Studium Warum Studenten nicht bleiben
Laut einer Studie verlassen deutlich mehr Menschen nach ihrem Hochschulabschluss Sachsen-Anhalt als bleiben.
Magdeburg l Eine Studie der Universität Maastricht und des Personalvermittlers Studitemps hatte kürzlich die Wanderungsbewegung von Studenten nach ihrem Abschluss untersucht. Zwischen den mitteldeutschen Ländern Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen ergeben sich deutliche Unterschiede.
Woran liegt das? Oliver Holtemöller, stellvertretender Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle, glaubt, dass sich Thüringen und Sachsen wirtschaftlich besser entwickeln als Sachsen-Anhalt. „In Thüringen mit Jena und in Sachsen mit Leipzig und Dresden gibt es dort Zentren, die auch Strahlkraft auf die jeweilige Umgebung ausüben“, so der Professor für Volkswirtschaftslehre. Jena sei zum Beispiel deutlich internationaler geworden. Dies hänge laut Holtemöller mit dem Engagement von Privatleuten und staatlicher Förderung zusammen. In Sachsen übe die technische Universität in Dresden viel Strahlkraft auf das Umland aus, meint der Experte.
Doch warum sind Sachsen-Anhalts Großstädte Halle und Magdeburg nicht ebensolche Zentren? Laut Holtemöller spiele die Konkurrenz zwischen Halle und Magdeburg hierbei eine große Rolle. „Vieles gibt es doppelt.“ Die sächsischen Großstädte Dresden, Leipzig und Chemnitz seien auf verschiedene Fachgebiete spezialisiert. Zwar sei Magdeburg auch eher auf Ingenieure und Halle eher geisteswissenschaftlich orientiert, doch diese Spezialisierung müsse weiter vorangetrieben werden.
„Außerdem sind Jena und Dresden auch in der Forschung erfolgreicher“, sagt er. Es gebe dort beispielsweise Deutsche- Forschungsgemeinschafts-Spitzencluster, welche in Sachsen-Anhalt überhaupt nicht existieren. Solche geförderten Spitzencluster würden laut Holtemöller eine besondere Wahrnehmung produzieren, die sich nicht nur auf die Forschungswelt, sondern auch auf die Privatwirtschaft auswirke.
Joachim Ragnitz, stellvertretender Geschäftsführer der Niederlassung Dresden des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, sieht noch andere Gründe: „Die Ausbildungsleistung der Hochschulen in Sachsen ist eher auf den Bedarf der Wirtschaft ausgerichtet, es werden dort ja verhältnismäßig viele Absolventen in technischen Fächern ausgebildet, die von der dortigen Wirtschaft auch nachgefragt werden“, sagt er.
Studenten ziehe es in Ballungszentren. „Und davon gibt es in Sachsen eben mehr als anderswo. Hinzu kommt, dass die sachsen-anhaltische Wirtschaft aufgrund ihrer Zusammensetzung einen geringeren Bedarf an Hochschulabsolventen hat als Thüringen oder Sachsen“, so Ragnitz. Er erhebt eine Forderung an die Politik: „Grundsätzlich wird Sachsen-Anhalt versuchen müssen, attraktive Unternehmen anzusiedeln, nur dann wird es gelingen, die Abwanderung von Absolventen zu stoppen und damit auch einen Beitrag zu einer höheren Wirtschaftsleistung zu erbringen.“
Ragnitz sieht aber auch die Studie kritisch: „Sinnvoll ist es eigentlich nur, zu schauen, wie hoch der Zuwandereranteil an den Erwerbstätigen am Zielort ist, nicht der Abwanderungsanteil an den Absolventen am Herkunftsort.“ Denn daraus könne sich auch schließen lassen, dass über Bedarf ausgebildet wird. Die Politik müsse sich fragen, ob es sinnvoll ist, viele Studienplätze anzubieten, wenn der Bedarf der heimischen Wirtschaft gar nicht so hoch ist, „denn letzten Endes zahlt der Steuerzahler in Sachsen-Anhalt für die Hochschulen und subventioniert damit indirekt die Unternehmen in anderen Ländern“.
Wirtschaftsminister Armin Willingmann (SPD) sagt, die Studie „belege eindrucksvoll, dass Sachsen-Anhalt für Studierende aus anderen Bundesländern ein hochattraktiver Standort ist“. Ziel sei es aber, dass mehr junge Talente im Land bleiben. In den vergangenen Jahren habe man die Vernetzung von Wirtschaft und Wissenschaft vorangetrieben, „denn gerade im wissenschaftlichen Umfeld entstehen hochwertige Arbeitsplätze, die für Hochschulabsolventen attraktiv sind“. Mit dem neuen Hochschulgesetz wolle man dem Gründungsgeschehen weiteren Schwung verleihen. Die Unternehmen im Land müssen mehr attraktive Arbeitsbedingungen bieten. „Hier sehe ich noch Luft nach oben“, sagt der Wirtschaftminister.