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Stefan Caspari, Vorsitzender Richter einer Strafkammer am Dessauer Landgericht, über die Rechte bei einer vorläufigen Festnahme Wann dürfen die Handschellen klicken und wen darf ich anrufen?

Magdeburg I Es könnte jeden treffen. Eine falsche Verdächtigung, zur falschen Zeit am falschen Ort und schon droht eine vorläufige Festnahme. Wie man sich dabei verhalten sollte, darüber sprach Matthias Fricke mit Strafrichter Stefan Caspari vom Landgericht Dessau-Roßlau.

14.12.2013, 01:06

Volksstimme: Wie muss ich mich bei einer vorläufigen Festnahme durch die Polizei verhalten?

Stefan Caspari: In jedem Fall Ruhe bewahren und keinen aktiven Widerstand leisten. Das wäre sogar eine Straftat. Zudem würde eine Gegenwehr in der Regel dazu führen, dass die Polizei ihrerseits Gewalt anwendet und damit die Festnahme durchsetzt. Die Dauer einer Festnahme kann oft abgekürzt werden, wenn der Festgenommene seine Personalien freiwillig angibt. Das Vorlegen von Papieren, aber auch das Benennen von anderen Personen, die einen kennen, hilft.

Volksstimme: Wie geht die Polizei vor?

Caspari: Solange man sich kooperativ zeigt, wird die Polizei den angewendeten Zwang auf ein Minimum begrenzen. Zur eigenen Sicherung der Polizeibeamten wird sich der Festgenommene aber zum Beispiel das Anlegen von Handfesseln (Handschellen) gefallen lassen müssen, etwa wenn er im Auto zum Polizeirevier gebracht wird. Im Übrigen darf und wird die Polizei die Mittel anwenden, die erforderlich sind, um die Festnahme auch zwangsweise durchzusetzen. Das kann auch mit körperlicher Gewalt geschehen.

Volksstimme: Welche Rechte habe ich, wenn ich als Verdächtiger einer Straftat vorläufig festgenommen werde?

Caspari: Die Strafprozessordnung regelt, dass ein Festgenommener unverzüglich und schriftlich über seine Rechte zu belehren ist. Dies geschieht durch Hinweisblätter, auf denen alle Rechte aufgeführt sind. Wenn diese nicht verstanden werden, müssen sie von der Polizei mündlich erklärt werden. Zu den Rechten gehört, dass schnellstmöglich entschieden werden muss, ob der Erlass eines Haftbefehls beantragt werden soll. Man darf sich zu Vorwürfen äußern und einen Verteidiger befragen. Auch eine Person des eigenen Vertrauens kann über die Festnahme informiert werden. Entgegen einem verbreiteten Irrtum hat dabei der Festgenommene nicht nur einen Anruf frei. Ihm sind auch mehrere erlaubt, wenn dies nötig ist, um einen Anwalt zu finden, der bereit ist, ihn aufzusuchen oder falls nötig, um eine Vertrauensperson von der Festnahme zu unterrichten. Andererseits kann dem Festgenommenen auch schon ein Telefonat verwehrt werden, wenn es nicht der Kontaktaufnahme mit einem Anwalt oder einer Vertrauensperson dient.

Volksstimme: Bis wann muss nach einer Festnahme ein Staatsanwalt und bis wann ein Richter informiert sein?

Caspari: Länger als bis zum Ende des Tages, der auf den Tag der Festnahme folgt, darf niemand ohne richterliche Entscheidung festgenommen bleiben. Dies ist aber nur die Höchstfrist. Es besteht ein Anspruch darauf, dass man als Festgenommener schnellstmöglich einem Richter vorgeführt wird, der auf Antrag der Staatsanwaltschaft über die Fortdauer der Freiheitsentziehung entscheiden muss.

Volksstimme: Muss ich mich zu den Vorwürfen äußern, oder ist es besser nichts zu sagen?

Caspari: Zu Vorwürfen muss sich niemand äußern. Ob es besser ist, zu schweigen, hängt vom Einzelfall ab. Sicherlich kann es sich bei einer späteren Verurteilung positiv auswirken, wenn man eine Straftat, die man begangen hat, frühzeitig gesteht. Man muss sich aber andererseits darüber im Klaren sein, dass eine Aussage, die man einmal getätigt hat, dokumentiert wird und später nicht mehr zurückgenommen werden kann. Dies gilt auch dann, wenn man etwa aus der Überraschung der Festnahme heraus eine Aussage macht, die man später bereut. Ein Rechtsanwalt wird Ihnen daher immer dazu raten, solange keine Aussage zu machen, bis Sie dies vorab mit einem Anwalt zumindest besprochen haben. Dies muss nicht bedeuten, dass man die Aussage generell verweigert.

Volksstimme: Was kann ich tun, wenn ich glaube, dass die Polizei mich zu Unrecht in Gewahrsam hat?

Caspari: Wenn sich jemand zu Unrecht festgenommen fühlt, sollte er seine Ansichten zunächst der Polizei mitteilen und Gründe benennen, aus denen er sich falsch behandelt fühlt. Zudem sollte er verlangen, dass er schnellstmöglich mit einem Rechtsanwalt sprechen darf. Spätestens bei der Vorführung vor einem Richter kann der Festgenommene jemandem außerhalb des Personenkreises der Polizei seine Sicht der Dinge schildern.