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Chronologie einer 30 Kilometer langen und 750 Meter breiten Waldschneise / Von Hitlers Waffenschmiede zum modernen Stützpunkt der Roten Armee Von Heeresversuchsobjekt zur Sowjetgarnison

Von Matthias Fricke 22.03.2013, 02:17

Hillersleben. Seit den 30er Jahren wird die Colbitz-Letzlinger Heide militärisch genutzt. Entstanden ist das Gelände für die deutsche Wehrmacht, genutzt wurde es später von der Sowjetarmee. Die Chronologie einer "verbotenen Stadt":

1934 - 1939, Großbauern aus Hillersleben und Neuenhofe werden enteignet. Sie müssen umziehen. Das Heer übernimmt die Regie. Die Planer ziehen in das ehemalige Bauernhaus ein, das noch heute von einigen Hillerslebern als "Heeresneubauamt" bezeichnet wird. Rund 3000 Bauarbeiter sind mit dem Aufbau der Gebäude der geheimen Heeresversuchsanlage beschäftigt. Es entsteht eine ganz neue Siedlung für Armeeangehörige und Zivilangestellte. Zeitgleich entsteht nördlich eine 30 Kilometer lange und 750 Meter lange Schneise im Wald. Entlang der Schießbahn kann die Waffenwirkung aus 33 volltreffersicheren Unterständen beobachtet werden. Auf dem Schießplatz gibt es eine Kommandantur, ein Versorgungskommando sowie eine Heeres-Standort-Verwaltung. Vor allem sogenannte Wunderwaffen wie die "Dora" werden hier getestet. Diese bis heute größte Kanone verschießt 7 Tonnen schwerere Granaten. Propagandaminister Joseph Goebbels und Adolf Hitler suchen die Anlage mehrmals persönlich auf.

1941 wird im Herbst das erste einlagige Selenrohr auf dem Schießplatz auf einer Behelfslafette eingeschossen. Neben Artilleriegeschützen erprobt die Wehrmacht hier auch Fahrzeuge, Panzer und vor allem auch die Bunkeranlagen.

1945, der Platz wird von der Wehrmacht kampflos an die anrückenden Amerikaner übergeben. US-Spezialisten rücken an und untersuchen ihn. Zahlreiche Geheimunterlagen und Geräte sollen dabei beschlagnahmt und in die USA gebracht worden sein. Die Überlebenden eines KZ-Zuges aus Bergen-Belsen, die bei Wolmirstedt entdeckt worden sind, werden nach Hillersleben zur Pflege gebracht. Alle im Beamtenviertel wohnenden Deutschen müssen binnen 15 Minuten ihre Wohnungen verlassen. Sie dürfen nicht wieder zurück. Die befreiten jüdischen Häftlinge wohnen vorübergehend in den Häusern. Die letzten verlassen im August Hillersleben. Die Verstorbenen werden im Park des Beamtenviertels beigesetzt. Heute befindet sich dort der jüdische Friedhof.

Juli 1945, im Juli kommt die Rote Armee auf den Stützpunkt. Sie übernimmt erst die Kaserne und anschließend das Beamtenviertel. Es entsteht eine Stadt, die Hillersleben teilt.

In den 50er Jahren errichten die Russen einen Zaun aus Bretterplanken, bis dahin war das Gelände noch nie umzäunt.

70er Jahre, der Zaun wird durch eine hohe Mauer ersetzt. Immer mehr Armeeangehörige werden auf dem Stützpunkt stationiert. 1968 errichten die Sowjets den ersten von mehreren weiteren Wohnblocks. Es gibt unter anderem ein Krankenhaus, Offizierscafés, Geschäfte, eine Schule mit Turnhalle und zwei Kinos.

1989, von der Grenzöffnung zeigen sich die Soldaten zunächst unbeeindruckt. Allerdings lockert sich das Verhältnis. In den russischen Geschäften können die Deutschen zollfrei Zigaretten und Spirituosen aus westlicher Produktion einkaufen. 1991 werden aus der "Sowjetarmee" die GUS-Truppen.

1994, Abzug der letzten stationierten Streitkräfte aus Hillersleben.

1995, Hunderte kommen zum Tag der offenen Tür, wer will, kann sich in eine Liste eintragen, wenn er ein Haus zum symbolischen Preis von einer Mark kaufen möchte. Doch dazu kommt es nie. Das Projekt scheitert. In den folgenden Jahren verfallen die Gebäude zusehends. Es gibt viele Investoren, die nichts realisieren, und noch mehr Buntmetalldiebe, die alles stehlen.