht geben wollte. Als Dagmar Z. hinzueilte, schoss er auch auf sie und traf sie im Oberschenkel. Beide überlebten den Vorfall.

In einer Kfz-Werkstatt in Wiedersdorf bedrohte der Flüchtige den Kfz-Meister Kai H. mit vorgehaltener Waffe, um in dessen Werkstatt en Taxi als Fluchtwagen zu erhalten. Kai H. führte hinterher sein Überleben auf sein deutsches Aussehen zurück. Der Halle-Attentäter bedrohte in der Werkstatt außerdem den anwesenden Taxiunternehmer Daniel W. und seinen Bruder.

 
Archiv, 9.10.2020: Ein Jahr nach Halle-Attentat - Zwischen Traum und Trauma.(Bericht: Samantha Günther)

MZ-Serie zum Anschlag von Halle

Was hat sich in Halle seit dem Anschlag von 2019 getan? Rückt die Zivilgesellschaft enger zusammen?

In elf Teilen wird die MZ dieser Frage nachgehen. Die Besonderheit: Jeder Serienteil wird auch interaktiv in der Innenstadt eine Rolle spielen. Dazu werden große Bodenaufkleber mit QR-Codes verteilt – vor der Synagoge, am Bahnhof, auf dem Boulevard und rund um den Markt.

Und auf dem Entenplan in Merseburg. Passanten können mit ihren Handys den Code scannen. Sie sehen dann kurze Videos, in denen die Protagonisten der Serie ihre Eindrücke schildern.

Teil 1 der Serie: Wunde, die nie heilt: Zeitzeugen sprechen über Terror am 9. Oktober in Halle

Teil 2 der Serie: Mit Video: Rabbinerin war in der Synagoge: „Ich gebe dem Täter keine Plattform“

Teil 3 der Serie: Mit Video: Lisa Ebert wohnt an der Synagoge: „Ich hätte das Opfer sein können“

Teil 4 der Serie: Mit Video: 90 Sekunden reichen - Leipzigerin schafft Gedenkkultur auf Tiktok

Teil 5 der Serie: Mit Video: Halles OB Wiegand - „Man kann den Terror nicht ungeschehen machen“

Teil 6 der Serie: Mit Video: Anschlagsopfer Jana: „Sie hatte ein reines Herz“

Teil 7 der Serie: Mit Video: Antisemitismus noch da - „Was haben wir falsch gemacht?“

Teil 8 der Serie: Mit Video: Vier Jahre nach dem Terror - Niemals ohne Kevin

Teil 9 der Serie: Mit Video: Angst nach Terror - „Es gibt nicht nur Judenhass“

Teil 10 der Serie: Mit Video: Lehren des 9. Oktober - so reagiert die Polizei auf Falschmeldungen im Netz

Teil 11 der Serie: Mit Video: Antworten aus Halle - „Wie haben Sie den 9. Oktober erlebt?“

Anschlag in Halle 2019 - Wer ist der Täter?

Stephan B. – der Attentäter von Halle – war zum Zeitpunkt der Tat 27 Jahre alt. Er wuchs in der Nähe von Halle auf, in Benndorf im Landkreis Mansfeld-Südharz und galt während seiner Jugend- und Wehrzeit als „eher unauffällig“. Er begann an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg die beiden Studiengänge Chemieingenieurswesen und Chemie, welche er beide nach je zwei Semestern abbrach. Anschließend lebte er erwerbslos bei seiner Mutter, die seinen Lebensunterhalt finanziert haben soll.

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Wie Sachverständige vor Gericht belegten, radikalisierte er sich vor allem mit der Hilfe des Internets. Dort traf er sich auf einschlägigen Imageboards mit Gleichgesinnten aus aller Welt und bildete seine antisemitische und rassistische Ideologie. Ermittler fanden auf seinen Festplatten Adolf Hitlers Programmschrift „Mein Kampf“, Dateien mit Hitlerbildern, Hakenkreuzen und Gewaltvideos, darunter ein Video vom Terroranschlag in Christchurch und Videos mit grausamen Morden und Hinrichtungen, etwa des Islamischen Staates.

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Als „Vorbild“ verehrte er Brenton Tarrant, den Attentäter von Christchurch. Nach dessen Attentat begann B. sich zu bewaffnen. Für ihn als „unzufriedenen weißen Mann“ stellten Juden angeblich das größte Problem dar. Er sah sie als Ursprung allen Übels: Der Flüchtlingskrise, der Emanzipation von Frauen und seiner eigenen Erfolgslosigkeit. Aus diesem Grund war sein Vorhaben, an Jom Kippur – dem höchsten jüdischen Feiertag – ein Massaker zu begehen.

 
Stephan B. ist zur Höchststrafe verurteilt worden: Lebenslange Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung.(Bericht: Samantha Günther)

Wie lief der Prozess nach dem Anschlag von Halle ab?

Am 21. Juli 2020 begann der Prozess gegen den Attentäter von Halle. Neun Monate nach seiner Tat. Verhandelt wurde aus Platzgründen in einem Saal des Landesgerichts in Magdeburg. Zuständig für den Fall war der erste Strafsenat des Oberlandesgerichts Naumburg. B. gestand seine Tat bereits am ersten Prozesstag. Reue zeigte er dabei bis zum Ende nicht. Insgesamt wurde der Fall an 26 Tagen verhandelt, bis im Dezember 2020 ein rechtskräftiges Urteil gesprochen wurden.

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Urteil zum Anschlag in Halle

Stephan B. wurde am 21. Dezember 2020 vom Oberlandesgericht Naumburg unter anderem wegen zweifachen Mordes und 68 Mordversuchen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Die Richter stellten die besondere Schwere der Schuld fest.

Damit sprachen sie dem Attentäter die Höchststrafe aus. Eine vorzeitige Entlassung aus der Haft ist ausgeschlossen, da das Gericht B. als voll schuldfähig einstufte.

Nachdem B. mehrfach versucht hat, aus der JVA in Burg auszubrechen, wurde er inzwischen in ein Gefängnis außerhalb von Sachsen-Anhalt verlegt.