Tourismus Gaffert spricht über Harzer Seilbahn-Projekt
Im Interview schildert Wernigerodes Oberbürgermeister Peter Gaffert, wie das Umweltministerium versucht, die Seilbahnpläne zu durchkreuzen.
Wernigerode will mit Seilbahn und Skigebiet in Schierke den Tourismus ankurbeln. Umweltministerin Claudia Dalbert (Grüne) lehnt das Vorhaben ab und sendet immer wieder Störfeuer. Hat das Projekt noch eine Chance?
Volksstimme: Herr Gaffert, reden Sie noch mit der Umweltministerin?
Peter Gaffert: Ja, schon. Zuletzt im Frühsommer, als die Grünen in Schierke waren.
Reden Sie mit ihr auch über das Seilbahnprojekt?
Nein. Das sind ja auch Plan- und Verwaltungsverfahren, aus denen sich normalerweise Politik herauszuhalten hat. Daher bin ich ziemlich irritiert, wenn jahrelang vorbereitete Verfahren dann urplötzlich vom Umweltministerium in Magdeburg gestoppt oder torpediert werden.
Das krasseste Beispiel war der verabredete Waldflächentausch zwischen dem Land und der Stadt Wernigerode. Der war drei Jahre lang vorbereitet worden. Wir hatten einen Termin für die Vertragsunterzeichnung. Fünf Minuten davor sagte das Ministerium ab – per Telefon. Das war ein Schock. Wir haben danach viele Gespräche geführt. Doch mit Ministerin Dalbert war keine Einigung zu erzielen. Dann hat Ministerpräsident Haseloff die Unterschrift durchgesetzt.
Das war im Januar und die Ministerin meinte, die Harzmafia habe sich durchgesetzt. Hat sie sich bei Ihnen entschuldigt?Nein. Aber es betraf ja nicht nur mich. Ich habe gesagt, dass ich eine solche Äußerung für unwürdig halte. Ich dachte, es bleibt ein Einzelfall. Doch jetzt rollte uns das Ministerium die nächsten Steine in den Weg.
Was steckt dahinter?
Es geht um Ausgleichsflächen. Da für die Seilbahn Bäume gefällt werden müssen, sind wir verpflichtet, an anderen Stellen Wald aufzuforsten. Dafür benötigen wir etwa 20 Hektar Flächen. Und wir benötigen die Zustimmung von den Eigentümern. Das haben wir in aufwändigen Verfahren geregelt – auch mit dem Land. Eine dieser Flächen – eine knapp 7 Hektar große Wiese – gehört Sachsen-Anhalt. Dafür zuständig ist der Landesforstbetrieb – der dem Umweltministerium untersteht. Nach langen Verhandlungen hatten wir einen Vorvertrag formuliert. Der sollte im September unterschrieben werden. Doch dann sagt das Ministerium wieder urplötzlich ab.
Gab es einen Grund?
Im Schreiben hieß es: Wegen der anhaltenden Trockenheit und des Futtermangels sei Wiese wichtiger als Wald. Einfach nur hanebüchen. Aufgeforstet wird schließlich erst, wenn der Bau genehmigt ist.
Sie setzten der Regierung ein Ultimatum: Unterschrift oder die Seilbahn stirbt. Wie ernst war es wirklich?
Ich war sprachlos – und sauer. Das ist keine verlässliche Politik. Das ist Politik nach Gutsherrenart. Darum der hohe Druck. Danach hat sich offensichtlich wieder der Ministerpräsident eingeschaltet. Dann kam ein Schreiben von Frau Dalberts Staatssekretär Rehda: Natürlich bekämen wir die Flächen – wenn das mal erforderlich ist. Das ist natürlich Unsinn.
Das ist nicht irgendwann mal, sondern jetzt erforderlich. Das weiß auch das Ministerium. Wenn wir die Flächen im laufenden Raumordnungsverfahren nicht nachweisen, dann scheitern wir, und dann ist das Seilbahnprojekt tot. Daher war die Lage sehr ernst. Inzwischen sind die Verträge unterzeichnet.
