Bahn-Verkehr Trotz Streiks: Züge in Sachsen-Anhalt mit Rekord-Passagierzahl
42 Millionen Menschen fahren mit der Bahn – trotz Baustellen, Streiks und Verspätungen. Die Verkehrsministerin bezeichnet das Deutschlandticket als Erfolg.
Magdeburg. - Das Deutschlandticket ist in Sachsen-Anhalt ein Erfolg. Das zeigt die aktuelle Bilanz des Schienennahverkehrs 2023. So nutzten im vorigen Jahr 42 Millionen Reisende Sachsen-Anhalts Regional- und S-Bahnen. Das sind fünf Millionen mehr als im Vorjahr und ein Zuwachs von 14 Prozent. Im Vergleich zu 2019, dem Jahr vor der Coronakrise, liegt das Plus sogar bei 35 Prozent. Bei der Verkehrsleistung – hier werden Reisende und zurückgelegte Strecken gezählt – verzeichnet Sachsen-Anhalts Schienen-Nahverkehr 2023 sogar einen Rekord (siehe Grafik).
„Das Deutschlandticket hat dazu geführt, dass mehr Menschen die Bahn im Nahverkehr nutzen“, sagte Verkehrsministerin Lydia Hüskens (FDP). Und das trotz Streiks, Baustellen und Vollsperrungen. „Wir zählen vor allem deutlich mehr Reisende bei Freizeitfahrten“, sagte Hüskens. „Einen Zuwachs an Berufspendlern gibt es nur dort, wo das Angebot passt.“ Seit Mai 2023 kann man mit dem Deutschlandticket für 49 Euro im Monat mit dem Nahverkehr quer durch Deutschland fahren.
Das Verkehrsministerium hat auf Anfrage der Volksstimme die Daten zur Verfügung gestellt. In allen Regionalzügen wird über Lichtschranken an den Waggontüren die Zahl der Reisenden ermittelt. Auf welchen Linien gab es die größten Zuwächse? Die Volksstimme hatte vor allem Strecken im Landesnorden abgefragt.
Regionalexpress nach Leipzig führt
Spitzenreiter ist der Regionalexpress von Magdeburg nach Leipzig. Seit 2019 stieg die Zahl der Reisenden von einer Million auf fast 2,5 Millionen. Ein Zuwachs um 153 Prozent. Allerdings gab es eine Besonderheit: Wegen Bauarbeiten musste der Intercity nach Leipzig einen zeitraubenden Umweg fahren - möglicherweise sind auch etliche auf den preisgünstigeren Regionalexpress umgestiegen.
Die zweitgrößte Zuwachsrate verzeichnet die Regionalbahn Stendal – Rathenow. Die Linie zählt mit 266.000 Reisenden zu den kleinen des Landes – doch im Vergleich zu 2019 stieg die Nachfrage um 116 Prozent. Hier wirkt das Deutschlandticket besonders stark. Denn: Die Bahnen durchfahren verschiedene Verkehrsverbünde, „deswegen wurden sie früher nicht so gut angenommen“, sagt Hüskens. Doch dieses Problem hat sich mit dem bundesweit gültigen Ticket erledigt. „Das merken wir vor allem an Wochenenden“, sagt Peter Panitz, Geschäftsführer der Nahverkehrsgesellschaft Nasa. Dann fahren viele mit Regionalzügen von Hannover über Stendal und Rathenow nach Berlin und umgekehrt. Mehrfache Umstiege werden in Kauf genommen – der Preis lockt. Der ICE ist zwar wesentlich schneller, eine Hin- und Rückfahrt kostet aber mindestens 60 bis 100 Euro.
Magdeburg – Berlin begehrt
Große Zuwächse verzeichnen auch die Linien Burg-Magdeburg-Braunschweig (93%), Magdeburg-Halle (92%) und Magdeburg-Oschersleben (67%). Recht verhalten entwickelten sich die Linien Halberstadt-Blankenburg (12%) und Magdeburg-Wolfsburg (13%).
Nach absoluten Zahlen ist der Regionalexpress RE 1 von Magdeburg nach Berlin die stärkste Linie im Landesnorden. 2,6 Millionen Menschen nutzten den Zug 2023. Das sind 30 Prozent mehr als 2019. Der RE 1 übertrumpfte 2023 die bis dahin führende S-Bahn Schönebeck – Magdeburg – Wittenberge (2,5 Millionen Fahrgäste).
Die Nasa analysiert auch einzelne Streckenabschnitte. An der Landesspitze liegt 2023 die Strecke von Halle zum Flughafen Leipzig – diese nutzten im Schnitt 9.400 Pendler pro Werktag. Dann folgt Schönebeck-Magdeburg mit werktäglich 7.600 Pendlern. Große Zuwächse verzeichnen im Vergleich zu 2019 die Abschnitte Magdeburg – Helmstedt (+123%), Calbe – Köthen (+121%) und Salzwedel – Uelzen (+96%).
Das Verkehrsministerium erhöhte auf einigen Linien die Kapazitäten. So fahren von Stendal nach Rathenow sowie von Uelzen nach Salzwedel seit Dezember mehr Züge. Im Dezember 2024 folgen weitere Aufstockungen – so etwa auf der Linie Magdeburg – Braunschweig an den Wochenenden.
Wenn das Land mehr Züge einsetzen will, muss es diese bei Bahnunternehmen wie DB Regio, Odeg, „HANS“ oder Abellio ordern. Sachsen-Anhalt erhält für Bestellung und Infrastruktur im Schienennahverkehr pro Jahr gut 500 Millionen Euro vom Bund. Die Ticketeinnahmen tragen nur etwa 20 bis 30 Prozent der Kosten. Bund und Länder finanzieren zudem das Deutschlandticket bundesweit mit drei Milliarden Euro. Hüskens erwartet, dass es 2024 beim Monatspreis von 49 Euro bleibt.
Mehr Verspätungen
Die Nachfrage steigt – obgleich die Bahn unzuverlässiger wurde. Der Anteil der Ausfälle kletterte von 3,8 Prozent (2022) auf 6,5 Prozent. Der Anteil pünktlicher Regionalzüge fiel von 94 Prozent (2021) auf 88 Prozent. Das Land kann bei Mängeln von den Bahnunternehmen „Minderungen“ kassieren. Für 2022 und 2023 laufen aber noch die Berechnungen – „denn wir müssen die Randbedingungen berücksichtigen“, sagte Nasa-Chef Panitz. Dazu zählen ungeplante Baustellen (wegen maroder Schwellen) oder nicht besetzte Stellwerke durch die DB Netz.