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50 Aussteller am Wochenende in Magdeburg / Kunden zwischen 15 und 70 Jahre alt Tattoo-Expo: Nadeln, Drachen, heiße Typen

Von Bernd Kaufholz 07.05.2012, 03:29

Mehr als 50 Aussteller haben am Wochenende bei der 14. Tattoo-Expo in Magdeburg alles gezeigt, was zum Hautbild-Handwerk dazugehört. Wer wollte, konnte sich gleich in den Messehallen sein Lieblingsmotiv stechen lassen.

Magdeburg l Erotikdarstellerin "Kitty-Core" lässt fix die Hüllen fallen. "Guck mal, sieht doch toll aus, oder?", zeigt die Magdeburgerin ihren tätowierten Körper und deutet auf die linke Po-Backe mit der netten Blauschrift: "Schöne Grüße aus dem Osten". Die Schwarzhaarige gehört - das ist ganz deutlich zu sehen - zu den Tattoo-Fans und deshalb ist für sie ein Besuch der Expo am Wochenende auch Pflicht.

Zu denen, die in den Magdeburger Messehallen etwas dafür tun wollen, damit das Tätowieren noch mehr aus der Knast-Ecke raus und in die Kunstecke rein kommt, gehört Guido Tennstädt, den alle nur "Tenne" nennen. Gleich nach der Wende hat er seinen "Tattoo Hard Work Shop" in Magdeburg eröffnet. Doch Erfahrungen mit der "blauen Kunst", die heute auch eine bunte ist, hatte er bereits vorger gesammelt.

"Noch zu DDR-Zeiten habe ich bei mir selbst begonnen. Ganz primitiv, nicht sehr künstlerisch, dafür aber infektionsgefährlich. Einfach so zum Spaß, irgendwie, um aufzufallen."

"Bei Porträts von Freund, Freundin und Eheleuten ist das Risiko zu groß."

Nach der Grenzöffnung habe er in Hannover in einem Tattoo-Studio seinen Mentor gefunden und eine richtige Ausbildung im Tätowier-Handwerk durchgezogen. An sein erstes Motiv könne er sich noch genau erinnern: "Sterne und dunkle Dämonen - auch übrigens heute noch sehr beliebte Motive."

Inzwischen ist kaum noch eine Stelle seines Körpers frei. (Über Intim-Tattoos - ein weites Feld mit viel Zulauf - haben wir nicht gesprochen.)

Zu "Tenne" kommt das Altersspektrum zwischen 16 und 70. Sein ältester Kunde war sogar schon 73 Jahre alt. Dessen Enkel hatten ihm die Sitzungen geschenkt. Der Rentner ließ sich ihre Namen und Initialen tätowieren.

Jugendliche kommen bei "Tenne" allerdings nur mit Einwillligungserklärung der Eltern unter die Nadel. "Ein professioneller Tätowierer schaut nicht nur aufs Geld, er spricht auch mit den Kids." Denn ein Tattoo sei heute schnell gemacht, aber Jugendliche seien "sehr sprunghaft" und manche würden schon bald bereuen, dass sie sich ein Hautbild stechen ließen.

Porträts seien seit einiger Zeit sehr gefragt, so der Tätowierer. "Viele Eltern lassen sich die Gesichter ihrer Kinder verewigen." Der Trend gehe auch dahin, dass die Porträts von Verstorbenen - zum Beispiel der Großeltern - als Hautbild getragen werden. Sozusagen ein wandelndes Fotoalbum.

Zu den Tattoo-Rennern gehören immer noch asiatische Motive wie Drachen.

Dass Freund und Freundin, Ehemann und Ehefrau ihre Konterfeis gegenseitig tragen, habe hingegen abgenommen. "Tenne": Das Risiko ist zu groß. Und das Überdecken des Altbildes kostet Zeit, Geld und Schmerzen. Denn trotz der heutigen Tätowiermaschinen: "Tattoos ohne Schmerzen gibt es nicht".

Das erfährt gerade auch Michelle aus Genthin. Die 21-Jährige liegt auf dem "Behandlungssofa" von "Vale Tudo", einem Studio aus dem niedersächsischen Burgdorf. Ihr Freund hält ihr die Hand. "Ich habe schon seit eineinhalb Jahren überlegt, ob ich mir etwas stechen lasse", quetscht die junge Frau durch ihre zusammengebissenen Zähne den Satz heraus. Ein Stern mit Leopardenmuster ist das Motiv in Bauchnabelnähe. Freund Gordon hingegen hat sich kurzfristig entschlossen: "Ich lasse mir Michelles Namen auf den Arm tätowieren", drückt er die Hand der Bauchfreien noch ein wenig stärker.

"Hammer, Sichel, Ährenkranz wären keine schlechte Idee."

Carlos Corzario kommt aus Santiago de Chile, und er ist das erste Mal bei einer Tattoo-Expo in Magdeburg. Er stellt in Deutschland seine Arbeiten vor, "weil es in meiner Heimat nicht so viele Möglichkeiten gibt". Damit sich die weite Reise auch lohne, nehme er gleich an fünf Messen teil, neben Magdeburg in Leipzig, Frankfurt am Main, Chemnitz und Bremerhafen. Chile, da denkt man auch an Margot Honecker. "Ja, ja, Señora Honecker, 85. Geburtstag und so." Aber Kundin sei sie bei ihm nicht, schmunzelt Carlos. "Aber vielleicht wären ¿Hammer, Sichel Ährenkranz\' oder ein einfacher roter Stern gar keine schlechte Idee."

Peter Siwak ist der Mann, der für die "schönste Wade im deutschen Handball" verantwortlich ist. Der Chef des gleichnamigen Tattoo-Studios in Magdeburg-Ottersleben erzählt wie er Stefan Kretzschmar kurz nach seinem Wechsel zum SC Magdeburg kennengelernt hat. "Er wollte sich seine damalige Lieblingsband ,Danzig\' auf die Brust tätowieren lassen. Was er mir nicht gesagt hat, war, dass er am Nachmittag noch einen OP-Termin hatte." Als der Arzt das frische Tatto gesehen habe, sei dieser fast aus dem Anzug gesprungen. Der Eingriff sei um vier Wochen verschoben worden.

Zum Porträt von Kretzsches Ex Franziska van Almsick auf der Wade hält sich Siwak bedeckt. "Da müssen Sie Stefan selbst fragen. Nur so viel: Stefan ist einer, der nichts bereut und 100-prozentig zu seiner Vergangenheit steht." Ein Abdecken des Ex-Schwimmstar-Portäts komme für Kretzschmar deshalb nicht in Frage.