Ministerin Dalbert will, dass Sie scheitern?
Die beschriebenen Aktionen lassen das vermuten. Man kann zu dem Projekt ja stehen wie man will: Aber im Rechtsstaat ist die Planung eines solchen Vorhabens ein Verwaltungsverfahren – und da hat sich Politik herauszuhalten.
Aber nun bringt das Umweltministerium schon den nächsten Stein ins Rollen. Worum geht es?
Zur Erklärung: Die Seilbahn tangiert an einer Stelle auch streng geschütztes FFH-Gebiet. Wir sind daher gesetzlich verpflichtet, an einer anderen Stelle eine Fläche naturschutzfachlich aufzuwerten. Das heißt: besonders zu schützen. Das Gesetzt spricht von Kohärenzflächen.
Dafür ist ein 90 ha Hektar großer Fichtenwald am Kleinen Winterberg vorgesehen. Die Fläche gehört dem Land; der Forstbetrieb war einverstanden. Jetzt teilt uns das Umweltministerium mit: Man will das in dieser Region bereits vorhandene FFH-Gebiet erweitern – bis über den Kleinen Winterberg. Also genau dort, wo wir bauen und Flächen aufbessern wollen. Das würde dann aber nicht mehr gehen. Eine Fläche, die bereits FFH ist, kann nicht noch aufgewertet werden.
Warum nehmen Sie nicht irgendeine andere Fläche?
Das geht nicht. Man kann nicht irgendeine Fläche z. B. in der Altmark aufwerten, wenn im Oberharz eine Seilbahn gebaut wird. Wenn auf 700 Meter Höhe ein FFH-Gebiet beeinträchtigt wird, muss auf etwa gleicher Höhenlage, im ähnlichen Lebensraum ein anderes Areal aufgewertet werden. Wir haben den Vorschlag des MULE abgelehnt, da seit Jahren eine andere Planung auf der Fläche liegt.
Also steht die Seilbahn wieder vor dem Aus?
Wenn sich Ministerin Dalbert durchsetzt, hätte das natürlich Auswirkungen. Das Raumordnungsverfahren könnte scheitern. Wir könnten das Projekt Seilbahn so nicht umsetzen. Wir halten das Vorgehen für nicht rechtmäßig.
Muss der Regierungschef wieder eingreifen?
Ich hoffe, dass Frau Dalbert für ihre Pläne im Kabinett keine Zustimmung bekommt.
Warum laden Sie die Ministerin nicht mal zum Friedensgipfel auf den Brocken ein?
Ich habe das mehrfach versucht. Aber ich komme bei Frau Dalbert da nicht weiter. Sie ist klar gegen das Projekt. Sie lässt sich auf keinerlei Gespräche ein.
Sie waren viele Jahre lang Nationalparkchef. Nun kämpfen Sie für eine Seilbahn im schönen Harzwald. Haben Sie manchmal ein schlechtes Gewissen?
Ich bin von Beruf Förster. Ich habe fast 20 Jahre lang im Naturschutz gearbeitet und wahrscheinlich deutlich mehr für den Naturschutz getan, als all die Leute, die mir heute Naturzerstörung vorwerfen wollen.
Auch als Nationalpark-Dikektor habe ich die schwierige Entwicklung von Schierke gesehen. Durch die deutsche Teilung und die Lage im Sperrgebiet war der Ort der große Verlierer im Harz. Der einstige renommierte Kurort war völlig heruntergekommen. Dann fiel die Mauer, und Schierke hatte große Erwartungen.
Dann kam der Naturschutz und hat wieder Restriktionen über diesen Ort gelegt. Ich habe mich schon damals für Kompromisse eingesetzt- für die Entwicklung des Ortes wurde eine Fläche aus dem Nationalpark ausgegliedert. 2008 wurde ich Oberbürgermeister, 2009 der Ort nach Wernigerode eingemeindet. In Schierke hatte sich die Einwohnerzahl gegenüber 1991 halbiert. Straßen, Brücken, Hotels, alles war kaputt. Es war ein sterbender Ort. Ich habe damals gesagt, für Schierke gibt es zwei Wege: Entweder bleibt es der Parkplatz für den Brocken. Oder wir machen daraus wieder einen touristischen Hotspot.
Kritiker verweisen auf den Klimawandel. Ein Wintersportzentrum ohne Schnee – was soll das?
Vor 30 Jahren hieß es: der Wald stirbt. Vor 20 Jahren hieß es: Es gibt keinen Schnee mehr. Alles ist nicht eingetroffen. Wir hatten auch in den letzten Jahren schneereiche Winter. Auch 2018 lief es hervorragend. Unsere Eisarena hatte trotz aller Unkenrufe 40 000 Besucher. Doppelt so viele wie erwartet. Und wenn mal Schnee fehlt, wird die Beschneiungsanlage angeworfen. Zudem läuft die Seilbahn auch im Sommer; auf der Mittelstation bauen wir einen Wasserspielplatz und ein Luchs-Erlebniszentrum.
Aber es geht um die nächsten Jahrzehnte. Wenn ich immer nur die Risiken sehe, kann ich gar nichts machen. Auch an der Ostsee gibt es mal verregnete Sommer, und dennoch wird dort kräftig in den Tourismus investiert. Sachsen-Anhalt ist aber oft mutlos und macht Investoren das Leben schwer. Der Seilbahnplaner, der auch das Vorhaben in Schierke projektiert, hat schon weltweit 1600 Skigebiete geplant. Die sagen: Ein solches Verfahren wie hier in Sachsen-Anhalt haben sie noch nie erlebt. So kompliziert, so ausschweifend.
Hat der sanfte Tourismus keine Chance mehr?
Der hat doch auch weiterhin seinen Platz. Nur: Wenn Investoren bei mir sind, dann fragen sie: Warum soll ich bei Ihnen Geld lassen? Ich sage: Weil es schön ist. Dann sagen die: Schön ist es woanders auch. Wenn ich dann beispoelsweise die Feuersteinarena und unserer Seilbahnpläne zeige, dann ist plötzlich Interesse da.
Und die Ergebnisse geben uns doch recht: Schierke blüht wieder auf, die Abwanderung ist gestoppt. Das desolate Heine-Hotel ist weg, jetzt stehen dort schicke Ferienhäuser. Ein italienisches Speiserestaurant wird gerade gebaut. Und 2019 startet der nächste große Hotelbau. Die Halbjahresbilanz 2018 liegt vor. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verzeichnet Schierke bei Hotelübernachtungen ein Plus von 25 Prozent. In Wernigerode waren es 13 Prozent, das Landesmittel liegt bei 1,4 Prozent.
Wann wird die Seilbahn gebaut?
Wir gehen davon aus, dass Ende 2019 die Baugenehmigung vorliegt.
Sie bauen im Schutzgebiet, Umweltschützer kündigten schon Klagen an, die Baukosten schnellen in die Höhe - ist ihr Plan noch realistisch?
Seit drei Jahren arbeiten wir mit dem Investor daran, insbesondere die Naturschutzbelange zu berücksichtigen und alle Hürden wegzuräumen: Die Eingriffe wurden minimiert, die Trasse wurde mehrfach verlegt, Flächen werden aufgeforstet, Wald wird aufgewertet. So kann das Genehmigungsverfahren aus unserer Sicht jetzt zügig über die Bühne gehen und das Klagerisiko wird zumindest minimiert. Es ist ein sehr anspruchsvolles und komplexes Vorhaben, wahrscheinlich die aktuell größte touristische Investition in Sachsen- Anhalt – und eine riesige Chance zugleich. Wir bleiben am Ball. Und der Investor will das auch. Ich bleibe optimistisch.